Der Morgen der Liebe
Eine Kurzgeschichte
von Alexander Roman Varga
Es
ist Morgen, das ist das erste, das mir einfällt.
Es
ist Morgen, weil der Tag von gestern vorüber ist und es ist auch Morgen beziehungsweise
morgens, weil es noch sehr früh ist.
Normalerweise
werde ich immer von meinem schier ohrenbetäubenden Wecker aus meinen Träumen gerissen,
nur heute ist es anders gewesen.
Heute,
aber eigentlich Morgen, bin ich schon früher aufgewacht.
Und
anstatt die frühe Stunde zu nützen und aufzustehen, bin ich im Bett liegen geblieben
und habe an die Zimmerdecke gestarrt und mir Gedanken gemacht, .... Gedanken über
viele Dinge und doch eigentlich über gar nichts, ... ich bin dagelegen, mit offenen
Augen und das Einzige, das ich wirklich genau wusste, war, dass heute Morgen ist.
Seltsam habe ich mir gedacht,
einfach nur seltsam.
Und
nachdem ich nun so einige Zeit ruhig in meinem Bett verharrt habe, eingewickelt
in meine Bettdecke, da begann ich zu fühlen.
Ich
lag da und fühlte, aber was fühlte ich.
Es
war auch das seltsam, denn mir war als hätte ich eine lange Zeit einfach überhaupt
nichts mehr gefühlt und plötzlich an jenem Tag, an jenem Morgen, da fühlte ich
etwas.
Und doch konnte
ich es nur sehr schwer beschreiben, welche Qualität diese Gefühle hatten.
Es war gut, es tat gut, also
es war wenigstens nicht Negatives, aber wie gut war es.
Irgendwann wurde mir diese
Denkerei zu anstrengend und ich beschloss nun doch, aufzustehen.
Als ich dann mit schlurfenden
Schritten das Badezimmer erreichte und in den Spiegel sah, da kam mir eine weitere
Erkenntnis, ... ich sah ein Gesicht, zweifelsohne mein eigenes Gesicht und doch
schien es auf eine Art fremd zu sein, also es musste etwas geschehen sein, etwas,
das eine Veränderung hervorgerufen hatte,
eine Veränderung, die möglicherweise für keinen anderen merkbar oder sichtbar
war, aber dennoch für mich selber.
Und natürlich war es so,
dass sich etwas Grundlegendes in meinem Leben verändert hatte und ich wusste auch
sehr genau was es war, nur hatte ich nicht erwartet, dass es mich, meine Gedanken
auf diese Art und Weise verändern würde.
Nochmals sah ich in den Spiegel
und sah mein Gesicht an, und dann sagte ich zu meinem Spiegelbild: „So mein
Lieber, nun ist es geschehen, Du bist verliebt! Bist Du verliebt? Ja, Du bist
verliebt. Und das hättest Du Dir wohl nicht träumen lassen, oder?“
Wahrlich,
das hätte ich mir wirklich nicht träumen lassen, dass ich mich so rasch und so,
wie soll ich nur sagen, so unbewusst, ja beinahe unmerklich verlieben würde.
Und doch ist es unzweifelhaft
geschehen. Ich musste schmunzeln.
Wie lange ist es nun her?
Es müssen wohl schon Jahre sein, die ich verbrachte, allein und ohne einen Menschen,
dem ich Vertrauen schenkte, ohne einen Menschen, der mir nur irgendwie das Gefühl
geben konnte, dass ich mich ihm hingeben wollte.
Auf
eine Art hatte ich eigentlich geglaubt, dass ich für den Rest meiner Tage alleine
bleiben würde, denn nach meiner Ansicht der Dinge, gab es den Menschen nicht,
mit dem ich eine Beziehung, eine Partnerschaft führen wollte.
Und doch stehe ich nun hier
und muss mir den Gegenbeweis ansehen, denn wenn ich mir so selber ins Gesicht sehe, dann ist es für mich
eindeutig.
Aber was
war es nur, das mich dazu brachte mich zu verlieben? Ich hatte doch so acht gegeben,
dass dies nicht geschehen sollte oder konnte. Wie war es jemandem gelungen, sich
in mein Herz, in meine Gedanken einzuschleichen.
Ja,
einschleichen, das ist der richtige Begriff. Ich hatte bis gestern nichts davon
gemerkt und jetzt stellte ich mich selber vor vollendete Tatsachen.
Wie ging nun diese Geschichte,
wie ist sie abgelaufen?
