2. Szene
Im Bistro zum Zweiten, einen Abend später
Die gleiche Bühneneinrichtung wie in Szene 1.
Der junge Mann betritt mit einem Blumenstrauß in der Hand langsam das Bistro, das leer scheint. Er setzt sich auf den gleichen Sessel wie am Tag zuvor, und legt den Blumenstrauß vor sich auf den Tisch. Er trommelt mit den Fingern auf die Tischplatte. Einige Sekunden später kommt eine junge Dame, um die Bestellung des Gastes aufzunehmen. Es handelt sich um eine andere junge Dame als am Abend zuvor. Der junge Mann sieht sie ein wenig überrascht an. Er weiß offensichtlich nicht, was er sagen soll.
LISA: Was kann ich für Sie tun?
KONRAD: (leicht zögernd): Na ja. Ich
war gestern am Abend in diesem Bistro, und habe die Bekanntschaft mit einer jungen
Dame geschlossen, die hier bediente. Ich wollte ihr diesen Blumenstrauß überreichen,
weil ich sie ziemlich verärgert habe. Sie war ziemlich enttäuscht von mir, und
ich glaube durchaus zurecht.
LISA: Das tut mir leid. Aber Katja ist nicht
mehr da. Sie werden ihr also die Blumen nicht überreichen können.
KONRAD:
(einigermaßen entsetzt): Nicht mehr da? Wie meinen Sie das?
LISA: Sie
hatte gestern ihren letzten Arbeitstag.
KONRAD: (nun sehr entsetzt wirkend):
Mein Gott! Das kann doch nicht wahr sein. Und Sie wissen nicht zufällig, wo sie
wohnt? Wo ich sie finden kann?
LISA: Sehen Sie; da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.
Sie hat gekündigt, und möchte ganz von vorne anfangen. Ihr ganzes Leben war zuletzt
nur noch ein einziges Chaos. Sie war sehr unglücklich. Und da war es wohl ganz
richtig von ihr, einen völligen Neuanfang zu wagen.
KONRAD: (niedergeschlagen
und resigniert): Ich habe also meine Karten verspielt. Ich wollte sie so gerne
kennen lernen. So dumm habe ich mich gestern benommen. Das kann ich mir nie und
nimmer verzeihen.
LISA: (ein wenig lächelnd): Katja ist ein ganz besonderer
Mensch. Sie passte nie in dieses Bistro. Ich musste ihr versprechen, nichts über
ihre Pläne zu verraten. Sie will alles hinter sich lassen. Wirklich alles.
Einige Sekunden verstreichen. Konrad. hält den Kopf gesenkt. Er starrt auf den Blumenstrauß vor sich. Dann:
LISA: Sie müssen das verstehen. Ihr Mann hat sie wie den letzten Dreck behandelt. Schläge waren nicht selten, und er war furchtbar eifersüchtig. Sie konnte keinen Schritt allein machen, ohne sich von ihm beobachtet zu fühlen. Er lauerte ihr oft an den unmöglichsten Stellen auf, und machte ihr Vorwürfe. Ihre Schwiegermutter hielt zu ihrem Sohn, und beteiligte sich an dem Komplott. Einzig ihr Vater war immer an ihrer Seite, aber er konnte ihr nicht wirklich helfen, weil er schon ein bisschen senil ist. Sie schrieb oft im Geheimen Gedichte, und führte ein Tagebuch. Ihr Mann kam dahinter, und zerriss alles. Er konnte es nicht ertragen, das sie kreativ ist. Schlug sie krankenhausreif. Kam dann ins Spital, um sie um Verzeihung zu bitten. Glauben Sie mir: Es war die Hölle für sie, und ich darf niemandem sagen, wie sie ihr Leben nun gestalten will. Das könnte sich fatal für sie auswirken, wenn ich etwas ausplaudere.
Konrad starrt nach wie vor auf die Blumen. Dann richtet er sich doch auf, und sieht der jungen Dame in die Augen.
KONRAD: (nach wie vor niedergeschlagen wie für den Rest des Gesprächs):
Ich kann das alles einfach nicht fassen. Gestern hätte sie mir einen Abend ihres
Lebens geschenkt. Ich weiß nicht, was daraus entstanden wäre. Die ganze Nacht
habe ich darüber nachgedacht, wie ich das gutmachen könnte. Dann habe ich mich
entschlossen, ihr diesen Blumenstrauß zu überreichen, und sie um Verzeihung zu
bitten.
