Donna Juana
Wieso
spricht alle Welt von
Don Juan
und denkt seltsamerweise nicht daran,
dass existiert
ein Don Juan besonderer Art:
Der Don Juan hat seinen femininen Counterpart!
Donna Juana ist nicht
Abklatsch nur des Mannes,
wenngleich sie viel mit ihm gemeinsam hat.
Wie
er ist Opfer sie des dämonischen Bannes,
in das das andere Geschlecht sie
tat.
Sie findet dauerhaft
Erfüllung nie in einem,
stets ist sie auf der Flucht vor ihrem Glück.
Nie
ist sie mit sich selbst im Reinen,
bricht mit Vergnügen Männern das Genick.
Worin besteht - trotz
vieler Parallelen -
der Unterschied zu Don Juan?
Donna Juana kann noch
viel subtiler quälen.
S i e geht den Wettlauf l i t e r a r i s c h an.
Sie
wählt die Männer, eh sie sie vernichtet,
nach dem Prinzip des Zufalls niemals
aus.
Als Frau ist sie erlesen literarisch ausgerichtet.
Sie lässt keine
der Kunstepochen aus.
Kaum
ist der Gott der RENAISSANCE begraben,
dessen perfekten Körper sie verehrt,
will sie ´nen Prinzen des ROKOKO haben
mit Puderhaar und goldverziertem
Schwert.
Auf das BAROCKe
folgt sehr bald die KLASSIK
mit Maß und Stil und stets gebändigtem Gefühl.
Für die Vitrine mit gedämpftem Licht im Vestibül
ein wertvolles Erinnerungsstück.
An laue KLASSIK reiht sich die ROMANTIK,
bestickt mit blauen Blumen und tief
lyrisch,
voll Todessehnsucht , Schmerz und Seelenblick
und engelgleichen
Männern, immer geistreich, niemals tierisch.
Ist
die romantische Epoche ihr dann langweilig geworden,
macht sie sich über einen
REALISTEN her,
Nicht schwer ist´s, ´nen ROMANTIKer zu morden.
Der wandelt
ohnehin am Grabesrand daher.
Ein REALIST dagegen ist sehr handfest.
Stets hält er in der Faust ein Pfand
fest.
Vorübergehend findet Donna Juana Halt
an seiner Kraft und Stärke
(und dem stattlichen Gehalt).
Der
REALIST bleibt auch nicht lange im Finale.
Die Donna sagt ihm ohne Mitleid:
"Stirb und zahle
mit deinem schnörkellosen Leben.
Zu kurz sei es gewesen?
Dafür um so glatter eben!"
Nach
dieser neuen Pleite zieh´n sie dann
unweigerlich NATURALISTEN an.
Bei
kaum durch Norm und Form gezähmten Tönen
fällt´s der Kunstkennerin nicht leicht,
sich an Naturprodukte zu gewöhnen.
Erholen
kann sie sich bei den IMPRESSIONISTEN,
die sie mit Farbe, Licht und Sonne
überlisten.
Schnell geh´n ihr deren Stricheleien auf den Wecker.
Auf einmal
findet sie das EXPRESSIVE lecker.
Das
Angstgeschrei einer gequälten Kreatur
führt Donna Juana neuerdings zum Gipfel
nur,
Apokalyptischem und Untergangsvision.
Wer ohne alle Hoffnung ist,
der kriegt von ihr den schönsten Lohn.
Indessen
war das lächerlich ekstatische Getue,
wie sich bald zeigt, nur aufgesetzte
Literateneitelkeit.
So findet Donna Juana endlich ihre Ruhe
beim wortkargen
Vertreter einer NEUEN SACHLICHKEIT.
Bildungsbeflissen,
wie Juana nun mal ist,
wird sie sich weiterhin durch Kunstepochen wühlen
und weil vom Schicksal sie dafür prädestiniert ist,
nach noch "einmaligeren"
Männern schielen.
(Diethelm Kaminski)