(...)

Separée in einem Gasthaus;ein Klavier

(Mozart und Salieri an einem Tisch.)

Salieri: Du bist heut irgendwie verstimmt?

Mozart: Ich? Nein.

Salieri: Doch, Mozart, doch. Was ist denn los mit dir?
Ein gutes Mittagbrot und guter Wein,
Du aber schweigst und quälst dich.

Mozart: Zugegeben,
Mein Requiem, das macht mir Angst.

Salieri: Ah!
Du komponierst ein Requiem? Schon lange?

Mozart: Schon lange, seit drei Wochen. Seltsam ist nur ...
Hab ich dir das noch nicht erzählt?

Salieri: Nein.

Mozart: Also:
Drei Wochen ist es her, ich komm nach Hause.
Da sei Besuch für mich gewesen,
Erfuhr ich. Unwillkürlich dachte ich
Die ganze Nacht: Wer mag das sein?
Was wollte er von dir? Am nächsten Tag
Erschien er wieder, traf mich wieder nicht.
Am dritten Tage spielte ich gerade
Mit meinem Jungen. Der Besuch für mich!
Ich ging hinaus. Ein Mann, in Schwarz gekleidet,
Verneigte sich, bestellte höflich
Ein Requiem und war verschwunden. Gleich
Begann ich mit der Arbeit. Seit dem Tag
Hat mich mein schwarzer Mann nicht mehr besucht.
Und ich bin froh: ich trennte mich nur ungern
Von meiner Arbeit; fertig freilich ist
Mein Requiem. Indessen ...

Salieri: Was?

Mozart: Ich schäme mich, es dir zu sagen ...

Salieri: Sag es.

Mozart: Er lässt mir keine Ruhe Tag und Nacht,
Mein schwarzer Mann. Verfolgt mich überall -
Ein Schatten. Auch in diesem Augenblick
Erscheint es mir, als säßen wir mit ihm
Zu dritt.

Salieri: Hör auf! Das sind doch Kindereien!
Verjag den leeren Wahn. Freund Beaumarchais
Empfahl mir immer: "Merk dir, Freund Salieri,
Wenn schwarze Ängste dich erschrecken,
Greif zum Champagner, gieß dir ein,
Na, oder lies doch meinen 'Figaro'."

Mozart: Ja, Beaumarchais - so spricht ein Freund.
Du schriebst für ihn dein herrliches "Tarare".
Eine Musik! Du hast dort ein Motiv ...
Ich sing es immer, wenn ich glücklich bin ...
La la la la ... Ach, ob es stimmt, Salieri,
Dass Beaumarchais den Giftmord ... wie man sagt?

Salieri: Das glaub ich nicht: er war zu ungeschickt
Für dieses Handwerk.

Mozart: Er ist ein Genie,
Wie du und ich. Verbrechen und Genie -
Das sind zwei grundverschiedne Dinge. Oder?

Salieri: Bist du so sicher? (Schüttet Gift in Mozarts Glas.)
Trink.

Mozart: Auf deine
Gesundheit, Freund, auf unsern treuen Bund,
Der Mozart und Salieri fest vereint,
Zwei Söhne einer Harmonie. (Trinkt.)

Salieri: Halt doch,
Halt, halt! Hast du schon ... ohne mich getrunken?

Mozart (wirft seine Serviette auf den Tisch):
Genug, ich bin jetzt satt. (Geht zum Klavier.)
Salieri, hör
Mein Requiem. (Spielt.)
Du weinst wohl?

Salieri: Solche Tränen
Vergoss ich nie; sie schmerzen und sie lindern,
Als hätt ich eine schwere Pflicht getan,
Als hätt ein heilsam kühner Schnitt entfernt
Ein krankes Glied. Freund Mozart! Diese Tränen ...
Vergiss sie. Schnell. Spiel, Mozart, immer spiel ...
Füll meine Seele noch mit deinen Klängen (...)


(aus "Mozart und Salieri" von Alexander Puschkin; 1799-1837)