Nang Theng One
Aus dem Laotischen von
Martina Sylvia Khamphasith

Der König von Meuang Kosy,Panya Kosing Korat, hatte einen Sohn, Mahavong, den er so sehr liebte, dass er ihm keinen Wunsch abschlagen konnte.
Mahavong war aber ein liebenswürdiger und guter Sohn und nutzte die Großzügigkeit seines Vaters nie aus. Eines Tages, Mahavong war gerade fünfzehn Jahre alt, bat er darum, in den Wald auf Jagd nach Wildhühnern gehen zu dürfen.
Der König gab seinem Sohn ein großes Gefolge seiner Diener mit auf den Weg und ließ ihn ziehen.
Als  das königliche Jagdgefolge den Himmaphane Wald erreichte, schlug es dort sein Lager auf. Da es noch hell am Tage war, machte sich Mahavong mit vier Begleitern auf, um nach wilden Hähnen Ausschau zu halten. Unterwegs überfiel sie die Dunkelheit, so dass sie gezwungen waren, die Nacht am Ende des Waldes nahe dem Meer, der Grenze zum Reich Phnaya Kosumphy, dem König der Krokodile, zu verbringen.
Als alles still um sie herum war, fiel Mahavong in einen tiefen Schlaf und hatte einen seltsamen Traum: Er traf ein wunderschönes Mädchen, das auf dem Meeresboden beheimatet war und verliebte sich in sie. Den ganzen nächsten Tag über sah ihr Bild vor sich und bat schließlich seine Diener, in die Tiefe des Ozeans hinabzutauchen und nach dem Mädchen zu suchen. Und wirklich, auf dem Meeresgrunde saß eine bildhübsches Jungfrau. Als Mahavong davon hörte, tauchte er selber hinab und war fasziniert von der weiblichen Schönheit. Es war Nang Theng One, die Tochter des Königs der Krokodile in Gestalt eines Menschen. Mahavong beschloss sie zu heiraten und ritt geschwind nach Meuang Kosy und erzählte seinem Vater von seinem ungewöhnlichem Wunsch und seiner brennenden Sehnsucht nach diesem Mädchen.

König Kosing, der seinem Sohn noch nie einen Wunsch abgeschlagen hatte, entsendete eine Abordnung von 3000 Mann, die um die Hand von Nang Theng One anhalten sollte.

Der König der Krokodile willigte ein in die Hochzeit und Nang Theng One verabschiedete sich von ihrem Vater und ihrem Bruder Koumpha und machte sich auf ins Königreich Meuang Kosing.

Sie feierten eine prächtige Hochzeit und als Hochzeitsgeschenk vermachte der König seinem geliebten Sohn das halbe Königreich.

Einige Zeit war vergangen und Nang Theng One wurde schwanger. Zu der Zeit ging die Kunde im Lande herum, dass sich im Walde Himmaphane ein stattlicher weißer Elefant aufhalte. Natürlich war es im Sinne des Königs, ein solches Tier zu besitzen, da es von Ruhm und Reichtum des Besitzers zeugt. Von diesem Traum besessen, machte sich der König auf den Weg zur Jagd des weißen Elefanten
Königin Theng One blieb allein zurück im Palast. Alle ihre Dienerinnen waren aber neidisch auf die vollkommene Schönheit der jungen Königin und die tiefe Liebe, die der König zu ihr empfand.
Vayaka, die erste Dienerin, hatte selbst fünf Töchter, die sie gern mit dem König verheiraten wollte, so ersann sie eine List, um der Königin Schaden zuzufügen. Als die Königin gebar, band sie ihr ein Tuch um die Augen und tauschte ihr Baby gegen ein kleines Krokodil aus. Sie tat den Sohn Nang Theng One’s in einen Krug und ließ ihn inmitten eines tiefen dunklen Waldes aussetzen.

Als der Mahavong mit dem weißen Elefanten nach Hause kam, zeigte Vayyka dem König das kleine Krokodil auf einem goldenen Tablett und beschwor, dass die Königin es zur Welt gebracht hatte.
König Mahavong betrat in großer Wut das Gemach der Königin und befahl, dass sie auf der Stelle das Königreich verlasse.

Die unglückliche Nang Theng One wanderte Tränen vergießend durch den Wald und suchte nach dem Land ihres Vaters. Als sie den Waldrand erreichte, brach sie erschöpft zusammen und rief nach ihrem Bruder Koumpha, der sie erhörte und ihr zur Hilfe eilte.
Panya Khoumpha war traurig, seine Schwester in einer solchen unangenehmen Lage vorzufinden und geriet in Wut, als er hörte, wie sie von ihrem Mann behandelt wurde. Er befahl seinem jüngeren Bruder Korakan, eine Armee von 60 000 Krokodilen zusammenzustellen und sie auf dem Seeweg zum Königreich Meuang Kosy zu führen.

Derweil nahm Panya Koumpha seine Schwester auf den Rücken und suchte den Wald Himmaphan auf. Auf dem weiten Weg wurden sie mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert und als sie endlich ankamen, fielen sie vor Erschöpfung tod um.
Gott Shiva, den das traurige Schicksal der beiden reute, schickte Gott Visoukham auf die Erde, der Bruder und Schwester mit himmlischem Wasser besprühte und sie wieder zum Leben erweckte. Panya Koumpha verlor dabei seine Krokodilsgestalt und verwandelte sich in einen hübschen jungen Mann. Die Geschwister baten Gott Visoukhoun zum Dank für die Wiederbelebung im Wald bleiben und als Mönche dienen zu dürfen.

