Drosendorfstimmung, zuunterst. Geschüttelt, nicht gerührt.


"Sieh sie tanzen!" sagt Sein Mund in mich hinein. Wirbellose in Stromschnellen, rudern mit Armfortsätzen im Dunkel, das sie umgibt. Gewisse ereignen sich geradezu, hinweggespült vom Tiefenkoller. Verbindlichsten Dank für die unkörperliche Erziehung, denkt es in sich, das eigene Klatschen überholend. Vermaledeites Witzereißen zwischendurch, wenn der Lautmaler vermutlich ebensogut innehalten könnte.
Irgendeine äußere Kälte nimmt die Abkürzung beinaufwärts. Anderer Gehwurzeln zucken immergleich im Mittelpunkt. Und was spricht aus dem Inneren? Das Sehnen, dabeisein zu dürfen, die Eigenheit zu entfesseln. Der Lautmaler fordert abermals Gehorsam ein, den ein Inneres niemals gewillt sein wird, entgegen zu bringen: Gefuchtel auf Kommando als Totgeburt. Und trotzdem: viel Getöse ringsum. Den Hiesigen wurde Hemmung nicht in die Wiegen gelegt. Das In-Sich verabschiedet einmal mehr das Diesseits.

Was da hirnig ausflockt, ist abermals ein Anflug von Bedauern ob der innewohnenden Beklemmungen. Klamme Finger, unerwünschtes Frieren von innen und außen. Das In-Sich schlüpft in der Anonymität. Es tanzt im Schreiben, längst schon eingedreht in Rauschfontänen. Wie besungen: Freedom comes when you learn to let go. Lautmaler äußern sich nicht in Bildern. Das Grübeln möge in Seinem Schatten versinken, die Gestaltwandlung einleiten. Klänge explodieren scheulos. Abisolieren. Die Gestalt war noch nie ein ausreichendes Ichgehäuse.

Wird es wärmer wenn der Wein sein Behältnis wechselt, ein gläsernes Gesicht in seine Farbe taucht? Dass der verschiefte Wienergeist endlich locker lässt. Innere Beschleunigung, Schreibgeschwindigkeit hoch drei.
Das In-Sich tritt zu Unzeiten hervor, wenn die Lichter ausgehen und die Lautmaler erschöpft sind. Zu langsam, zu spät, zu fremd. "Nächstes Mal nicht", empfiehlt das Ichgehäuse. Jetzt aber lässt es locker, losgeleint, hebt ab in die Tiefe. Geht endlich dorthin, wo die Bewegung zur Welt kommt. Treibsand im Denkgefüge, Schwingung leben. Biegung sein, Beugung, Brechung, Drehung.
Das In-Sich dreht um, hat die Richtung gefunden: Kreiselsog abwärts. Nicht aufhören! Laut aus sich selbst, laut in sich selbst. Tausendfach abstandslos empfinden. Die Einheit mit der Gestaltwerdung so einsichtig, so unmittelbar. Ebendiese freilegen, auf den Wellen schaukeln lassen. Eine Schwalbe im ewigen Klang sein. Obertonreihen verkörpern. Wenn die Erscheinung endlich die Geschwindigkeit des Denkens übernimmt, nicht mehr anders kann, ergibt das In-Sich eine taugliche Gestalt. Warumfrei, grundlos, zutiefst ursächlich. Diesen Zustand bewahren? Nein. Kleben im Normalbefinden. Augen zu. Abdanken, abdenken.
Ein fremdgesteuertes Ende des Zustands: Wie stets zu abrupt, zu anorganisch, zu schmerzhaft. Einem Körper so unvermittelt die Seele einzuschenken ist gefährlich. Wo ist das In-Sich hingeraten? Sackgasse.
Und wie das Licht einstürzt! Kein Dem-Normalzustand-entgegen-Kriechen. Bitte nicht. Ein innerer Schrei gegen das Ende. Messerscharfe Empfindungsreste lauern in sämtlichen Ecken des Ichgehäuses. Eine Halbstimme aus dem Niemandsland zwischen In-Sich und Körper: "Komm einfach mit."
Diesen Pegel bewahren in alle Ewigkeit. 

Glühendes Gemurmelflimmern rundherum. Vorübergehend den Ichwächter abgeschaltet.
"So warst du nicht", diese Aussage ist mir sicher. Zu hell für so viele Augen auf mir. Zu viele Gesichter, alle gegenstandslos bis auf Seines, das auf das In-Sich einredet. Allerdings: "Ich bin nicht hier." Fang mich nicht ein, ich bitte Dich. Umsonst geflohen, denn ich spüre es ungefragt wieder, dass der Rückfall im nächsten Wort lauert. Einmal noch mit den Lautmalern eine Runde drehen, eine allerletzte, die niemand erwartet. Haftkrampf? Nein, danke. Lass mich die Freiheit verdauen, absichtslos neben wie in Dir versinken, aber sprich mich nicht an. Denn das tut weh.


Schauen soll ich?
Was sich da unter Stoffbahnen gelblich wurmt ist nicht Gestalt. Es ist nur Kampf mit Laufmetern. Ist Verschlingen von Minuten, elastisch umtönt von jemandes Glockenläuten und Vibrafongetöse. Was sich da dehnt an den Enden des Blaus wird gewickelt, gezerrt. Was sich da wölbt unter Schwarzweiß und dann still liegt - betrommelt wird der gewundene Körper. Schaulustig umstanden von Händen-in-Hosentaschen-Passanten. Und Schatten ergießen sich von Hausmauern, die buchstabierte Töne spiegeln. Manche Verbiegung ist zugleich vorgetäuschte Geburtshaltung mit reichlich Rotstoff in der Beingrätsche; anorganischer Blutverguss über die Pflastersteine kriechend. Ein Scheuern in weiblichen Krämpfen, eine Krümmung das Rot hinauf. Wie sie barfuß schreiten, in letzter Konsequenz aneinander vorbei. Rotstoff: die Nabelschnur zwei Körper entlang. Keinen Tango jemals so zerlegt gesehen, Fußrücken rot umpantscht, Tanzfiguren akustisch süß-sauer eingelegt.

"Genug", sagt Sein Mund an meinem Gesicht vorbei.

(Doris Krestan; 2000)


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