Aesop:
Der Hase und die gefressenen Kohlköpfe
Ein Gemüsebauer ärgerte sich schwarz, weil ein Hase jede Nacht einen Kohlkopf aus seinem Gemüsegarten fraß.
Der Gemüsebauer versuchte, den Hasen zu erwischen, schaffte es jedoch nicht. Nach mehreren erfolglosen Versuchen entschloss er sich, einen Jäger zu beauftragen.
„Ich kann es nicht länger ertragen, dass dieser dämliche Hase mir jede Nacht einen Kohlkopf wegfrisst!“ Der Jäger kam und lag drei Nächte auf der Lauer, konnte jedoch den Hasen nicht erwischen.
„Ich muss Hilfe holen, dieser Hase ist ein besonders schlauer Bursche. Nur zu mehreren werden wir ihn erwischen.“
Er holte drei Freunde. Drei Nächte lang lauerten sie dem Hasen auf, jagten ihn durch den ganzen Garten, konnten ihn jedoch nicht erwischen.
Sie sagten zu dem Bauern:“ Dieser Hase ist wirklich ein besonders schlauer Bursche, wir brauchen mehr Leute..“
„Gut!“ nickte der Bauer. “Hauptsache, ihr kriegt ihn. Ich kann es nicht hinnehmen, dass dieser Hase jede Nacht einen Kohlkopf frisst..“
Jetzt kamen vierzig Jäger in den Gemüsegarten. Sie blieben stundenlang regungslos und lauerten dem Hasen auf. Dann kam der Hase und die Jagd ging los! Am Ende war der Hase tot. Doch auch vom Gemüsegarten war nicht viel übrig geblieben.
Die Jäger brachten dem Gemüsebauern feierlich den Hasen. Er freute sich: Endlich! Sein Feind war tot! Dann sah der Bauer seinen Gemüsegarten und fiel in Ohnmacht. Nicht ein einziger Kohlkopf war heil. Alles war zertrampelt.
Jetzt dachte der Bauer: ‚Der Hase hätte in zehn Jahren so viel Schaden nicht angerichtet.'
Über kleine Miseren soll man sich nicht zu sehr aufregen. Wer versucht, gegen diese anzukämpfen, richtet oft viel größeren Schaden an.
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E i n u n g e d u l d i g e r H e r r s c h e r
Im fernen Orient gab es vor noch nicht langer Zeit einen Herrscher, der als Thronerbe seines mächtigen Vaters ein großes Reich regierte. Gewöhnt seit früher Jugend an unermesslichen Reichtum, führte er ein prächtiges Leben. Allerdings war ihm gänzlich verborgen geblieben, wie und woher sich diese Reichtümer angehäuft hatten.
Eines Tages, als er es mit seinen ausschweifenden Festgelagen gerade besonders schlimm trieb, stand vor den Toren seines Palastes sein Volk. Als er von dessen Balkon herab das Volk fragte, was denn wohl sein Begehr sei, zeigte es ihm die Schwielen seiner Hände, die ihm all diese Schätze verschafft hatten und baten höflich um einen bescheidenen Anteil daran. Der Herrscher war zutiefst erstaunt und konnte dieses Begehren ganz und gar nicht verstehen, geriet aber angesichts solcher Majestätsbeleidigung in großen Zorn und befahl seinen Soldaten, auf sein anmaßendes und derart pflichtvergessenes Volk, die sich dort unten zusammengerottet hatte, zu schießen. Ins Unermessliche steigerte sich jedoch sein Zorn, als das Volk auch nach dieser nachdrücklichen Belehrung keine Anstalten machte, nach Hause zu gehen. Da blieb ihm nun, was jeder versteht, nichts anderes übrig, als sein hoch gerüstetes Heer gegen die Aufmüpfigen aufmarschieren zu lassen. Seine Untertanen, nun einmal erwacht und aufgeschreckt, gaben aber nicht nach in ihrem Trotz und versammelten sich immer erneut drohend vor seinem Palast. Der beleidigte Herrscher sah sich genötigt, einen immer größeren Teil seiner Reichtümer, die eigentlich für die ihm als Herrscher zustehenden Vergnügungen angelegt worden waren, dafür zu verwenden, sein Heer mit immer neuen starken Waffen auszustatten, bis es ihm endlich gelang, sein Volk zu besiegen und niederzukartätschen, bis jedes Leben ausgelöscht war, das sich seinem Herrscherwillen zu widersetzen gewagt hatte.
Da konnte der Herrscher nun endlich aufatmen, bis er zu seinem Schrecken feststellte, dass sein Reichtum aufgebraucht war und kein Volk mehr vorhanden war, ihn zu ernähren. Weil er dies alles, obwohl er alle seine Ratgeber bemühte, nicht begreifen konnte, verlor er den Verstand und musste zu seinem eigenen Schutz in eine Anstalt verbracht werden, wo er nach kurzer Zeit ein beklagenswertes Ende fand.
(Peter Gronau)