1. Szene

Im Bistro zum Ersten, abends

Drei Tische. Acht Sessel. Eine junge Frau wischt die Tische mit einem nassen Tuch ab. Sie leert auch die Aschenbecher. Es nähert sich ein junger Mann dem Bistro. Die Tür ist offen, da Sommer ist. Er geht langsam, und ein wenig unsicher wirkend auf einen Tisch zu, und setzt sich schließlich. Aus einem Rucksack holt er eine Zeitschrift. Er sieht auf die Uhr, und blättert dann in der Zeitschrift. Ein Telefon läutet. Die junge Frau geht darauf zu, nimmt den Hörer zur Hand und beginnt zu sprechen. Sie spricht sehr leise, sodass Konrad nichts von ihrem Gespräch mitbekommt. Der junge Mann schlägt die Beine übereinander, und hebt die Hand. Schließlich winkt er der Kellnerin. Aber es dauert noch ein bisschen, bis sie ihr Gespräch beendet. Dann nähert sie sich dem Tisch.

KONRAD: Grüß Gott. Ich hab´ nirgends eine Speisekarte gesehen. Könnten Sie mir eine bringen?

Die Frau nickt, und geht davon, um bald darauf eine Speisekarte zu holen. Der junge Mann blättert darin. Nun setzt sich die Frau auf einen der Stühle an einen anderen Tisch und schlägt die Beine übereinander. Sie hat einen recht kurzen Rock an, und entblößt somit den Großteil ihrer Beine. Sie schließt die Augen. Ein paar Sekunden später ruft ihr der junge Mann zu: "Ich hätte gern das Baguette mit Schinken, Käse, Ananas und Salami."

Die junge Frau öffnet erst einige Sekunden nach den Worten des jungen Mannes die Augen, und steht langsam vom Tisch auf. Sie geht weit nach hinten, bis sie nicht mehr auf der Bühne zu sehen ist. Der junge Mann ist jetzt ganz alleine. Er blickt auf die Uhr, und blättert hastig in der Zeitschrift.
Die Frau kommt bald darauf zurück.

KATJA:(sehr freundlich) Darf ich mich zu dir setzen?

KONRAD: (ein wenig unsicher, und durcheinander, wie während der ganzen folgenden Unterhaltung)
Ja, natürlich.

KATJA: Was liest du da Schönes?
KONRAD: Nichts besonderes. Ist eine Filmzeitschrift.
KATJA: Aha. Du gehst gern ins Kino?
KONRAD: Ja, das kann man wohl sagen.
KATJA: Hast du heute abend noch was vor?
KONRAD: (wieder auf die Uhr sehend): Ich hab´s ein bisschen eilig, weil mein Film in einer knappen halben Stunde beginnt.
KATJA: Wie wär´s, wenn wir etwas zusammen unternehmen. Ich habe schon bald frei. Wir könnten tanzen gehen, oder auch bummeln, wenn du willst.
KONRAD: (sehr ernst): Das geht leider nicht. Aber ich danke dir für dein Angebot.
KATJA: (etwas enttäuscht): Ach; du hast keine Zeit? Willst unbedingt ins Kino?
KONRAD: Ich hab´ die Karte schon gekauft. In der letzten Reihe. Es ist mein Lieblingsfilm.
KATJA: Du hast den Film also schon gesehen?
KONRAD: Ja, ich habe ihn schon mehrere Male gesehen. Aber wie gesagt: Ich hab´ mir die Karte schon gekauft.
KATJA: Verstehe ich nicht. Du könntest dir den Film ja auch zu einem anderen Zeitpunkt anschauen.
KONRAD: Das kannst du auch gar nicht verstehen. Ich schau´ mir den Film immer dann an, wenn ich deprimiert bin. Und so ein Tag ist heute. Dann kann ich mich ein bisschen aufbauen.
KATJA: (ein wenig wütend werdend): Aha. Und ich kann dich also nicht aufbauen, glaubst du?
KONRAD: (versucht, sie zu beschwichtigen): Ich danke dir vielmals für dein Angebot. Das hat nichts mit dir zu tun. Ich brauche heute diesen Film.
KATJA: (noch ein wenig wütender): Du verzichtest wegen einem Film auf meine Bekanntschaft?
KONRAD: Es tut mir leid. Du bist sehr nett. Aber ich bin gern allein.
KATJA: Du bist ein ziemlicher Träumer, scheint mir. Was soll´s. Ich kann´s auch nicht ändern, wenn du mein Angebot ausschlägst. Da brauche ich gleich gar nicht mit dir zu reden. Kommt auf´s gleiche raus. Du hast mir ja nicht mal ein Kompliment zu machen versucht. Dabei habe ich beobachtet, das du mich nicht uninteressiert angeschaut hast.
KONRAD: Ich wollte dich nicht verärgern.
KATJA: Du bist gut.

