Ben Christophers: "Spoonface"
Es handelt
sich bei diesem Album um ein bemerkenswertes Debüt.
An einem Wintertag des Jahres 2001 fand ich den Weg ins Gasometer. Auf
dem Programm stand ein Konzert der wunderbaren Tori Amos. Die Zuschauer
warteten gespannt auf die Dame. Plötzlich huschte ein junger Mann über
die Bühne und winkte kurz ins Publikum. Dann stellte er sich an ein
merkwürdig aussehendes Gerät und klimperte auf ein paar Tasten herum.
Ich vermutete, dass es sich um einen Tester der technischen Geräte
handelte. Aber nach nur wenigen Takten wurde mir klar, dass dieser junge
Mann offensichtlich als Musiker agierte. Was in der folgenden halben
Stunde passierte, sollte das mit einiger Verspätung folgende
Hauptkonzert ganz klar in den Schatten stellen: Eine Art von Musik, die
ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gehört hatte. Der Musiker bediente
gekonnt den Soundcomputer (das gar nicht mehr merkwürdig aussehende
Gerät), und sang dazu mit einer erstaunlich hohen Stimme, die jedoch
nichts mit einem Kastraten gemein hatte. Diese wenigen Minuten waren das
Beste an Musik, was meine Ohren seit langer Zeit aufnehmen und
verarbeiten konnten. Es war eine Mischung aus spirituellen Klängen und
wie auf einem schwebenden Teppich haftenden Glockenschlägen. Nach dem
Hauptkonzert fuhr ich nach Hause, setzte mich an den Computer, und
eruierte nach einigem Suchen den Namen des Klangkünstlers: Ben
Christophers. Glücklicherweise verfügt Ben über eine eigene Homepage, und es gibt
auf dieser sogar ein Video zu sehen. Fans aus vielen Ländern verewigen
sich im Gästebuch, und spenden Lob. Ich konnte mich dem auch nicht
entziehen.
Nunmehr also zu dem bemerkenswerten Album. Die Wirkung fällt genau diametral zu Tori Amos aus. Toris Musik wirkt auf einem Tonträger geheimnisvoll und einzigartig. Ein Entschweben in unendliche Sphären ist nicht auszuschließen. Live konnte ich ihr nicht viel abgewinnen. "Spoonface" vereinigt in sich freilich eine Ansammlung von musikalischen Leckerbissen. Die Live-Performance jedoch war unüberbietbar. Dies soll allerdings kein Grund sein, Ben Christophers Debüt zu relativieren. Im Gegenteil: gerade weil er live so unvergleichlich gut war, muss die Studioaufnahme dieser Performance leicht hinterherhinken. Zwei Songs sind besonders hervorzuheben: Der erste Track, "Leaving my sorrow behind", und Track 7 "Songbird scrapes the sky". In beiden Fällen sind die Klangfarben fantastisch. Manchen Hörern drängt sich der Vergleich mit Jeff Buckley auf. Ich tendiere eher dazu, Ben Christophers Musik eine besondere Stellung einzuräumen, die auf keine Vorbilder zuzugreifen braucht.
Es gibt Musik,
die aufgrund des konventionellen Charakters nicht beschrieben werden
will. Die Grausamkeit der ewiggleichen Melodik raubt dem Musikliebhaber
den Verstand.
Allerdings gibt es auch Musik, die so wunderbar eigenwillig ist, dass
sie eine eigene Sphäre für sich in Anspruch nimmt, die über jeglicher
Bewertung schwebt. Dieses trifft auf "Spoonface" zu. Kein noch so
profilierter Musikkritiker wird sich dazu bewogen fühlen, die Magie
dieser Musik in hartgeschalte Worte zu kleiden. Und sollte er dies tun,
dann wird es Ben wohl kaum treffen. Es gibt Musik wie von einem sechsten Kontinent, oder einem anderen
Planeten. Ben Christophers hat eine andere Umlaufbahn gewählt. Dort
zieht er seine Kreise, und sein Publikum kann nur staunen. Es gibt immer
Menschen, die einen negativen Aspekt auffinden wollen. Bei "Spoonface"
wird dies in jedem Falle schwer fallen. Die Qualität spricht für sich,
und es bleibt nur der Weg zum nächsten CD-Shop. Sollte die CD nicht
aufgefunden werden können (mir erging es so), ist dies zwar traurig,
aber über Internet ist eine derartige Bestellung schnell abzuwickeln,
und einem Eintritt in die Sphären von Ben Christophers steht nichts mehr
im Wege.
(REMFREAK)
Ben Christophers "Spoonface"
V2 Records (ZOMBA), 2001.
ca. EUR 16,99. CD bestellen
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