... dem Roman "Austreiben" von Ernst Molden entnommen ...

"Still weird", hat der Ausländer bemerkt und nun damit eigentlich Joes Gewohnheit gemeint, sich an den Gestaden des Altarmes, "am Arschloch Wiens", wie Joe selber sagt, in ratlosen Momenten bis zur Besinnungslosigkeit zu besaufen.
   Aber dieses Zweigespräch liegt lange zurück. Jetzt ist der letzte Juni dieses Jahrtausends.
   Joe Eid, der einst Josef Eidlberger geheißen hat, ist 34 und ein bekannter, bösartiger Mitternachtsmoderator bei einem der drei meistgehörten Radiosender von Wien. Er ist zusammen mit einem Doppelliter Weißwein unterwegs zum Ufer des Marswassers, um sich anzusaufen, als er plötzlich einen Stoß bekommt.
   Er schleicht den Saumpfad am Ufer des Altarms dahin, rechts ein schmaler Schilfstreifen und die grünliche Oberfläche, links hohe Pappeln und eine Eisendeponie.
   Und dann dieser mysteriöse Stoß.
   Um ein Haar wäre Joe hingefallen. Wer immer ihn angestoßen hat, muß aus Glas sein, jedenfalls bleibt er unsichtbar, auch als Joe sich hastig nach allen Richtungen umsieht: alles regungslos. Niemand ist über einen Zaun gesprungen, niemand im Schilf verschwunden. Alles scheint normal für einen Tag Anfang Juni: Der stinkende Hauch der unteren Lobau. Dampf aus den Schloten des Fernheizwerkes. Ein paar Möwen. Wolkentürme vor einem Donnerwetter.
   Tadellos, denkt Joe, so wird der Mensch verrückt.
   Er zuckt mit den Schultern.

Das, was hinter ihm her ist, läßt ihn die paar Schritte zu der verfaulten Bank an der Steintreppe machen, läßt ihn Platz nehmen. Es läßt ihn die Hälfte des Weins trinken und an sich selber leiden. Dann kommt es. (...)





( Ernst Molden: "Austreiben"; Deuticke; ISBN 3-216-30468-X; ATS 109,- )