Eine Stimme ist zu hören. Offensichtlich der Koch. Die junge Frau geht kurz davon. Der junge Mann blättert einstweilen in seiner Zeitschrift weiter.

KATJA: (serviert Konrad sehr verärgert das Baguette) Ihr Baguette, Monsieur.

Sie setzt sich wieder an den anderen Tisch. Diesmal aber hat sie eine Zeitung vor sich liegen, und liest darin. Konrad isst relativ rasch das Baguette. Er sieht immer wieder zu der Frau hinüber. Dann:

KONRAD: (zu ihr hinrufend): Es tut mir leid.

Katja. reagiert nicht darauf. Sie liest weiter in ihrer Zeitung.

Konrad. nach nur wenigen Bissen, ruft ihr wieder zu: Es tut mir wirklich leid.

Die junge Dame schaut kurz zu ihm hin.

KATJA: Glaubst du, das du damit etwas gut machen kannst? Das sagst du doch nur, um dich besser zu fühlen. Du bist ein beschissener Egoist. Solche wie dich können mich mal. Du brauchst mich überhaupt nicht mehr anzusprechen.

Konrad. sagt auch tatsächlich nichts mehr. Er isst sein Baguette auf.

KONRAD: (während er noch an den letzten Bissen kaut): Zahlen, bitte!

Katja erhebt sich sehr langsam von ihrem Stuhl. In Zeitlupentempo schleicht sie auf Konrad. zu, und gibt ihm die Rechnung in die Hand.

KONRAD: 57 Schilling? Draußen auf der Tafel steht, das ein Baguette 50,- kostet!

KATJA: (schüttelt den Kopf): Du hattest ein Spezialbaguette. Hast die Speisekarte wohl nicht richtig gelesen. Aber du hast recht: Von den sieben Schilling kannst du dir im Kino ein halbes Päckchen Kaugummi kaufen. Also einen so knausrigen Menschen wie dich habe ich noch selten erlebt!

KONRAD: Ist ja auch egal. Hier hast du 60 Schilling. Der Rest ist für dich.

KATJA: Du bist ja richtig spendabel.
KONRAD: (sehr nervös): Ich habe mich entschuldigt. Mehr kann ich nicht tun.
KATJA: Dann auf Wiedersehen der Herr, und danke für das großzügige Trinkgeld.

Konrad nickt mit dem Kopf und steht rasch auf. Er verabschiedet sich kurz mit einem "Ciao", und geht dann rechts fast von der Bühne. Am Bühnenrand dreht er sich nämlich nochmals um. Die junge Dame steht dort, und schaut in seine Richtung. Sie wirkt ein wenig verloren. Konrad. schnürt sich die Schuhbänder; wohl um einen praktischen Grund für sein Zurück-Schauen vorzutäuschen. Danach schaut er aber noch einmal zurück. Die junge Dame schaut nach wie vor in seine Richtung. Er schaut ein paar Sekunden in ihre Richtung. Dann geht er rasch von der Bühne ab. Katja dreht sich bald darauf um, und geht in das Bistro zurück, während die Bühne langsam dunkel wird.