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So nun hatt´ er die Echo, und so in Gebirge und Fluten
Andere Nymphen gehöhnt, und so der Jünglinge Sehnsucht.
Jetzo streckte die Händ´ ein Verachteter flehend zum Äther,
Und: So lieb´
er denn selbst! so werd´ er nicht froh des Geliebten!
Betet´ er. Beifall
gab dem Gebet die rhamnusische Göttin.
Dort
war ein lauterer Quell, mit silberhellem Gewässer,
Welchen nimmer ein Hirt,
noch weidende Ziegen der Berghöh´n,
Angerührt, noch anderes Vieh; den nimmer
ein Vogel
Oder ein Wild getrübt, noch ein abgefallener Baumzweig.
Ringsher
grünete Gras, von der feuchtenden Welle genähret;
Rings verbot ein Gebüsch
der wärmenden Sonne den Zugang.
Hier einst ruhte der Knabe, von
Jagdlust
müd´ und Erhitzung,
Hingestreckt; ihn lockte der Quell und die Schöne der
Gegend.
Während den Durst zu löschen er strebt, wächst anderer Durst nach.
Während er trinkt, von dem Bilde gesehener Reize bezaubert,
Lieber er
nichtigen Trug; und Leib erscheint ihm der Schemen.
Selber staunt er sich
an; unbewegt in einerlei Stellung
Haftet er, wie ein Gebild aus parischem
Marmor gemeißelt.
Gierig schaut er, im Grase gelehnt, zwei Sterne, die Augen;
Schaut, wie wert des Lyäus, wie wert des Apollo das Haar sei,
Wie unmännlich
die Wang´, und wie schimmernd der Hals und die Anmut
Seines Gesichts, wie
gesellt zur schneeigen Weiße die Röte;
Alles bewundert er selbst, was er
selbst der Bewunderung darbeut.
Sich verlanget der Tor; und der Lobende ist
der Gelobte.
Suchend wird er gesucht; und zugleich entflammt er und brennt
er.
Oftmals naht´ er umsonst dem täuschenden Borne mit Küssen;
Oftmals
mitten hinein, den gesehenen Hals zu umfangen,
Taucht´ er die Arm in die
Quell´ und haschte sich nicht in dem Quelle.
Was ihm erschein´ unkundig, entlodert
er von der Erscheinung;
Und derselbige Wahn, der sie anlockt, täuschet die
Augen.
Was, Leichtgläubiger, fängst du umsonst ein entfliehendes Gleichnis?
Nirgend ist, was du begehrst; das Geliebte, wende dich! schwindet.
Was du erblickst, ist
Schatten
des widerstrahlenden Bildes.
Nichts hat jenes von
sich; mit dir nur kommt es, und weilt es;
Auch entweicht es mit dir, wenn
du zu entweichen vermöchtest.
Nicht der nährenden Kost, nicht kann die Sorge
der Ruhe
Jenen von dort abziehen. Im dunkelen Grase gelagert,
Schaut
er den trügenden Reiz mit unersättlichem Anblick,
Selbst von den eigenen
Augen verzehrt. Nun hebt er sich etwas,
Und zu den Waldungen rings die gebreiteten
Arme gestrecket:
Hat unglücklicher
einer, o Waldungen, sagt er, geliebet?
Denn ihr wißt´s, dir ihr oft mitkundige
Lauben geboten!
Könnt ihr wohl, da so viel Jahrhunderte schon ihr verlebet,
Eines, der so hinschmachtet´, in grauender Zeit euch erinnern?
Jenes gefällt,
und ich seh' es; doch was mit Gefallen ich sehe,
Nirgendwo find´ ich es auf:
so schlägt mich Liebenden Wahnsinn!
Ja, was den Schmerz noch mehrt: nicht
trennt ein gewaltiges Meer uns,
Nicht ein Gebirg, nicht Ferne, nicht riegelnde
Barren und Mauern.
Nur ein Wässerchen hemmt! Selbst wünschet er, selbst die
Umarmung.
Denn wie oft ich den Mund zur flüssigen Welle hinabbog,
Ebensooft
kam dieser mit aufwärtsstrebendem Mündlein.
Fast, fast scheint er berührt;
nur ein weniges scheidet die Sehnsucht.
Wer du auch bist, komm her! Was trügst
du mich, einziger Knabe?
Welchem entfliehst du gesucht? Nicht meine Gestalt,
noch das Alter
Scheint doch gemacht zum Entfliehn; auch mir liebkoseten Nymphen.
