Das 32. Kapitel
Handelt abermal von nichts anderm als der Säuferei, und wie man die Pfaffen davon soll abschaffen
Wie dies
vorüber, mußte ich wieder aufwarten wie zuvor, mein Pfarrer war noch
vorhanden, und wurde sowohl als andere zum Trunk genötiget, er aber wollte nicht
recht daran, sondern sagte: Er möchte so bestialisch nicht saufen;
hingegen erwies ihm ein guter Zechbruder, daß er, Pfarrer, wie eine
Bestia, er, der Säufer, und andere Anwesende aber wie Menschen söffen.
»Denn«, sagte er, »ein Vieh säuft nur so
viel als ihm wohl schmecket und den Durst löscht, weil sie nicht wissen
was gut ist, noch den Wein trinken mögen; uns Menschen aber beliebt, daß
wir uns den Trunk zunutz machen, und den edlen Rebensaft einschleichen
lassen, wie unser Voreltern auch getan haben.« »So wohl«, sagt' der
Pfarrer, »es gebührt mir aber rechtes Maß zu halten.« »Wohl«, antwort
jener, »ein ehrlicher Mann hält sein Wort«, und ließ ihm darauf einen
mäßigen Becher einschenken, denselben dem Pfarrer zuzuzotteln; er
hingegen ging durch und ließ den Säufer mit seinem Eimer stehen.
Als dieser abgeschafft war, ging es drunter und drüber, und ließ sich
ansehen, als wenn diese Gasterei ein bestimmte Zeit und Gelegenheit sein
sollte, sich gegeneinander mit Vollsaufen zu rächen, einander in Schand
zu bringen oder sonst ein Possen zu reißen; denn wenn einer expediert
wurde, daß er weder sitzen, gehen oder stehen mehr konnte, so hieß es:
Nun ists wett! Du hast mirs hiebefür auch so gekocht, jetzt ist dirs
eingetränkt!, und so fortan etc. Welcher aber ausdauren und am besten
saufen konnte, wußte sich dessen groß zu machen, und dünkte sich kein
geringer Kerl zu sein; zuletzt dürmelten sie alle herum, als wenn sie
Bilsensamen genossen hätten. Es war eben ein wunderliches Faßnachtspiel
an ihnen zu sehen, und war doch niemand, der sich darüber verwundert'
als ich; einer sang, der ander weinet', einer lachte, der ander
traurete, einer fluchte, der ander betete, einer schrie überlaut
Courage, der ander konnte nicht mehr reden, einer war stille und
friedlich, der ander wollte den Teufel mit Raufhändeln bannen, einer
schlief und schwieg still, der ander plaudert', daß sonst keiner vor ihm
zukommen konnte; einer erzählte seine liebliche Buhlerei, der ander seine
erschrecklichen Kriegstaten, etliche redeten von der Kirch und
geistlichen Sachen, andere von Ratione Status, der Politik, Welt- und
Reichshändeln; teils liefen hin und wider und konnten an keiner Stelle
bleiben, andere lagen und vermochten nicht, den kleinesten Finger zu
regen, geschweige aufrecht zu gehen oder zu stehen, etliche fraßen wie
die Drescher und als ob sie acht Tage Hunger gelitten hätten, andere kotzten
wieder, was sie denselbigen ganzen Tag eingeschlucket hatten. Einmal,
ihr ganzes Tun und Lassen war dermaßen possierlich, närrisch, seltsam,
und dabei so sündhaftig und gottlos, daß der mir entwischte üble Geruch,
darum ich gleichwohl so greulich zerschlagen worden, nur ein Scherz
dagegen zu rechnen. Endlich setzt' es unten an der Tafel ernstliche
Streithändel, da warf man einander Gläser, Becher,
Schüsseln und Teller an die Köpf, und schlug nicht allein mit Fäusten,
sondern auch mit Stühlen, Stuhlbeinen, Degen und allerhand Siebensachen
drein, daß etlich der rote Saft über die Ohren lief, aber mein Herr
stillete den Handel gleich wiederum.
(aus dem "Simplicissimus" von Grimmelshausen)