(...) In dem Gebäude war der Teufel los. Junge Leute liefen durcheinander, Jungen und Mädchen, unruhig und wie elektrisiert, erwachsene Onkels mit zerzaustem Haar lärmten, vom Gefühl ihrer außerordentlichen Wichtigkeit durchdrungene Damen ließen Bassstimmen erschallen. Und über all dem fidelten hunderte Geigen und Violoncelli, klimperten Mandolinen, näselten Ziehharmonikas.

Ich fiel wie immer auf, an diesem Ort aber nicht allzu sehr, was mir ermöglichte, in der Menge unterzutauchen. Der Höllenlärm wallte durch die Korridore wie aufgewirbelter Staub. Ich konnte das Klavier darin ausmachen und ging dem Klang nach, bis ich mich am Ende einer Menschenschlange wiederfand, die sich zu einer großen schwarzen Tür hin schob. Dahinter drangen wundersame Tonfolgen hervor.

Das Klavier verstummte und die Tür öffnete sich einen Spalt breit. Ein neuer Interpret wurde aufgerufen. Sein Vorgänger kam schweißgebadet heraus und war sofort dicht umringt von nervösen jungen Leuten, die ihn, neidisch vor Angst, mit Fragen bombardierten. Ich weiß nicht warum, doch beschloss ich zu bleiben und gab mir den Anschein, als gehörte ich zu diesem Fließband aus Klavierspielern dazu. Niemand erhob Einwände. Je weiter ich mit der Schlange vorrückte, umso deutlicher wurde mir, was hier geschah. Ich begriff, dass ich in eine Aufnahmeprüfung geraten war.

Ich hatte nur eine ungefähre Vorstellung, was ich tun und sagen sollte, wenn sie mich fragen würden, mit welchem Recht ich einfach hier hereinspazierte. Aber ich wollte mich so gern an das Klavier setzen. Eine derartige Möglichkeit würde so schnell nicht wiederkommen. Egal, wie sich die Ereignisse weiter entwickelten, wenigstens könnte ich eine Zeit lang auf einem gestimmten Instrument spielen. Ich beschloss, sofort zu dem Klavier zu laufen, schnell etwas darzubieten, mich zu entschuldigen und zu verschwinden.

Meine musikalischen Potenzen schätzte ich nüchtern ein. Seit unserer Abreise aus dem Internat, also fast zwei Monate lang, hatte ich keine Taste berührt. Von guter Fingerfertigkeit konnte nicht im Mindesten die Rede sein. Außerdem kannte ich kein einziges Musikstück im Original - ich trug alles nach dem Gehör zusammen und deshalb gab es gewiss Abweichungen vom Notentext. Ich war nicht sicher, ob ich ein eigenes Werk improvisieren konnte. Also fiel meine Wahl auf die Stücke, die einer meiner Vorgänger spielte - ich prägte sie mir bis zu letzten Note ein -, und noch ein kleines Werk aus dem Radio.

Endlich durfte ich eintreten. Ich kam in ein verwinkeltes Zimmerchen, mit Vorhängen anstelle der seitlichen Wände. Durch einen Schlitz, der den Stoff wie einen Rock einschnitt, sah man die Bühne mit dem Klavier.

Der Saal war fast leer. Es gab lediglich zwei aneinander gerückte Tische, hinter denen etwa sechs Leute saßen, die Mitglieder der Kommission. Über ihren Köpfen fiel mein Blick auf einen Balkon, und ein eiskalter Schauer durchfuhr mich - auf den Rängen drängte sich das Publikum. Ich trat hinaus, als käme ich aus einem plüschigen Nomadenzelt, stieß mit vor Aufregung knittriger Stimme hervor: "Schulabgänger Gloster", und humpelte zum Klavier hinüber.

Um möglichen Fragen zuvorzukommen, fing ich an zu spielen und bekam es sofort mit der ersten Misslichkeit zu tun. Das altersschwache Internatsklavier war völlig anders gestimmt gewesen als dieser Konzertflügel. Mein Gedächtnis hatte zu jeder Taste den entsprechenden Ton gespeichert. Hier stimmten Tasten und Töne nicht überein, weshalb nicht ganz das herauskam, was ich wollte. Ich geriet durcheinander, spielte aber weiter, ging zur Improvisation über und schaffte es, wie man so schön sagt, mit einem Tragflügel gerade noch bis zum Flughafen. Niemand unterbrach mich.

Beim zweiten Stück kam ich schon ganz gut mit der Klaviatur zurecht. Ich ließ mich von der Melodie antreiben bis zu jener Geschwindigkeit, wo mein Rücken die Kontrolle übernahm. Wie ein Blinder warf ich den Kopf empor. Die Sehkraft verließ meine Augen, doch der geistige Kontakt mit dem virtuellen Musikanten in meinem Buckel war hergestellt. Er griff die Melodie auf, führte mir die Hand, und die Sedimente meines freudlosen Lebens ließen neue Klänge aufsprühen und flossen als Sonate des Rückgrats durch meine Finger in die Tastatur.

Ich hielt inne und wischte mir die Hände an der Hose ab. Auf den Rängen ertönte hier und da Beifall.
Eine Frau, die in der Kommission saß, sagte:
"Ich habe Ihren Namen nicht in der Liste gefunden."
Im Prinzip musste es so enden. Ich erhob mich. Sie deuteten meine gekrümmte Gestalt wohl als Verbeugung, denn wieder wurde auf den Rängen geklatscht. Ich zog es vor, möglichst schnell zu gehen, denn ich hatte das Meine gehabt.
Die Frau rief mir hinterher:
"Bestimmt ein Fehler!"
"Überhaupt kein Fehler", versetzte ich vernehmlich halb in Gedanken, legte noch einen Schritt zu und hetzte durch die Tür. Zum Glück wollte niemand von mir wissen, wie es gelaufen war. Begleitet von neugierigen Blicken hastete ich den Gang entlang.

Ich wusste den Weg noch gut und war fast schon entwischt, als mich am Eingang eine gebieterische Männerstimme erreichte:
"Gloster, warten Sie!" (...)


(Aus "Die Nägel" von Michail Jelisarow)