DER FRAGENDE
(Karl-Heinz Schreiber)


der fragende ist nämlich der eigentliche mensch das sage ich ihnen in aller geduld und er muß es anerkanntermaßen sein er kann nicht anders es ist so erforderlich und das müssen sie sich hier schon anhören ob es ihnen nun in ihre weltanschauung paßt oder nicht darum kann es auch gar nicht gehen zur ureigensten qualität des menschseins gehört sehr logisch die unaufhaltsame entwicklung und die eigentliche substanz von entwicklung ist das fragen und infragestellen nichts darf zweifelsfrei bleiben alles ist einer erwägung wert wehren sie sich nicht dagegen es geht hier um existentielle gesetzmäßigkeiten mithin wäre auch bereits der begriff des fragenden menschen ein ungeheuerlicher pleonasmus allerdings wird wohl diese naive stilfigur manchmal durchaus zur existentiellen verdeutlichung von durch vernachlässigung banalisierten begriffen legitim und geradezu reizend mit manchen worten und begriffen sind wir uns nur selbst im weg es ist kaum vorstellbar daß die menschen jemals die freundschaft ihrer sprache gewinnen werden wer wäre überhaupt legitimiert jegliche fragen zu vermeiden können sie sich überhaupt einen menschen vorstellen der nichts mehr zu fragen hätte woraus wollte der noch spannung beziehen was könnte ihn noch überraschen oder motivieren antworten sind jedenfalls ein gefährliches ruhekissen das unverhofft den schleichenden erstickungstod bringt wenn man mit metaphern handeln könnte wären wir umsatzmillionäre
weswegen belästigen sie mich eigentlich mit ihren abwegigen theorien haben sie es denn noch nicht bemerkt auch sie stellen immer wieder fragen ohne selbst eine perspektive auch nur anzudeuten welcher beweis wäre nun aber besser als der den der kritiker selbst erbringt daraus ließen sich interessante interviews gestalten sie haben also zweifel am zweifel und sie leugnen die unverzichtbarkeit kontinuierlicher fragen diese thesen
bewahrheiten sich unangreifbar aber ich stelle ihnen doch meine aufmerksamkeit zur verfügung das ist keineswegs
selbstverständlich das ist schon eine besondere gunst meinerseits und im übrigen auch ein talent zum fragenden gehört zweifelsohne daß er gewisse qualitäten aufweise die ihn eben für seine vage haltung der jeweils provozierenden vorläufigkeit direkt verantwortlich werden lassen zwar scheint der fragende durch diese seine grunddisposition bereits weit gediehen doch muß auch gerade er exemplarisch zur verweigerung der öden selbstgefälligkeit anregen letztere überfällt uns mit voreiligen antworten welcher vorgang immer eine brachiale ideologisierung des individuellen wie auch gesellschaftlichen menschseins bedeutet und bedingt eine gesunde skepsis ist immer mehr wert als eine hysterische antwortphobie sie möchten offensichtlich nichts in seiner vorhandenheit akzeptieren wozu auch jede antwort die nicht ihre vorläufigkeit und damit ihre negation durch die nächste frage selbstverständlich in sich trägt drängt uns in die tiefe sackgasse puren terminologischen zeitvertreibs sie verkomplizieren natürlich das leben und sie nehmen dem gehetzten menschen auch noch seine sekurität worauf soll der sich denn noch verlassen insofern frage und antwort mit wahrheit zu tun haben liegt aber die wahrheit notwendigerweise immer in den fragen nie in den antworten nicht das prinzip zählt sondern die bereitschaft wir sind ja auch geradezu angewiesen auf offenheit es wäre doch eine elende sturheit wollte man sich versteifen auf axiomatische floskeln die zeit der heilslehren ist endgültig vorbei es leben die investikativen tugenden und methoden wenn sie wollen daß ich ihnen meine aufmerksamkeit weiterhin widme müssen sie schon konkreter werden kein vorgang dieser erde ereignet sich abstrakt das ist quasi eine existentielle gesetzmäßigkeit und etwaige fragen stellen sich eben nicht von selbst nein sie werden notwendigerweise von einem menschen formuliert der sich freilich auch für überflüssiges fragen und logischerweise zwanghaftes antworten jederzeit rechtfertigen muß der mensch jedenfalls kann fragen nicht verweigern das fragen ist die einzige chance stagnation zu vermeiden dies gilt im wissenschaftlichen und politischen
