(...) Man sage nicht,
daß das einfache Hauskleid das wahrhaft schöne
Mädchen am besten ziere, der Putz der Weiber übt
einen geheimnisvollen Zauber, dem wir nicht leicht widerstehen
können. In ihrer tiefsten Natur mag es liegen, daß
im Putz recht aus ihrem Innern heraus sich alles schimmernder und
schöner entfaltet, wie
Blumen nur dann
vollendet sich darstellen, wenn sie in üppiger Fülle
in bunten glänzenden
Farben
aufgebrochen. - Als du die Geliebte zum erstenmal geschmückt
sahst, fröstelte da nicht ein unerklärlich
Gefühl dir durch Nerv und Adern? - Sie kam dir so fremd vor,
aber selbst das gab ihr einen unnennbaren Reiz. Wie durchbebten dich
Wonne und namenlose Lüsternheit, wenn du verstohlen ihre Hand
drücken konntest! - Aurelien hatte ich nie anders als im
einfachen Hauskleide gesehen, heute erschien sie, der Hofsitte
gemäß, in vollem Schmuck. - Wie schön sie
war! Wie fühlte ich mich bei ihrem Anblick von unnennbarem
Entzücken, von süßer Wollust durchschauert!
- Aber da wurde der Geist des
Bösen
mächtig in mir und erhob seine Stimme, der ich williges Ohr
lieh. "Siehst du es nun wohl, Medardus", so flüsterte es mir
zu, "siehst du es nun wohl, wie du dem Geschick gebietest, wie der
Zufall, dir untergeordnet, nur die Faden geschickt verschlingt, die du
selbst gesponnen?" - Es gab in dem Zirkel des Hofes Frauen, die
für vollendet schön geachtet werden konnten, aber vor
Aureliens das Gemüt tief ergreifendem Liebreiz
verblaßte alles wie in unscheinbarer Farbe. Eine eigne
Begeisterung regte die Trägsten auf, selbst den
älteren Männern riß der Faden
gewöhnlicher Hofkonversation, wo es nur auf Wörter
ankommt, denen von außen her einiger Sinn anfliegt,
jählings ab, und es war lustig, wie jeder mit sichtlicher Qual
darnach rang, in Wort und Miene recht sonntagsmäßig
vor der Fremden zu erscheinen. Aurelie nahm diese Huldigungen mit
niedergeschlagenen Augen, in holder Anmut hoch errötend, auf;
aber als nun der Fürst die älteren Männer um
sich sammelte und mancher bildschöne Jüngling sich
schüchtern mit freundlichen Worten Aurelien nahte, wurde sie
sichtlich heitrer und unbefangener. Vorzüglich gelang es einem
Major von der Leibgarde, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, so
daß sie bald in lebhaftem Gespräch begriffen
schienen. Ich kannte den Major als entschiedenen
Liebling der Weiber.
Er wußte mit geringem Aufwande harmlos scheinender Mittel
Sinn und Geist aufzuregen und zu umstricken. Mit feinem Ohr auch den
leisesten Anklang erlauschend, ließ er schnell wie ein
geschickter Spieler alle verwandte Akkorde nach Willkür
vibrieren, so daß die Getäuschte in den fremden
Tönen nur ihre eigne innere Musik zu hören glaubte. -
Ich stand nicht fern von Aurelien, sie schien mich nicht zu bemerken -
ich wollte hin zu ihr, aber wie mit eisernen Banden gefesselt,
vermochte ich nicht, mich von der Stelle zu rühren. - Noch
einmal den Major scharf anblickend, war es mir plötzlich, als
stehe Viktorin bei Aurelien. Da lachte ich auf im grimmigen Hohn: "Hei!
- Hei! Du Verruchter, hast du dich im
Teufelsgrunde so
weich gebettet, daß du in toller Brunst trachten magst nach
der Buhlin des Mönchs?"
Ich weiß nicht, ob ich diese Worte wirklich sprach, aber ich
hörte mich selbst lachen und fuhr auf wie aus tiefem Traum,
als der alte Hofmarschall, sanft meine Hand fassend, frug:
"Worüber erfreuen Sie sich so, lieber Herr Leonard?" - Eiskalt
durchbebte es mich!
Waren das nicht die Worte des frommen Bruders Cyrill, der mich ebenso
frug, als er bei der Einkleidung mein freveliges Lächeln
bemerkte? - Kaum vermochte ich, etwas Unzusammenhängendes
herzustammeln. Ich fühlte es, daß Aurelie nicht mehr
in meiner Nähe war, doch wagte ich es nicht aufzublicken, ich
rannte fort durch die erleuchteten Säle. Wohl mag mein ganzes
Wesen gar unheimlich erschienen sein; denn ich bemerkte, wie mir alles
scheu auswich, als ich die breite Haupttreppe mehr herabsprang als
herabstieg. (...)
(aus "Die Elixiere des Teufels" von E.T.A. Hoffmann)