Wir
haben uns verabredet, einfach so, ohne dass es in eine bestimmte Richtung gegangen
wäre, wir wollten einfach nur reden, uns unterhalten und das haben wir auch getan
und dann, weil es uns beiden eigentlich ganz gut gefallen hat, da haben wir uns
für einen der kommenden Tage wieder verabredet und uns abermals getroffen und
wieder geredet, und weil es uns auch da gut gefallen hat, haben wir uns wieder
verabredet und danach noch einmal.
Und
jedes Mal habe wir über viele Dinge gesprochen und uns unterhalten.
Mir
hat es recht gut gefallen, weil ich dachte, endlich einmal jemand der auch geistig
etwas zu bieten hat und kein Gespräch, bei dem man im Geheimen weghört und sich
fragt, was man in Gegenwart dieser Person verloren hat.
Und
mein einziger Wunsch war bis zu diesem Zeitpunkt
nur, sie öfter, gelegentlich zu treffen und ein paar Stunden gemeinsam
zu verbringen.
Etwas
Zeit, in der man Gedanken austauschen kann.
Na
ja, aber nun ist es doch anders gekommen, ... nun stehe ich hier und muss zugeben,
dass ich mich verliebt habe, verliebt, aber in was?
In
was wird man eigentlich verliebt; verliebt man sich in das Aussehen eines Menschen,
in seine Art, wie er mit seinen Mitmenschen, mit seiner Umgebung umgeht, in den
Intellekt, ....
Was
ist es nur?
Schon früher,
in den Zeiten, da ich mich noch regelmäßig verliebt habe, da habe ich mir auch
manchmal diese Frage gestellt und doch bis heute keine Antwort darauf gefunden.
Aber aus aktuellem Anlass
könnte ich mir darüber wieder ein paar Gedanken machen, ....
Aber
dazu werde ich mir zuerst einmal eine Tasse Kaffee machen, da lässt es
sich deutlich besser denken, als hier vor dem Badezimmerspiegel.
Nachdem ich mir den Kaffee
auf meinen Frühstückstisch gestellt habe, das Radio einschaltete und einen Schluck
aus meiner Tasse nahm, da begann ich mir das Gesicht vorzustellen, ....
Das
Gesicht der Person, des Menschen, in den ich mich verliebt habe. Und irgendwie,
ich konnte mich nur sehr schwer erinnern, an die genauen Gesichtszüge, ... es
waren vielmehr nur noch bruchstückhafte Erinnerungsfetzen, die sich mir offenbaren
wollten.
Augen, schöne
Augen, aber mir war es nicht möglich zu sagen, welche Farbe die Augen hatten,
aber sie waren schön gewesen, dessen war ich mir sicher.
Und
ein feiner Mund, ... aber wieso fein? Fein wozu? Fein zum Küssen? Wie sah der
Mund aus, die Lippen, ... sie waren rot, aber nicht nur rot, sie waren auch samtig,
zumindest sahen sie auch samtig aus und sie waren schön geformt.
Ja,
einfach fein ... das ist dann doch die beste Beschreibung.
Und wie ich so darüber nachdachte,
kam in mir plötzlich das Bedürfnis hoch, diese Lippen zu küssen, einfach so, aus
heiterem Himmel. Es muss schön sein, diese Lippen zu küssen, sie zu
Dieser
Gedanke begann mich zu erregen und nervös zu machen.
Sollte
ich anrufen, einfach spontan zum Telefon greifen, ein Treffen ausmachen und dort
dann meine Gefühle offenbaren.
Ein
Blick auf die Uhr sagte, dass es wohl noch etwas zu früh war für einen Anruf,
also ließ ich diesen Gedanken gleich wieder fallen.
Wie sollte es überhaupt weitergehen?
Ich habe mich verliebt, nachdem wir viermal gemeinsam Kaffeetrinken waren, kann
denn das überhaupt sein?
