Vorbeigegangen
Bin an so vielen Gräbern
- vorbeigegangen.
Jetzt. Wo's lang,
lang, lang vorüber war.
Fühlt' mich so blind,
als ich zwischen Kreuzen
ging.
Und dort stehen blieb: mit mir, allein.
Nur wie eine längst verklungne
Melodie
sang mir vergessend leis
der Wind.
Blind, so blind: Denn
ich hab' nicht
gesehen, wer Erde drüberwarf.
Damals.
Als die Toten
längst
zu unsren Füßen lagen,
die vielen, die stilleschwiegen, stille.
Hab' voll Stolz versäumt, sie zu begraben
und ihrem Schweigen nicht getraut.
Weiß nur, daß es auf immer
unsre Träume waren.
Die Steine les'
ich, die goldnen Namen.
Noch immer ist ihr Glanz ganz unverfälscht,
gleich
Ankern, von fernher geworfen,
hinab, hinein in diese Welt.
Ja, drüben
ist's Unendlichkeit,
dort drüben ist die Liebe ewig.
Dort drüben, dort
ist die Welt befreit
- bei uns zerschellt sie kläglich.
Ach, so vieles
steht in ewger Schönheit
auf einen Stein hier hingeschrieben!
So vieles,
und ein andres, viel zu Schönes
ziert den nächsten Grabstein
gräßlich
noch einmal.
Ach, so viel und nichts ist mir geblieben...
So schreit'
ich nun durch mein Leben
- es ist Vergangenheit.
Ging gestern so, geh'
heute wieder,
bestimmt morgen noch im alt Geleit;
träger, müder werden
meine Glieder,
bin ganz zerrissen: Was sagt mir Zeit?
Mithin, mein Schritt
muß weiter,
muß stetig weiter Grab um Grab,
damit zuletzt und endlich
er
bloß an sich selbst
verzagt.
Ja, an schweigend Gräbern bin ich
vorbeigegangen,
so wie einst Dein unvergessner Blick
an mir.
Hab' den Erinnerungen
lange nachgehangen
immerzu erzählen sie davon
was nicht mehr bei mir ist
von Dir.
Drum höre es doch, das widerhallend quälend Wort,
hat
es nicht Kraft durch diesen gottverlassnen Ort?
Komm!, spricht es.
Du,
komm!
Und klingt's Dir auch falsch, töricht, angemaßt,
sag', ist's nicht
auch ehrlich, ist es nicht echt?
Wollen wir nicht endlich beim Namen nennen,
was uns dereinst zerfraß,
geben wir der Schweigsamkeit
nicht noch
ihr lautes Recht?
Komm!
Laß uns gemeinsam zu den Toten ziehen,
leg'
mit mir nur ein paar Blumen drauf.
Denk' dran, wie beisammen alle
in derselben
Erde liegen
und unsren Segen wollen, obenauf.
Komm, damit in Frieden ruht
ein jeder.
Hab' keine Angst:
sind doch nur Gräber.
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© 1992 Artimidor