Apocalyptica

Vom Sturme gepeitscht wüten die Wasser. Es ächzet,
es knarrt des letzten Steges Gebälk – eh' hinuntergedrückt
in die Tiefe er stürzet, hinab in die Fluten, ohne Zurück.
Die Weiden, sie treiben im Wind, der lechzet
hungrig nach dem Geäst und bricht es Stück um Stück.
Vom Horizont her zieht das Verhängnis seine Spur
und jeder Ungläubige staunt und weint und weiß es,
daß jener Blitz zerreißt nicht die Himmel nur,
nein, auch das Leben: ein verborgnes, ein laut's, ein leises.
Und fleht ein einzelner noch lärmend ums Vergeben
– ein Peitschenschlag, und es hat ihn nie gegeben.

Versengt stürzen die Leiber, gefällt wie's Getier,
der Götter Zorn entreißt die wenig Vertrauten mir.
Ich steh' am Berge, kann nicht mehr nach unten sehen,
es wimmert das Elend, es höhnt das Vergehen.
Was kümmert die Nacht, daß mit dem Tag sie auch die Welt verlor?
Einsam heb ich mein Haupt, streck's in die Finsternis empor,
such inmitten der Schwärze den einen Stern,
den Stern, der uns leuchtet, doch uns Verlornen bleibt er fern.

Als ob vom Nichtse verschluckt sie allesamt verschwanden:
die ewig Mühsal auf unsres Lebens Äckern,
die Not, die Sorge, Kraft, die wir dort fanden,
die Heimat, Geborgenheit unter eignen Dächern,
die Verzückung, die Lust am täglichen Gedränge,
die ruhig Stunden auch, die Ehr' der einsam Totenwacht.
Alles das, es verhüllt die plötzlich selig stille Nacht.
Ja, hör nur, hör! Hör die zarten, wunderschön Gesänge!
Lausch ihrem Abschied, den der Wind zu uns herüberträgt!
Hör wie die Stimmen nicht mehr hoffen, daß es gelänge
sich selbst zu retten, ja, daß der Eine wiederaufersteht.
Nein, es scheint, fast glücklich klingen ihre späten Fragen,
und im Fragen stimmen sie ihr Requiem an.
bald wird die Flut auch die Stimmen zu sich laden,
dann ist der letzten Menschen Werk getan.

Ja, ich spür es wohl: Morgenröte färbt längst die Himmel,
und ein Vorschein Eden begräbt sacht das dereinst Getümmel.
Frisch, frei, vollkommen atmet der Geist des Seins:
Das war der Mensch. Wind, bring mich heim!

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© 2000 Artimidor

[Frei nach Johann Wolfgang von Goethes "Osterspaziergang"]

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