Leseprobe:

(...) Eines Tages kam der Komiker zu meiner Relaisstation und fragte, wie lange ich noch in diesem Sumpf vegetieren wollte. "Anderthalb Jahre", antwortete ich ehrlich. "Lass uns hier etwas bewegen, lass uns aus diesem Sumpf ein Paradies machen." Ich bekam sofort schlechte Laune, weil ich wusste, was das hieß - im Wald etwas bewegen. Das Paradies stellte sich der Mann folgendermaßen vor: Wir sollten einen Brunnen graben, ihn mit Wasser füllen, dann Bänke in den verschiedensten Formen aus Holz bauen und sie rund um den Brunnen aufstellen. Im Brunnen sollten sodann einige Schwäne herumschwimmen, die er irgendwo besorgen wollte. Es war allen unklar, wie sich dadurch die Einsatzbereitschaft unserer Einheit erhöhen sollte, doch wir waren nur Soldaten. Und so fingen wir am nächsten Tag an zu graben. Der Brunnen füllte sich von selbst mit Wasser, je tiefer wir gruben. Ein Baum, den wir zersägt hatten, bildete eine Natur-Bank in unmittelbarer Nähe des Brunnens. Doch mit Schwänen klappte es nicht, nicht einmal ein paar Enten konnte der Komiker auftreiben. Aber das Wasserloch zog schnell Riesenfrösche, Eidechsen, Schlangen sowie Blutsauger aller Art an. Die Soldaten und Offiziere mieden diesen Platz bald, obwohl er eigentlich als Erholungsort gedacht war. Ich musste jedoch ständig an dem Brunnen vorbeigehen, weil er sich auf dem Weg zu meiner Relaisstation befand. Oft beobachtete ich dort seltsame und schöne Naturereignisse. Einmal saßen auf der Holzbank zwei Riesenfrösche, eine Libelle, zwei Eidechsen, zwei Schlangen und noch ein kleiner Frosch nebeneinander und sonnten sich. Ich staunte. Ein paradiesischer Ursprung der Welt schien sich mir zu offenbaren.
Später fing ich eine Eidechse, präparierte sie und bemalte sie mit der grünen Farbe, mit der ansonsten einmal im Jahr die Raketen angestrichen wurden. Zwei Wochen später gelang es mir, eine weitere Eidechse zu fangen. Ich präparierte sie und malte sie ebenfalls grün an. Dann eröffnete ich im Hinterhof unserer Baracke eine Naturkundeausstellung. Zur Eröffnung kamen zwanzig Soldaten und der Dienst habende Offizier. Alle waren begeistert. Deswegen wurde mir sogleich das Ehrenamt des stellvertretenden Vergnügungsorganisators übertragen.


Aus "Militärmusik" von Wladimir Kaminer. Manhattan, 2001.