Der Schmetterling
Es
irrt durch schwanke Wasserhügel
Im weiten, windbewegten Meer
Ein Schmetterling
mit mattem Flügel
Und todesängstlich hin und her.
Ihn
trieb´s vom trauten Blütenstrande
Zur Meeresfremde fern hinaus,
Vom scherzend
holden Frühlingstande
Ins ernste, kalte Flutgebraus.
Auf
glattgestreckte, sanfte Wogen
Hatt ihm das Meergras trügerisch
Viel schönre
Wiesen hingelogen,
Wie westgeschaukelt, blumenfrisch.
Ihm
war am Strand das leise Flüstern
Von West und Blüte nicht genug,
Es trieb
hinaus ihn, wählig lüstern,
Zu wagen einen weitern Flug.
Kaum aber war vom Strand geflogen
Des Frühlings ungeduld´ges Kind,
Kam sausend
hinter ihm gezogen
Und riß ihn fort der böse Wind;
Stets
weiter fort von seines Lebens
Zu früh verlornem Heimatglück;
Der schwache
Flattrer ringt vergebens
Nach dem verschmähten Strand zurück.
Von
ihrem
Schiffe Wandersleute
Mit wehmutsvollem Lächeln sehn
Die zierlich leichte
Wellenbeute,
Den armen Schmetterling vergehn.
O
Faust, o Faust, du Mann des Fluches!
Der arme Schmetterling bist
du!
Inmitten Sturms und Wogenbruches
Wankst du
dem
Untergange zu.
Du wagtest,
eh der Tod dich grüßte,
Vorflatternd dich ins Geistermeer
Und gehst verloren
in
der Wüste,
Von
wannen keine Wiederkehr.
Wohl schauen dich die Geisterscharen,
Erbarmen lächelnd deinem Leid;
Doch müssen sie vorüberfahren,
Fortsteuernd durch die Ewigkeit.
(Nikolaus
Lenau; 13.8.1802 - 22.8.1850)