bereich ebenso wie insgesamt in unserer existenz wir sollten uns darauf freuen mit fragen neue horizonte zu öffnen allerdings gibt es im alltag zu viele fragen die lediglich in die nervenbahnen zielen und weit davon entfernt sind visionär zu wirken das ist der fluch der pragmatik und des insistierens jetzt nähern wir uns bereits unerbittlich der unausweichlichkeit wir könnten einander ergänzen ich lade sie ein zu einer spekulativen exkursion fragen zielt doch unnachgiebig auf wissenwollen und auf erkenntnis das bedeutet überhaupt die würde der philosophie fragen unterminiert zwangsläufig jegliche basis idyllischer gläubigkeit der fragende stellt alles zur disposition sein privates glück die regierungsform seines landes die moral den tod und auch gott dem fragenden ist schlichtweg nichts heilig er kennt keine furcht ihn schrecken keinerlei sanktionen allein der fragende kann sich ideologischen suggestionen entwinden nun aber vorsicht sie spielen hier womöglich eine simplizität gegen eine andere aus keineswegs ich bin mir der zähen hinderlichkeiten durchaus geradezu schmerzhaft bewußt und freilich ist der fragende kein märtyrer er opfert sich für keine idee er sucht überhaupt erst nach der existenz einer solchen die vorgabe wirkt gekünstelt der prozeß gestaltet sich mühsam keineswegs sie müssen sich allerdings eingestehen daß es im leben keine garantien gibt es ist wie ein ordinäres losverfahren man opfert und riskiert hierin und dahin und vergißt vor lauter enttäuschung fast schon sich wenigstens noch zu wundern
wir müßten womöglich noch ein gemächliches mißverständnis klären möchten sie die menschen nun eigentlich verunsichern oder in ihrem existenzwillen bestärken das sollten sie aber soweit schon erspürt haben unsere wahre stärke besteht in der verunsicherung derer die uns fixsterne und orthodoxien vorgaukeln wollen und ein
mögliches weiteres naives mißverständnis muß auch gleich noch entkräftet werden er fragende ist kein dummkopf es ist ganz im gegenteil eine existentielle gescheitheit die ihn zum immer weiter fragen drängt das fragen ist die eigentliche schöpferische energie des menschen man darf keine antwort zu ernst nehmen antworten

implizieren stagnation jegliche vorgeschützte schlauheit
bedeutet lediglich macht die wir aber nicht gewähren dürfen sie klingen etwas verbittert haben sie abartige erfahrungen hinter sich das könnte man so nennen ich mußte durch ideologische ghettos irren und ich habe gekämpft gegen alberne pseudokritische selbstdarsteller haben sie eine vorstellung davon wie sehr neurose und ideologie miteinander verwoben sind man kann doch dem fragenden nichts verbieten das wäre existentieller suizid man kann allerdings versuchen durch vermeidung unnötiger scheinfragen die vergeudung existentieller lebenszeit zu verringern wir benötigen klare kriterien zur unterscheidung von integrem erkenntnisinteresse und perfider selbstbeweihräucherung wie also ist der mensch als fragender zu verstehen und auch ernst zu nehmen da hätte ich durchaus meine stringente theorie schauen sie dem fragenden muß grundsätzlich klar sein daß er zu fragen hat es muß zweifel geben der zweifel ist der atem der existenz fragen sind das blut der lebendigkeit zu viele menschen haben den hang zur lethargischen akzeptanz die haltung des fragens ist ihnen zu subversiv oder gar zu blasphemisch wie banal können menschen eigentlich sein geben sie mir hoffnung ich möchte mich sonst weigern zur menschheit zu gehören für wen könnte dies einen verlust bedeuten für sie selbst für die menschheit für all die zusammengeschwindelten götter und hier beginnt wahrhaft die anarchie jenseits aller jovialer oder banaler linker oder rechter schamanenwitze allerdings gehört ja nun wohl auch die tatsache daß wir fragende sind zu unserer eigentlichen existentiellen beschaffenheit das dürfte einsichtig sein darüber brauchen wir uns eigentlich nicht zu streiten das fragen ist die ganz simple phänomenologische basis unseres intellektuell genetischen instinkts wir spüren schon irgendwie ob wir und wie wir wozu gehören und der mensch als fragender der sich nicht durchweg als solcher versteht wäre für sich und alle anderen schlichtweg unzuverlässig und unglaubwürdig und was gibt es denn wirklich schlimmeres als daß man sich nicht auf sich selbst verlassen könnte wenn man schon per definition und praxis als mensch durchgehen könnte erlauben sie sind wir denn als menschen nur noch ersatzweise existenzbastarde müssen wir uns ständig rechtfertigen müssen wir uns stäändig bezweifeln
