Polarlichter
Värttinä (sprich Vartina) bedeutet auf finnisch Spindel. Gleichzeitig ist es der Name einer Gruppe aus der ostfinnischen Region Karelien, das dem Durchschnittseuropäer wohl noch unbekannter sein dürfte als dieses nordische EU-Land an und für sich.
Denkt man an Finnland, so kommen einem wohl spontan Schnee und nochmals Schnee, unendliche Weiten, unzählige, riesige Seen, Skispringer und Langläufer- und als Aushängeschild sozusagen - Mika Hakkinen, in den Sinn.
Auf dem kulturellen Sektor haben sie den Komponisten Jean Sibelius und den Filmemacher Aki Kaurismäki aufzuweisen, aber eben auch in den letzten Jahren Värttinä: Eine ursprünglich 21 (!)-köpfige Sängerinnengruppe, die Traditionelles im karelischen Dialekt darbot. Mittlerweile hat sich die Anzahl von zunächst zehn Sängerinnen auf heute nur mehr vier reduziert, die Musik in der finno-ugrischen Gesangstradition und in einigen anderen, vom ehemaligen Sowjetimperium nahezu ausgelöschten finnischen Volksgruppen, machen. Am Beginn ihrer Karriere waren sie noch größere Puristen, denn Värttinä begnügte sich nicht bloß mit dem karelischen Dialekt, sondern sie sangen in der Sprache, in der auch das finnische Nationalepos, die Kalevala - ein typisch nordisches Epos mit einer Fülle von magisch-mythischen Elementen -, abgefasst ist.
Von der Verwendung dieses Dialektes allerdings sind sie jedoch abgegangen, weil laut ihren Aussagen diese Sprache nicht einmal die übrigen Finnen selbst verstehen!
Später gesellten sich zu den Mädels auch noch einige männliche Instrumentalisten hinzu, die (nun, was für eine Art Musik machen sie wirklich - das ewige Problem der "Schubladisierung!"?) auf ihre eigene Volksmusik aufbauend einen ungeheuer dynamischen Sound entwickelten. Dieses Klangbild, das sie mit ihrer Musik entwerfen, ist wahrlich faszinierend: Glasklare, laute, fast schon schreiende Stimmen präsentieren sich in einem oftmals seltsam abgehackt klingenden Chorgesang. Diese äußerst dichten Harmonien werden darüber hinaus noch durch die Verwendung von auch hierzulande wohlbekannten Instrumenten, wie Gitarre, Geige, Trompete etc. höchst geschmackvoll verstärkt. Das Produkt all dessen ist keine "bleiche" finnische Volksmusik, sondern wir haben es hier mit einer Art Popular-Musik, Popmusik - wenn man es schon so nennen will, im besten Sinne des Wortes, zu tun. Popularmusik, die tief in tradierter Volksmusik verwurzelt ist und somit in keinster Weise Gefahr läuft, abgeschmackt oder gar abgedroschen zu klingen. Die Frische und Wildheit dieser höchst dynamischen weiblichen Stimmen zusammen mit den in der Mehrzahl Jahrhunderte lang bewährten Melodien liefern einen Hörgenuss, der wirklich seinesgleichen sucht. Hinzu kommt noch ein - wie mir scheint - untrügliches Qualitätskriterium guter (Volks-)Musik: Sie kennt anscheinend keine Grenzen. Obwohl es sich hierbei um urfinnische Musik handelt, scheint das geübte Volksmusik-Ohr plötzlich balkanische Anklänge auszumachen. An anderer Stelle hört man auf einmal scheinbar keltischen Einfluss und ein Liedbeginn erinnerte mich an eine kretische Volksweise.
Und wie zur Bestätigung der Grenzenlosigkeit guter Musik erzählen die Sängerinnen in einem Interview, dass bei einem Konzert in Japan die japanischen Fans sogar ihre Texte auf finnisch (!) mitzusingen wussten! - Das muss man sich wahrlich erst einmal vorstellen!
(Schetho; 08/2002)
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