Hans Peter Oschwald, Werner Kaltefleiter: "Spione im Vatikan"
Die Päpste im Visier der Geheimdienste
Der Vatikan unterhält keinen eigenen
Geheimdienst - so weit sich das beweisen lässt. Dennoch gehörten der Papst und
seine engsten Mitarbeiter immer zu den bestinformierten Persönlichkeiten der
Welt, weil der katholischen Kirche zuverlässige Kanäle abseits der in anderen
Staaten üblichen Spionagebehörden zur Verfügung stehen.
Die für das Buch
namensgebenden "Spione im Vatikan" waren (und sind) also Geheimdienstler aus
diversen Ländern, die ein Interesse daran hatten und haben, an die im Vatikan
zusammengetragenen Informationen zu gelangen. Schwerpunkte des Buchs sind der
Nationalsozialismus, vor allem die sehr umstrittene Rolle Pius' XII. in diesem
Zusammenhang, sowie der Kalte Krieg und schließlich der Zusammenbruch des
Kommunismus in Europa.
In den ersten Kapiteln geht es um die
Attraktivität des Vatikans für geheimdienstliche Tätigkeit (welcher Art ist das
Wissen dort, dessen die nationalen Regierungen habhaft werden möchten; woher
stammt es?) und die recht bescheidenen Mittel der Kirche zur Spionageabwehr. Ab
dem dritten Kapitel wird das Buch so spannend, wie ein Sachbuch nur sein kann:
Die Autoren forschen den Aktivitäten des Vatikans während des
Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs nach, jedoch selbstverständlich
auch den Praktiken und Erkenntnissen der mithörenden Agenten und deren
Auswirkungen auf die Politik. Vielen mit der Materie nicht eng befassten Lesern
werden hier überraschenden Fakten begegnen, Pius' XII. enge, gefährliche
Kontakte zum deutschen Widerstand zum Beispiel und seine hartnäckigen und
letztlich vergeblichen Versuche, die englische Regierung zur Zusammenarbeit mit
den deutschen Widerstandsgruppen (die teilweise auch durch Kirchenleute
koordiniert wurden) zu bewegen. Packend sind auch die Schicksale abtrünniger,
zum Nationalsozialismus übergelaufener Priester und Mönche zu lesen sowie das
aufzehrende Lavieren Pius' XII. zwischen Kommunismus und Nationalsozialismus,
jenen beiden Ideologien, die sich die Zerstörung der Kirchen, insbesondere der
durch ihre Internationalität bedrohlich wirkenden katholischen, auf die Fahnen
geschrieben hatten. Das so oft
harsch kritisierte "Schweigen" Pius' zu den
Folgen der Wannsee-Konferenz ("Endlösung der Judenfrage") wird im Buch unter
Einbeziehung höchst unterschiedlicher Aspekte analysiert, und dadurch erscheint
der Papst, der Deutschland liebte, nicht jedoch die Nazis, in einem anderen
Licht. Höchst interessant ist aber auch das Kapitel über die "Via Vaticana",
jene "Rattenlinie", die nicht nur Unschuldigen die Flucht nach Übersee
ermöglichte, sondern auch Nazi-Verbrechern, darunter Größen wie Adolf Eichmann
und Josef Mengele.
Die Politik des Vatikans im Kalten Krieg war auf eine
Annäherung an den Osten ausgerichtet. Richtungsweisend betätigte sich hierbei
Johannes
XXIII., der aufgrund seines gütigen Wesens häufig (und irrtümlich) als dumm
oder naiv eingeschätzt wurde. Sein Nachfolger Paul VI. setzte diese Politik
fort. Der Vatikan wurde zum Tummelplatz östlicher Geheimdienste, ganz besonders
jedoch, nachdem ein selbstverständlich antikommunistischer Pole Papst geworden
war - Johannes Paul II., der eine wesentliche Rolle beim Zerbröckeln der
totalitären osteuropäischen Regimes übernehmen sollte. Die Autoren spüren den
Strippenziehern des beinahe tödlich ausgegangen Attentats auf den Papst nach,
untersuchen einige bis heute nicht restlos geklärte Todesfälle im Vatikan, die
mit geheimdienstlichen Aktivitäten zu tun haben könnten, und sie berichten von
der Enttarnung etlicher polnischer Spitzel unmittelbar nach dem Tod Johannes
Pauls II.