LISA: Ich kann mir gut vorstellen, wie Sie sich fühlen. Aber es lässt
sich nichts ändern. Heute gegen Mittag war der Kerl hier, und sagte mir, das er
sie windelweich prügeln würde, wenn er sie erwischt. Ich konnte ihm nur sagen,
das ich nichts von ihrem Aufenthalt weiß. Ich traue ihm zu, das er einen Detektiv
beauftragt, um sie aufzuspüren. Dies wird jedoch nicht gelingen können. Mehr kann
ich nicht sagen.
KONRAD: (den Tränen nahe): Das ist furchtbar. Vielleicht
hätte ich ihr helfen können. Vielleicht hat sie einen Freund gesucht, der ihr
dabei hilft, ihr Leben neu zu ordnen.
LISA: (leicht lächelnd, und ihn zu
beruhigen suchend): Machen Sie sich keine Vorwürfe! Sie können nichts dafür.
Keinen Tag mehr hätte sie dieses Leben ausgehalten. Es war gut, wie sie sich entschieden
hat. Sie müssen sich damit abfinden, das Sie sie höchstwahrscheinlich nie wieder
sehen werden.
KONRAD:
Können Sie ihr nicht wenigstens etwas ausrichten von mir?
LISA: In den nächsten
Wochen werde ich keinen Kontakt zu ihr haben. Sie wird mir vielleicht schreiben,
wenn sie sich halbwegs in ihr neues Leben eingeordnet hat. Aber selbst das ist
nicht sicher.
KONRAD: Ich bin einfach ein Idiot.
LISA: Ich kann Ihnen
leider nicht helfen. Ich kann Ihnen nur raten, nicht den Kopf hängen zu lassen.
Sie hat vielen Männern den Kopf verdreht. Ein Grund mehr für die Eifersucht ihres
Mannes. Am besten ist es, wenn Sie versuchen, sie zu vergessen.
KONRAD: Ich
hab´ sie nur einmal gesehen. Und doch glaube ich nicht, das ich sie je vergessen
kann.
LISA: Wollen Sie nicht doch etwas essen? Oder wenigstens etwas trinken?
KONRAD: Ich bringe jetzt keinen Bissen herunter. Wein könnten Sie mir aber
bringen.
Lisa verlässt den Tisch. Nun ist Konrad. einen Moment allein. Er nimmt den Blumenstrauß, und wirft ihn in einem Wutanfall in einen Mistkübel. Dann setzt er sich wieder an den Tisch, verschränkt die Arme auf den Tisch, und legt seinen Kopf darauf. Einige Sekunden später kommt Lisa, und stellt ein Glas Wein vor ihn. Er behält seine Position bei, und es dauert einige Zeit, bis er sich aufstützt, sogleich das Glas nimmt, und es in einem Zug leert. Lisa. steht vor ihm am Tisch, und sieht ihn dabei an.
KONRAD:
Noch ein Glas!
LISA: Gut. Aber Sie sollten es nicht übertreiben.
Konrad. sitzt mit verschränkten Armen am Tisch, und wartet auf das nächste Glas, das er wieder sofort leert, kaum dass es Lisa hingestellt hat.
KONRAD:
(nun leicht angeheitert): Und Sie können mir wirklich nichts sagen? Nicht
einen Anhaltspunkt. Ich glaube, das ich mich in sie verliebt habe. Verstehen Sie:
Verliebt! Und jetzt ist dieses Kartenhaus in sich zusammengefallen. Jetzt kann
ich schauen, wie ich mich zurecht finde. Ich hätte dieses Arschloch zusammengeschlagen,
wenn er sie auch nur zu berühren versucht hätte.
LISA: Es lässt sich nicht
ändern. Sie können die Zeit nicht zurückdrehen. Was geschehen ist, ist geschehen.
Sie war meine beste Freundin. Auch für mich wird es ohne sie nicht leicht sein.
Ich muss mich darauf einstellen, das sie nicht mehr da ist, um mir zuzuhören,
wenn ich Kummer habe. Sie war immer fröhlich, obwohl ihr Leben mit diesem Mann
ein einziger Höllentrip gewesen sein muss! Glauben Sie mir: Für mich ist es noch
viel schwer als für Sie, sie los zu lassen. Ich habe sie über fünf Jahre als meine
beste Freundin an meiner Seite gehabt. Und ich war auch die einzige, mit der sie
offen sprechen konnte. Dennoch musste sie auch mich los lassen, um neu zu beginnen.
Dieser Mensch hätte sie nie los gelassen. Ein Leben lang verfolgt, vielleicht
umgebracht. Ich habe ihr zum Abschied viel Glück gewünscht, und wir haben zusammen
geweint. Ich weiß nicht, warum ich Ihnen das sage, aber Sie war ein so herzlicher,
lieber Mensch.
Lisa. nimmt das leere Glas, und geht rasch nach innen ab. Konrad bleibt zurück, und starrt in die Luft. Langsam verdunkelt sich die Bühne.