Der Rattenfänger von Hameln.

»Wer ist der bunte Mann im Bilde,
Er führet Böses wohl im Schilde,
Er pfeift so wild und so bedacht;
Ich hätt mein Kind ihm nicht gebracht!«

In Hameln fochten Mäus und Ratzen
Bey hellem Tage mit den Katzen,
Es war viel Noth, der Rath bedacht,
Wie andre Kunst zuweg gebracht.

Da fand sich ein der Wundermann,
Mit bunten Kleidern angethan,
Pfif Ratz und Mäus zusamm ohn Zahl,
Ersäuft sie in der Weser all.

Der Rath will ihm dafür nicht geben,
Was ihm ward zugesagt so eben,
Sie meinten, das ging gar zu leicht
Und wär wohl gar ein Teufelsstreich.

Wie hart er auch den Rath besprochen,
Sie dräuten seinem bösen Pochen,
Er konnt zuletzt vor der Gemein
Nur auf dem Dorfe sicher seyn.

Die Stadt von solcher Noth befreyet,
Im großen Dankfest sich erfreuet,
Im Betstuhl saßen alle Leut,
Es läuten alle Glocken weit.

Die Kinder spielten in den Gassen,
Der Wundermann durchzog die Strassen,
Er kam und pfiff zusamm geschwind
Wohl auf ein hundert schöne Kind.

Der Hirt sie sah zur Weser gehen,
Und keiner hat sie je gesehen
Verloren sind sie an dem Tag
Zu ihrer Aeltern Weh und Klag.

Im Strome schweben Irrlicht nieder,
Die Kindlein frischen drin die Glieder,
Dann pfeifet er sie wieder ein,
Für seine Kunst bezahlt zu seyn.

»Ihr Leute, wenn ihr Gift wollt legen,
So hütet doch die Kinder gegen,
Das Gift ist selbst der Teufel wohl,
Der uns die lieben Kinder stohl.«


(aus des Knaben Wunderhorn)