Wie
soll ich das Thema denn überhaupt ansprechen, was soll ich sagen, wie soll ich
es sagen, was geschieht, wenn nur ich verliebt bin? Was wenn ich zurückgewiesen
werde. Sollte ich doch vielleicht nichts sagen und abwarten. Abwarten und hoffen,
hoffen worauf? Darauf, dass das Thema einmal zufällig angeschnitten wird, darauf,
dass ich eine Liebeserklärung bekomme? Irgendwie hört sich das alles sehr kompliziert
an. Und doch, was soll ich tun, ich habe doch nur wenig Möglichkeiten, entweder
ich komme auf das Thema zu sprechen, oder eben nicht. Und wie könnte mein Gegenüber
reagieren? Darüber muss ich auch noch nachdenken. Gibt es irgendwelche Indizien,
die mir aufgefallen sind, dass man auch mich für interessant hält, oder irgendwelche
anderen Annäherungsversuche oder
Worte während unserer Konversationen, die auf irgendeinen Hinweis auf das Gefühlsleben
oder die Gedanken schließen lassen, ... eigentlich habe ich nicht wirklich darauf
geachtet, aber wenn ich nun so darüber nachdenke, so kann es natürlich schon sein,
dass gewisse Aussagen in einem anderen Licht erscheinen, ... also unsympathisch
kann ich nicht sein, sonst wären wir wohl kaum mehr als einmal gemeinsam auf einen
Kaffee gegangen. Also irgendwie glaube ich schon, dass sich mein Gegenüber auch
für mich interessieren könnte.
Nachdem ich nun einige Zeit
damit verbracht hatte darüber zu grübeln, was ich denn wie machen könnte, drängte
sich schlussendlich nur eine Lösung auf, wir mussten einfach mehr Zeit miteinander
verbringen, und dann könnte ich ja auch mehr auf Wörter und Gesten achten und vielleicht
daraus eine Information bekommen, die mir möglicherweise weiterhilft.
Also,
irgendwie ist Liebe schon kompliziert, oder bin es nur ich, der es kompliziert
macht, weil ich zu viel darüber nachdenke.
Ich
weiß ja, weshalb ich die letzten Jahre lieber alleine und ohne Liebe verbracht
habe, da habe ich mir wenigstens diese Gedanken ersparen können, aber es waren
einsame Jahre gewesen, das ist eine Tatsache, die ich nicht bestreiten kann, und
ich werde auch niemandem glauben, der mich vom Gegenteil überzeugen will. Es gibt
natürlich viele Tage, an denen es einem nichts ausmacht keinen Partner zu haben,
aber es gibt auch Momente, Augenblicke in denen man beinahe alles dafür geben
würde, wenn da jemand wäre, den man umarmen könnte, der einen umarmt, einen Menschen,
von dem man weiß, dass er da ist, wenn man ihn braucht.
Schließlich
wird wohl jeder Zustand seine Vor- und auch seine Nachteile haben.
Nun gut, ich bin also verliebt
und diese Verliebtheit macht mein Leben ein wenig schöner, lässt die Sonne ein
wenig heller scheinen, die Blumen ein wenig farbiger sein, und das Leben erscheint
ein wenig einfacher.
Auch
wenn das nur ein Schein sein mag, aber trotzdem ist es ganz schön sich zumindest
für eine gewisse Zeit darin fallen zu lassen.
Na
gut, auch wenn ich nicht wirklich klüger geworden bin in den vergangenen Stunde,
warum ich mich verliebt habe und wie, so ist es eben einfach geschehen; Liebe
scheint zu passieren.
Und
ich werde wohl mit Neugierde die kommenden Wochen und Monate erleben, ganz gleichgültig
was aus dieser Verliebtheit oder dieser Liebe werden wird.
Was
ich allerdings gelernt habe, ist, dass man sich gegen Liebe anscheinend doch nicht
wehren kann, auch wenn man es möchte, oder vielleicht nur bis zu einem gewissen
Maße.
Ach,
das Leben kann wahrhaftig seltsam sein und komplex, ich glaube nicht, dass wir
es jemals ganz verstehen werden, aber vielleicht ist das auch gar nicht nötig.
Mit
diesen Gedanken werde ich mich nun aufmachen, einen Anruf tätigen, und
ich werde sehen was die Zukunft bringen mag.
Und ein stiller Beobachter
hätte noch hinzufügen können, was in den nächsten Momenten geschah.
Eine
Person, die am Tisch saß und eine Tasse in Händen hielt, schreckte plötzlich auf,
als das Telefon klingelte. Durch den Schreck glitt die Kaffeetasse aus
der Hand, ihr Inhalt ergoss sich auf das Tischtuch und teilweise auch auf den
Boden, auf den auch die Tasse fiel und in unzählige Scherben zersprang.
Fluchend
eilte die Person zum Telefon, nahm den Hörer ab ......
Und
die letzten Worte, die wohl für unsere Ohren gedacht sind, wie unser Verliebter
sagt : “....Kaffee? Aber natürlich, immer doch ..... ich freue mich sehr
.....“
Mit diesen Worten verlassen
wir die Situation, was auch immer das Schicksal sich für diese zwei Menschen ausgedacht
hat.