mir imponiert ihre klaustrophobische erregtheit das bedeutet wir werden uns ebenso oft garantiert mißverstehen wie wir uns eventuell verstehen aber das ist ja genau das offene prinzip des fragens und pendelns nur so können wir unsgegenseitig auch nützlich sein nun bleiben wir aber konkret wie ließe es sich denn rechtfertigen seinen mitmenschen mit behauptungen zu drohen die sich nicht mehr hinterfragen lassen dürften man kann nur in offenheit leben und insofern der fragende weiß und akzeptiert daß er ein solcher ist kann er aufmerksamkeit beanspruchen vielleicht auch nur quasi beantragen wir sind uns wohl jenseits aller möglichen inhaltlichen verquerungen darin einig daß es gewisse formalien gibt in unserer banalen existenzweise in jeder absurdität nistet erst einmal die normalität und wenn wir uns verunsichern lassen dann jubiliert das prinzip aber die faktizität darbt der fragende muß nämlich vor allem wissen was eigentlich zu fragen lohnt und mehr noch was er nicht zu fragen braucht weil es sich existenteill erledigt hat nichts wäre unsinniger als überflüssige fragen zu formulieren nicht allein für den fragenden vor allem auch für den potentiell antwortenden würde sonst zuviel existentielle energie vergeudet es wäre eine blamage wenn marginalität zum ausweis des fragenden würde gerade als fragender hat man das statische aus dem dynamischen zu filtern das was unsere existenz befördert zu befreien von dem was uns beengt und gerade hierin gibt es wohl das größte differenzpotential zu bearbeiten mir könnte es geradezu schwindelig werden bei all der offenheit und all den möglichkeiten wesentlich ist es wohl über das rein funktionale niveau der kenntnisse in die pulsierende unendlichkeit der erkenntnisse zu gelangen nach kenntnissen braucht man eigentlich nicht zu fragen man kann sie sich durch lernen aneignen das dynamische fragen zielt allein auf erkennen
unseres jeweils spezifischen stellenwerts in und für die existenz unserer selbst und der gesamten menschheit und auch möglicher anderer lebensformen im kosmos das läßt die dimensionen ungeheuerlich und unnötig kompliziert erscheinen gut man muß die freiheit eben doch als notwendigkeit erkennen und erarbeiten fragen bedeutet dabei unweigerlich fortlaufende grenzüberschreitung der inneren wie der äußeren dimensionen aber manifestationen die sich und mich als fragenden nur im kreise auratischer befangenheit drehen erzeugen in des wortes doppelter bedeutung lediglich existentiellen schwindel so einfach wollen wir uns nicht entlassen wir brauchen ein motivierendes niveau dem fragenden muß jeweils detailliert bewußt werden wie er zu fragen hat wenn die substanz und die richtung der frage etwa durch schludrige formulierung nicht klar würde wäre diese frage nicht nur unnütz sondern eigentlich gar nicht gestellt der fragende muß sich üben und disziplinieren er ist jeweils selbst für die verstehbarkeit seiner frage zuständig es bedeutet arbeit und übberwindung das fragen zur hohen kunst zu entwickeln aber daran gekoppelt ist eben auch unsere menschliche entfaltung soweit nun also zu den unerläß rahmenbedingungen des fragestellens selbstredend muß ein fragender sofern er dazu da ist perspektiven zu eröffnen vor allem den inhalt der frage präzise abwägen wenn der fragende also die absolute überzeugung hinsichtlich seiner position als fragesteller gewonnen hat wenn er endlich wesentliches von unwichtigem zu trennen vermag und wenn er seine worte eindeutig verstehbar zu wählen sich vorgenommen hat dann konzentriert er sich auf den inhalt das jeweils unausweichliche problem hierüber muß wohl in der situation jeweilig befunden werden wesentlich kann zumindets nur sein was eine situation verändert zweierlei sei noch behauptet wir menschen können es uns überhaupt nicht leisten auf das fragen zu verzichten und der fragende will er nicht fraglich werden muß sich selbst in frage stellen und stellen lassen wie könnte ich das als mensch je im eigenen leben begreifen wie könnte ich aber ohne fragen zu stellen jemals glücklich werden