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Der Mann hat einen weißen Pudel, den er schon seit manchem Jahre mit der größten
Zärtlichkeit liebt. Dieses Tier mit seinen langen Ohren und aufgelocktem Fell
ist zu Hause sein beständiger Gesellschafter. Er spielt mit ihm, er spricht
zu ihm, erzählt ihm, als wenn der Hund ihn verstehen könnte. Da wir zuweilen
den halben Tag bei dem alten Maler zubrachten, so wurde der Hund, der schon
gesellig war, auch bald mit uns allen vertraut und zutunlich. Er machte auch
uns seine Künste, die der Maler ihn gelehrt hatte, und freute sich in Sprüngen,
wenn er einem von der jungen Bande auf der Straße begegnete. Wir wunderten uns
oft über die Leichtgläubigkeit unseres Labitte, dem man, weil er sich um weltliche
Händel und Staatssachen so gar nicht kümmerte, alles mögliche einbilden konnte,
wenn auch jedes Kind die Fabel begriffen hätte.
So geschah es denn, daß wir ihm erzählten, sein Hund sei um vieles klüger, als
er es selber wisse. Wir hatten des Pudels Geburtsstunde von unserm Freunde erfahren,
und so hatte uns ein leichtfertiger Astrolog das Horoskop
des Künstlers gestellt, aus welchem hervorging, daß ein Wesen, in dieser Stunde,
unter diesen Aspekten geboren, die auffallendsten Geistesfähigkeiten in sich
vereinige. Es schmeichelte dem Alten, daß das Tier, welches er liebte, außer
seiner Treue noch so viele Vorzüge besitze. Wir wußten, daß er an einem Morgen
schnell zum Statthalter gerufen werden würde, um dessen Bildnis zu malen; er
war auf dem
Spaziergange, und mußte auf einen Augenblick in sein Haus gehen,
um seinen bessern Mantel umzulegen und seine Farben zu holen. Einer der Genossen,
der in demselben Hause wohnte, hatte auf unsern Wink den gelehrigen, freundlichen
Pudel genommen, ihn aufrecht sitzend in einem Sessel festgebunden, und vor ihm
eine Chronik, die auf einem Pulte lehnte, aufgeschlagen. Wir schlichen uns in
den Saal, um den Alten, wenn er eintreten würde, zu beobachten. Hinter einem
großen Gemälde versteckt, sahen wir vor uns die possierliche Gestalt des Hundes,
der aufrecht sitzend, die Pfoten auf den Tisch gestützt, in der kostbaren pergamentnen
Handschrift zu lesen schien, indem ihm die lange rote Zunge aus dem Maule hing,
und er, von den Bändern gehemmt, keuchend Atem holte, wie einer, der tief von
dem, was er lieset, ergriffen ist. Der Maler tritt hastig ein, fährt zerstreut
und fahrig, nach seiner Weise, in die Kammer, kommt gleich in seinem neuen Mantel
zurück, nimmt vom Tisch die Pinsel, und sieht plötzlich seinen weißen, zottigen
Freund im Studium des Froissard begriffen. Die Miene des Erstaunens, der aufgerissene
Mund, die großen Augen, seine Stellung, alles dies ist nicht zu beschreiben.
Er hört die mahnende Glocke schlagen, und stürzt in größter Eile wieder aus
dem Hause. Der Hund wird gleich losgebunden, und
wir zerstreuten uns.
Am andern Tage sind wir in der Weinschenke heiter versammelt, und der Alte kommt
auch wohlgemut zu uns. Man sah ihm an, daß er ein Geheimnis auf dem Herzen habe,
welches ihn drücke, und daß er den Mut und günstigen Augenblick nicht finden
könne, es uns mitzuteilen. Als ihn die Weinlaune mehr beherrschte, sagte er
endlich: Freunde, junge Menschen, wenn ihr nur ein wenig solider dächtet, so
könnte ich euch wohl etwas erzählen, das schon der Beachtung würdig ist. Aber
ihr seid zu leichtsinnig und zu ungläubig, ihr werdet mir nicht glauben, und
in eurem Spott der Unerfahrenheit das abstreiten wollen, was ich mit meinen
eigenen Augen gesehen habe, und das wird mich dann verdrießen.
Wir ermunterten ihn, sich uns edel und offen mitzuteilen. Die Rede kam auf den
Pudel, und dessen Lob wurde von neuem gesungen. So eröffnete er uns denn endlich,
wie er gestern unvermutet die Entdeckung gemacht habe, daß das gute verständige
Vieh seine besten Eigenschaften verberge und verschweige; er habe diesen Tyras
nämlich überrascht, der sich dessen nicht versehen habe, wie er Geschichte hinter
seinem Rücken studiere und mit großem Eifer lese, so von dem Gegenstande hingerissen,
daß er ihn selbst, seinen Herrn, nicht einmal bemerkt habe. Wie er nach zwei
Stunden zurückgekommen, sei das Buch wieder an seinen Platz gestellt gewesen,
und der bescheidne Student habe wieder, als sei nichts vorgefallen, und als
könne er kein Wasser trüben, auf die gewöhnliche Hundeweise unter dem Bette
gelegen. Mit ernster Miene hörten wir zu, und erklärten dann, er erzähle uns
in dieser Sache nichts Neues, denn wir hätten dergleichen schon längst gemerkt,
wie der Hund seine Abwesenheit benutze, um sich, ohne damit zu prahlen, im stillen
mehr auszubilden. Keiner hätte ihm etwas davon sagen wollen, weil er schon so
oft klage, daß man ihn necke; man sei aber überzeugt, der Hund werde sich auch
nächstens im Schreiben, vielleicht im Malen üben.