Die letzten Kapitel thematisieren die Bedrohung durch
Islamisten und die Natur heutigen geheimdienstlichen Interesses am Vatikan in
einer Zeit, in der die katholische Kirche den Großteil ihrer einstigen Bedeutung
eingebüßt hat.
Ein ausführliches Literaturverzeichnis und ein
Personenregister schließen das Buch ab.
Die Autoren haben eine Fülle an
Material zusammengetragen und präsentieren es übersichtlich und logisch
gegliedert. Der Leser gewinnt viele überraschende Einblicke in historische
Aktivitäten sowohl des Vatikans im politischen und diplomatischen Bereich als
auch der Spitzel aus etlichen Ländern. Es gelingt den Autoren, die nicht selten
widersprüchlichen Informationen journalistisch einwandfrei und gut
nachvollziehbar zu gewichten und zu interpretieren; Spekulationen werden immer
als solche gekennzeichnet. Einige Informanten der Autoren möchten aus nahe
liegenden Gründen nicht namentlich genannt werden. Ihnen gegenüber und bei der
Bewertung mancher Politikeraussagen - der eine oder andere Kenner der Materie bei
dramatischen Entwicklungen hat auch heute noch einen Ruf zu verlieren - muss man
sich gelegentlich auf das journalistische Gespür und die langjährige Erfahrung
von Kaltefleiter und Oschwald verlassen.
Auch wenn die Autoren sich nicht
zu Anwälten der katholischen Kirche machen, weisen sie nach, dass diverse gern
vorgebrachte kirchenkritische Argumente bei genauer Kenntnis der Sach- und
Quellenlage nicht haltbar sind und zum Teil bewusst von (zumeist
kommunistischen) Geheimdiensten aufgebaut wurden. Freilich können und wollen
Kaltefleiter und Oschwald die Kirche nicht von jeglicher Verantwortung für
Fehlentwicklungen freisprechen, aber es geht ihnen um eine objektive Darstellung
unter Einbeziehung neuer Quellen, und das gelingt ihnen. Ein großer Pluspunkt
des Buchs ist die erwähnte spannende Darstellung: Das Buch liest sich wie ein
guter Thriller. Zudem wurde es sehr attraktiv aufgemacht; acht Seiten mit
Schwarzweißfotos stellen zahlreiche Protagonisten der beschriebenen Epochen auch
bildlich vor. Für meinen Geschmack gibt es allenfalls einige Komma- und sonstige
Druckfehler zu viel.
Insgesamt ist dieses großartige Buch allen wärmstens
zu empfehlen, die sich für die Geschichte des 20. Jahrhunderts interessieren und
sie aus ungewöhnlichen Blickwinkeln betrachten möchten, die man hier in Hülle
und Fülle findet.
(Regina Károlyi; 05/2006)
Hans Peter Oschwald, Werner Kaltefleiter: "Spione
im Vatikan"
Pattloch, 2006. 368
Seiten.
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Werner Kaltefleiter ist Theologe,
Journalist und Redakteur beim "ZDF" und leitete über ein Jahrzehnt die
Hauptabteilung Kirche und Religion.
Hanspeter Oschwald, geboren 1943 in
Waldkirch/Breisgau, arbeitete für die "dpa"
in Rom und Paris, war u. a.
Ressortleiter Ausland bei "Focus" und produzierte mehrere Fernsehdokumentationen
über kirchliche Themen.
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Fabrizio Rossi: "Der Vatikan.
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Noch nie hat
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ist. Und er zeigt den Problemstau auf, dem sich der neue Papst gegenübersieht:
Zölibat, Frauenordination, Geburtenregelung, Ökumene ... (Piper)
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