Hoffnung, ich weiß nicht welche, verheißt dein freundliches Antlitz.
Breit´
ich die Arme zu dir, so breitest du wieder die Arme;
Lächel' ich, lächelst
du auch. Oft sah ich dir Tränen entrollen,
Wann ich Tränen vergoß; und dem
Wink auch winkst du entgegen;
Auch, so viel die Bewegung des lieblichen Mundes
mir anzeigt,
Redest du Worte, die nicht zu meinem Ohre gelangen.
Du bist
ich! Nun merk´ ich, und nicht mehr täuscht mich mein Bildnis!
Liebe verzehrt
mich zu mir; und die Glut, die ich gebe, die nehm' ich!
Was denn tun? Flehn,
oder erfleht sein? Was denn erflehen?
Was ich begehr´, ist bei mir; zum Darbenden
macht mich der Reichtum.
O wie möcht´ ich so gern vom eigenen Leibe mich sondern!
Was kein Liebender wünscht, ich wünsche mir fern das Geliebte!
Schon
entnimmt mir die Kräfte der Schmerz; nur wenige Dauer
Steht dem Leben bevor;
und kaum aufblühend, verwelk´ ich.
Nicht ist schwer mir der Tod, da im Tod´
ausruhen die Leiden.
Möchten dem Lieblinge dort nur mehrere Tage gegönnt
sein!
Beide nunmehr einmütig verhauchen wir eine Seele.
Jener
sprach´s; und zur selben Gestalt umkehrend, wie sinnlos,
Trübt er mit Tränen
die Flut, und getilgt von kreisender Wallung
Schwand in dem Spiegel
das Bild. Da es unter ihm zitternd hinwegfloh:
Willst
du entfliehn? Bleib, fleh´ ich! Verlaß, o Grausamer, rief er,
Deinen Liebenden
nicht! Laß mich, was zu rühren verwehrt ist,
Wenigstens schaun, und nähren
den mitleidswürdigen Wahnsinn!
Schmerzvoll reißt er herab den oberen Rand
des Gewandes,
Und die enthüllete Brust zerschlägt er mit marmornen Händen.
Siehe, die Brust umzog von dem Schlag sanftglühende Röte:
Also erscheint ein Apfel, der weiß zur Hälfte, zur Hälfte
Rot sich gefärbt; so pflegt mit gesprenkelten Beeren die Traube
Leise die Purpurfarb´, annoch
unzeitig, zu nehmen.
Als er solches erblickt´ im wieder gekläreten Wasser,
Trug er nicht länger den Gram: wie unvermerkt an gelindem
Feuer das gelbliche
Wachs hinschmilzt, wie leise der Frühreif
Taut an der wärmenden Sonne; so
aufgelöset in Liebe
Schwindet er, ganz allmählich von innerer Flamme verzehret.
Nicht mehr färbt ihn jetzo gemischt zur Weiße die Röte;
Nicht mehr Feuer und
Kraft, und was man sahe mit Wollust;
Selbst nicht dauert der Leib, den vormals
Echo geliebet.
Doch da sie jenes gesehn, obgleich noch gedenkend des Zornes,
Fühlte sie Leid; und so oft der Erbarmungswürdige: Wehe!
Ausrief, so
rief ihm entgegen die Widerhallerin: Wehe!
Und wann jener die Arme sich schlug
mit wütenden Händen,
Gab auch diese zurück das Getön des wütenden Schlages.
Also sprach er zuletzt, am gewöhnlichen Borne sich spiegelnd:
Ach, umsonst
geliebeter Knab´! Und gleich war der Nachhall.
Jener rief. Leb´ wohl! Leb´ wohl! antwortet´ ihm Echo.
Jetzo senkt er das Haupt kraftlos
im grünenden Grase;
Nacht umschattet die Augen, womit sich der Schöne bewundert.
Aber auch dann, nachdem
in
die untere Wohnung er einging,
Schaut´ er sich selbst in stygischer Flut. Wehklagend betrau´rten
Ihn die Schwesternajaden, und weiheten Locken des Hauptes;
Auch wehklagten Dryaden: zur Wehklag´ hallete Echo.
Schon ward Bahre besorgt und Brand und geschwungene Fackel:
Doch war nirgend der Leib; für den Leib
ein
gelbliches Blümlein
Fanden sie, rings um den Kelch weißschimmernde Blätter gegürtet.
(aus den Metamorfosen
des Ovid)
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