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Wie, wenn hinter dieser wunderlichen Maske eines Flohs ein böser Dämon
stäke, der mich verlocken wollte ins Verderben, der darauf ausginge, mir
alles Liebesglück, das in Dörtjes Besitz mir erblühen könnte,
zu rauben auf schnöde Weise? - Wär es nicht besser, sich des kleinen
Ungetüms gleich zu entledigen?"
"Das war", unterbrach Meister Floh das Selbstgespräch des Peregrinus,
"das war ein sehr unfeiner Gedanke, Herr Peregrinus Tyß! Glaubt Ihr,
daß das Geheimnis, welches ich Euch anvertraute, ein geringes ist? Kann
Euch dies Geschenk nicht als das entschiedenste Kennzeichen meiner aufrichtigen
Freundschaft gelten? Schämt Euch, daß Ihr so mißtrauisch seid!
Ihr verwundert Euch über den Verstand, über die Geisteskraft eines
winzigen, sonst verachteten Tierchens, und das zeugt, nehmt es mir nicht übel,
wenigstens von der Beschränktheit Eurer wissenschaftlichen Bildung.
Ich wollte, Ihr hättet, was die denkende, sich willkürlich bestimmende
Seele der Tiere betrifft, den griechischen Philo oder wenigstens des Hieronymi
Rorarii Abhandlung: 'quod
animalia bruta ratione utantur melius homine' oder dessen 'oratio pro
muribus' gelesen. Oder Ihr wüßtet, was Lipsius und der große
Leibniz über das geistige Vermögen der Tiere gedacht haben, oder Euch
wäre bekannt, was der gelehrte tiefsinnige Rabbi Maimonides über die
Seele der Tiere gesagt hat. Schwerlich würdet Ihr dann mich meines Verstandes
halber für einen bösen Dämon halten oder gar die geistige Vernunftmasse
nach der körperlichen Extension abmessen wollen. Ich glaube, am Ende habt
Ihr Euch zur scharfsinnigen Meinung des spanischen Arztes Gomez Pereira hingeneigt,
der in den Tieren nichts weiter findet als künstliche Maschinen ohne Denkkraft,
ohne Willensfreiheit, die sich willkürlos, automatisch bewegen. Doch nein,
für so abgeschmackt will ich Euch nicht halten, guter Herr Peregrinus Tyß,
und fest daran glauben, daß Ihr längst durch meine geringe Person
eines Bessern belehrt seid. - Ich weiß ferner nicht recht, was Ihr
Wunder
nennt, schätzbarster Herr Peregrinus, oder auf welche Weise Ihr es vermöget,
die Erscheinungen unseres Seins, die wir eigentlich wieder nur selbst sind,
da sie uns und wir sie wechselseitig bedingen, in wunderbare und nicht wunderbare
zu teilen. Verwundert Ihr Euch über etwas deshalb, weil es Euch noch nicht
geschehen ist, oder weil Ihr den Zusammenhang von Ursache und Wirkung nicht
einzusehen wähnt, so zeugt das nur von
der natürlichen oder angekränkelten Stumpfheit
Eures Blicks, der Eurem Erkenntnisvermögen schadet. Doch - nehmt
es nicht übel, Herr Tyß - das Drolligste bei der Sache ist, daß
Ihr Euch selbst spalten wollt in zwei Teile, von denen einer die sogenannten
Wunder erkennt und willig glaubt, der andere dagegen sich über diese Erkenntnis,
über diesen Glauben gar höchlich verwundert. Ist es Euch wohl jemals
aufgefallen, daß Ihr an die Bilder des Traums glaubt?"
"Ich", unterbrach Peregrinus den kleinen Redner, "ich bitt Euch,
bester Mann, wie möget Ihr doch vom Traume reden, der nur als Resultat
irgendeiner Unordnung in unserm körperlichen oder geistigen Organismus
herrührt."
Meister Floh schlug bei diesen Worten des Herrn Peregrinus Tyß ein ebenso
feines als höhnisches Gelächter an.
"Armer", sprach er hierauf zu dem etwas bestürzten Peregrinus,
"armer Herr Tyß, so wenig erleuchtet ist Euer Verstand, daß
Ihr nicht das Alberne solcher Meinungen einsehet? Seit der Zeit, daß das
Chaos
zum bildsamen Stoff zusammengeflossen - es mag etwas lange her sein - formt
der Weltgeist alle Gestaltungen aus diesem vorhandenen Stoff, und aus diesem
geht auch der Traum
mit seinen Gebilden hervor. Skizzen von dem, was war oder vielleicht noch sein
wird, sind diese Gebilde, die der
Geist schnell hinwirft zu seiner Lust, wenn
ihn der Tyrann, Körper genannt, seines Sklavendienstes enthoben.
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