(...)
Der Kapitän aber erhob sich, gürtete sich und streifte die Ärmel zurück und
stieg auf den Mastbaum. Von dort blickte er nach rechts und nach links, und
dann schaute er auf die Leute im Schiff herab, schlug sich ins Gesicht und raufte
sich den Bart. Wir riefen ihm zu: "Kapitän, was gibt es?" Da antwortete er:
"Bittet Allah den Erhabenen um Rettung aus der Gefahr, in die wir geraten sind!
Beweint euer Los, nehmt
Abschied
voneinander! Wisset, der Wind hat Gewalt über uns bekommen und hat uns in das
äußerste Meer der Welt getrieben." Dann stieg er wieder vom Mast herunter, öffnete
seine Truhe und holte aus ihr einen baumwollenen Beutel hervor; den machte er
auf und nahm aus ihm ein Pulver heraus, das wie Asche aussah. Dann befeuchtete
er es mit Wasser, wartete eine kleine Weile und roch daran. Ferner nahm er aus
der Truhe ein kleines Buch, las darin und sprach darauf zu uns: "Wisset, ihr
Reisenden, in diesem Buche steht ein seltsamer Bericht, der darauf hinweist,
dass jeder, der in diese Gegend verschlagen wird, nicht wiederkehrt, sondern
in ihr umkommt. Diese Gegend hier heißt das Gebiet der Könige, und in ihr befindet
sich das Grab unseres Herren
Salomo,
des Sohnes Davids - über beiden sei Heil! Und hier gibt es auch Schlangen
von gewaltiger Größe und von furchtbarem Anblick. Jedesmal, wenn ein
Schiff in dies Gebiet gerät, steigt ein mächtiger Fisch aus der Tiefe vor ihm
empor und verschlingt es mit allem, was drinnen ist." Als wir diese Worte aus
dem Munde des Kapitäns vernahmen, war unser Staunen über sie gewaltig groß;
aber kaum hatte er zu Ende gesprochen, da wurde unser Schiff plötzlich aus dem
Wasser emporgehoben, dann sank es wieder zurück, und wir hörten einen durchdringenden
Schrei, so laut wie das Krachen eines Donners. Wir erschraken zu Tode und gaben
uns ganz verloren. Und nun kam ein Fisch auf unser Schiff zu, der war wie ein
hoher Berg und erfüllte uns mit Grausen; wir beweinten unser Los bitterlich
und machten uns auf den Tod gefasst. Voll Staunen blickten wir auf das fürchterliche
Untier. Und da kam schon wieder ein Fisch! Der war größer und gewaltiger als
alles, was wir bisher gesehen hatten; und bei seinem Anblick nahmen wir Abschied
voneinander und jammerten um unser Leben. Und siehe, da kam plötzlich ein dritter
Fisch, der noch größer war als die beiden anderen, die vorher aufgetaucht waren.
Nun entfloh uns Sinn und Verstand, und wir waren völlig verstört vor Schrecken
und Angst. Jene drei Fische aber begannen um unser Schiff zu kreisen, und der
dritte sperrte schon das Maul auf, um das Fahrzeug zu verschlingen mit allem,
was darinnen war. Doch da blies plötzlich ein heftiger
Sturm,
das Schiff ward emporgehoben, fiel auf ein großes Riff nieder und zerschellte.
(...)
(Aus "Sindbad der Seefahrer"; anonymer Schriftsteller
im Bagdad des 11. oder 12. Jahrhunderts)
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