Der Alte war entzückt und rief aus: Wenn mein Tyras mich einmal durch ein gelungenes
Bild von eigener Erfindung überrascht, oder durch ein gutes Gedicht, so soll
er bei mir zeitlebens die besten Tage haben. Welch ein Hund! Man kann ja von
ihm noch das Unwahrscheinliche, ja das Unmögliche erwarten, da er es schon so
weit gebracht hat. - So sehr sich meine Spielgenossen über diese Albernheit
des Alten freuten, so war mir diese seine mehr als kindliche Einfalt eine zu
rührende Erscheinung, als um es dulden zu können, daß er noch länger ein Spielball
der übermütigen Jugend
sein sollte. Ich ging am folgenden Morgen zu ihm, und eröffnete ihm den ganzen
Handel. Er war sehr bestürzt und traurig, nicht darüber, daß man ihn so arg
geneckt hatte, sondern daß seinem Hunde nun jene Fähigkeit abgehe, über welche
er sich schon so sehr gefreut habe. Es ist doch jammerschade, sagte er dann,
daß so alles Geschaffene sich in Schranken bewegen muß. Man findet doch auch
so gar nichts, bei dem nicht das Hohe und Geistige mit dem Nichtigen, dem ganz
Armseligen verbunden ist, ja in diesem Dummen, Nichtsnutzigen nur wurzeln und
aus ihm erwachsen kann. Unsre schönsten Gemälde stehn da auf Holz, die Farben
sind Saft aus Pflanzen, Pulver aus Erde und Metall. Staub, Nässe, Licht, alles
arbeitet daran, den Schimmer wieder zu trüben. Der Dichter
singt, und wird heiser, er vertraut dem Pergament und dem Papier seine hellen
Gedanken; sie vergehen und verschrumpfen, und haben nur für wenige, in wenigen
Augenblicken geleuchtet. Wie man sich begeistert dünken mag, so fällt man doch,
wie sich der Zeiger der Uhr nur etwas weiterbewegt, in Müdigkeit, Hunger und
Durst zurück, und was eben noch das Feuer ins Auge trieb, ist jetzt ein kalter,
oder unverständlicher, oder selbst widerwärtiger Gedanke.
Der
Hund versteht mich nicht, und ich nicht den Hund. Von dem Geheimnis
der Welt und der Schöpfung weiß ich nun gar nichts, und ihr, junges Volk, versteht
nicht einmal, wie man die Farben reiben muß. Warum rot rot, und blau blau ist,
weiß kein Mensch; noch weniger, was das Rot ist. Wir gehen ebensogut, wie Tyras,
auf vier Beinen; er kann dienen und Schildwacht stehen, aber er muß doch wieder
in die Quadratur seiner Füße und Bestimmung zurück. Wir richten auch unsern
Geist nach oben, und sind beflügelt, schauen und glauben, und müssen platt wieder
zur Erde in den Staub niederfallen. - So räsonierte er viel durcheinander, nahm
dann mein Taschentuch und hieß mich gehen. Als ich auf der Straße in einem fernen
Teil der Stadt war, rannte mir der weiße Pudel nach, sprang an mich hinauf,
zerrte mich am Kleide, und belferte und kläffte in seinen hohen Tönen, mit denen
er Freundlichkeit ausdrückte. Ich merkte nun wohl, daß er mich zurückhaben wollte,
und ging auch mit ihm wieder nach der Wohnung seines Herrn. - Da seid Ihr wieder,
rief mir der
Maler
lachend entgegen. Seht Ihr nun wohl, daß in seinem Fache der Hund mehr ist als
wir alle? - Ich wies ihm nach einer halben Stunde nur Euer Tuch und winkte damit
hinaus, er beschnupperte es eifrig, sprang Euch nach und hat Euch durch die
Witterung bald ausgefunden. Macht das einmal nach, wenn ich Euch auch deutlich
sage, holt mir den Ferdinand, Boppo, den Melzer, oder wer es nur sei. Trefft
Ihr sie nicht zu Hause, und erfahrt dort nicht, wohin sie gegangen sind, so
steht Ihr ganz dumm und völlig hülflos da; ja Euern besten Freund oder Euer
Liebchen könnt Ihr nicht aus der dringendsten Lebensgefahr reißen, wenn Ihr
es nicht mit dürren Worten erfahrt, wo und wie sie anzutreffen sind.
(....)
(aus "Der Hexensabbat" von Ludwig Tieck)