Eines Tages durchquerte Panya Mahachak, der König der Giganten, auf seiner Jagd den Wald und sah die wunderschöne Nang Theng One. Da Panya Khoumpa abwesend war, fiel es ihm nicht schwer, die junge Frau zu rauben und in sein Königreich zu entführen.

Nang Theng One’s Sohn, den die böse Vvayaka einst im Walde ausgesetzt hatte, wurde von einem Gott gefunden und von ihm ins Himmelreich gebracht und aufgezogen. Er erhielt den Namen Soulinyongyane und wurde im Alter von neun Jahren  von dem Gott mit magischen Kräften ausgestattet.

Einmal, als Soulinyongyane im Reich Meuang Kosy weilte, sah er einen Stalljungen, der ein prachtvolles Pferd auf die Weide führte. Er sprang auf das Pferd und galoppierte davon. Dem Stalljungen, der ihn verfolgte, zerschlug er mit der Reitpeitsche das Gesicht. Der Stalljunge rannte zum König und meldete ihm, dass ein kleiner Junge sein Pferd gestohlen habe. Wutentbrannt über den Verlust seines Lieblingspferdes befahl er seiner Armee, das Tier wieder herbeizuschaffen. Unverrichteter Dinge kamen seine Generäle wieder, denn der Junge hatte sie mit Hilfe seiner magischen Kräfte besiegt.
Der König sattelte seinen weißen Elefanten, um den unverschämten kleinen Jungen selbst zu bekämpfen. Sie kämpften drei Tage und drei Nächte, ohne dass jemand siegte
König Mahavong war so erstaunt über die Kampfkünste des Jungen, dass er aus dem Sattel stieg und den Knaben fragte, woher er käme.
Der Knabe, der keine Angst vor dem König verspürte,  erzählte ihm die Geschichte seiner Geburt. Er ergänzte, dass er nicht wisse, wo sich seine Mutter jetzt befinde und ob sie noch lebe.  Als der König die Geschichte zu Ende gehört hatte, wurde ihm bewusst, dass er von der skrupellosen Vayaka betrogen wurde und dass er seinem eigenen Sohn gegenüberstand.  Der König umarmte seinen Sohn und brach in Tränen aus, als er an das Schicksal seine lieben Frau Nang Theng One dachte, die er nie vergessen hatte. Er bat seinen Sohn, mit ihm in den Palast zu kommen und ihm zu helfen, das Land zu regieren. Doch Soulinyongyane lehnte entschieden ab, denn er sah es als seine erste Pflicht an, nach seiner Mutter zu suchen. Der König war einverstanden, kehrte in den Palast zurück und ließ Vayaka und ihre Komplizinnen in den Kerker werfen.

Nach einer langen und beschwerlichen Reise, auf der er von den Göttern beschützt wurde, traf er im Wald Himmaphane ein und traf seinen Onkel Panya Koumpha. Dieser erzählte ihm, dass seine Mutter von dem König der Giganten geraubt wurde und im Königreich Meuang Nanthaphane gefangen gehalten wurde.

So unternahm der Prinz erneut eine mühsame Reise und gelangte ins Land des Giganten Saravane, einem Untertanen des Königs der Giganten. Der Prinz besiegte Saravane in einem heftigen Kampf und machte ihn zu seinem Diener.
Beide machten sich auf den Weg zum König. Saravane bat ihn, Nang Theng One zu entlassen, doch er lachte nur höhnisch und forderte den Prinzen zum Kampf heraus. Sieben Tage und sieben Nächte kämpften sie ununterbrochen, ohne dass einer siegte. Der Gigant war schon schwer verwundet, doch starb er nicht, da er sein Herz König Narai zur Aufbewahrung gegeben hatte.
Als Soulinyongyane der List gewahr wurde, schickte er einen magischen goldenen Hirsch ins Land der Narai. Der König wiederum befahl seiner Armee, den Hirsch zu fangen, da er um sein Leben fürchtete. Doch der Hirsch verschwand schnell aus den Augen seiner Verfolger und stahl das Kästchen mit dem Herz des Giganten aus dem Palast von Narai und brachte es dem Prinzen. Beim Anblick des Herzen in den Händen von Soulinyongyane fiel der König der Giganten auf der Stelle tot um.

Der junge Prinz betrat den Palast des besiegten Königs der Giganten und war wieder vereint mit seiner Mutter.

Die Königin der Giganten und alle ihre Untertanen unterwarfen sich Soulinyongyane und versprachen ihm zu dienen. Der Prinz ließ nach seinem Onkel Panya Khoumpha schicken und bat ihn zu sich in den Palast zu kommen.
Als Panya Khoumpha ankam, heiratete er die Witwe des Gigantenkönigs.

Soulinyongyane und seine Mutter kehrten zurück in ihr Königreich Meuang Kosy. Sie nahmen die wunderschöne Nang Phathoumma Kaysone, die der Gigantenkönig einst in einer Blume fand, mit auf ihren Weg.

Bei ihrer Ankunft wurde ihnen ein prächtiger Empfang bereitet und König Mahavong war von tiefem Glück erfüllt, als er Nang Theng One wieder sah. Er bat sie innig um Verzeihung dafür, was er ihr und ihrem Sohn angetan hatte und setzte Soulinyongyane als neuen König ein.
Das ganze Königreich feierte die Hochzeit von Soulinyongyane und Nang Phathoumma Kaysone  Himmlische Götter nahmen an der Zeremonie teil und segneten das junge Paar.