Der Garten wurde von einer steinernen
Brüstung eingefasst, die die Stützmauer in einer Höhe von etwa zehn Metern über
dem Erdboden krönte. Hier trafen sich häufig die Ordensbrüder in den wenigen
Minuten der Erholung, die ihnen nach dem Refektorium zustanden, und wenn sie
dann allein waren, ohne die argusäugige Anwesenheit des Verwalters oder des
Priors, wurden diese Minuten zu Augenblicken, in denen sie einander kleine Geheimnisse
oder Erinnerungen an ihre Familien anvertrauten - was von der Ordensregel aufs
Strengste untersagt war. Mit noch gedämpfteren Stimmen wurden diese Vertraulichkeiten
von den Neuigkeiten aus der Welt dort draußen ergänzt, die das Getuschel der
Diener an ihr Ohr getragen hatte und die sie nach Art aller Eingesperrten sogleich
ausschmückten und verbogen. Er hingegen, Vildericus von Sutri, kam fast immer
allein zu dieser Mauerbrüstung. Der Abtei den Rücken zukehrend, ließ er seinen
Blick über das weite Land schweifen, über den Hügel dort unten, der der Kruppe
eines Stiers zu gleichen schien, und über den Berg, der sich hinter diesem erhob.
Dort sah man zwischen den dunkleren Flecken der Wälder und den helleren der
Saatfelder das magische Schachbrett der Olivenhaine, das weiße Geschlängel der
Pfade und der Straße und das erdfarbene, schäumende und immer gekräuselte Band
des Baches. Kurz gesagt, die Gesamtheit der Natur, wie er sie sich hier in Farfa
erträumte, welche auch Rom und das Meer mit einschloss - Symbole, die vor allem
anderen von seiner Fantasie geschaffen worden waren - und die seinen Geist in
jenen grenzenlos luftigen Raum über sich lenkte, auf beunruhigende Weise weit
fort von der Realität.
Selten waren diese Augenblicke des Friedens, und an diesem Tag obendrein noch
getrübt von der Furcht, mit seinen unbedachten Worten gegen ungeschriebene,
jedoch nur allzu bekannte Vorschriften verstoßen zu haben, als er nämlich vor
dem Verwalter das Verhalten der Dekane und Laienbrüder den Bauern gegenüber
beklagt hatte. Man behandele sie fast wie
Sklaven, hatte er zu bemerken gewagt,
dies aber sogleich bereut. Jedoch im nächsten Moment schon nicht mehr, denn
in seinem Innern hatte er nach dem Vorbild seines Vaters die Gleichheit in Christus
immer demütig, doch auch sehr stark empfunden.
An diesem Tag, es war der 3. September des Jahres 1032, wurde seine gewohnte
Kontemplation an der Mauerbrüstung von einem Geflüster gestört, das lauter als
üblich von der Seite an sein Ohr drang. Zunächst schrieb Vildericus diese Tatsache
der Aufregung zu, die die Mönche immer befiel, wenn unten im Dorf der spätsommerliche
Jahrmarkt bevorstand, und er drehte sich um, um an der heiteren Vorfreude teilzunehmen.
Doch er bemerkte sofort, dass viele der Ordensbrüder miteinander tuschelten
und zu ihm herübersahen. Es blieb ihm kaum die Zeit, sich nach dem Grund dieses
Verhaltens zu fragen, als bereits der Klosterpförtner Eraclio, sich den Weg
durch eine der Gruppen bahnend, näher kam, ihn beim Namen rief, als wolle er
sich selbst vergewissern, dass der Angesprochene der Gesuchte war, und sagte:
"Unser hochwürdiger Abt, Hugo von Celano, hat mir aufgetragen, dir mitzuteilen,
dass er eine Unterredung mit dir wünscht. Er erwartet dich in seinem Studierzimmer."
"Sofort?"
"Wann denn sonst?", antwortete der grobe Mensch, drehte sich um und ging bis
zum Eingang des Haupthauses voraus, dort jedoch ließ er ihn allein eintreten.
Vildericus war, seit er acht Jahre zuvor in den Orden eingetreten war, noch
nie zum Abt gerufen worden. Während der sechs Monate seines Noviziats hatte
Hugo von Celano ihm wohl höflich zugehört, wenn er ihm bei den Befragungen über
die erlernten Ordensregeln die knappen Antworten gab, die von ihm erwartet wurden,
doch nach seiner endgültigen Aufnahme hatte sich ihr Gespräch auf die Anweisungen
beschränkt, die der Abt zu den Schriften gab, die Vildericus zu kopieren hatte,
und zu der Schriftart, die er verwenden sollte. Anweisungen, die ihm überdies
meist vom Prior übermittelt worden waren. Wohl hatte der Abt ihm in der letzten
Zeit eine besondere Behandlung angedeihen lassen, indem er ihn von der Pflicht
befreite, die Arbeit in der Bibliothek zu den für die dritte und die neunte
Stunde vorgeschriebenen Gebeten zu unterbrechen. Außerdem war ihm eine Zelle
zugewiesen worden, die er allein bewohnen durfte. Doch wenn Hugo von Celano
andererseits bisweilen auf einem seiner Spaziergänge im Kreuzgang oder im Garten innehielt,
um mit anderen Mönchen zu sprechen, so hatte er dies mit ihm noch nie getan.
Wenn man bedachte, wie viel ihn von diesem Ehrfurcht einflößenden Mönch trennte,
der ihn nun zu sich gerufen hatte, und wenn man dazu noch die über Jahre hinweg
gesammelten Erzählungen über das strenge Wesen des Abtes und, als letzte gewichtige
Tatsache, diesen so gewagten Satz über die Bauern bedachte, so mag es nicht
verwundern, dass sich Vildericus, als er die Treppen in das erste Stockwerk
des Haupthauses hinaufstieg, in einem so zittrigen und angstvollen Zustand befand,
dass ihm fast die Sinne schwanden. Als er mit gesenktem Kopf die letzte Stufe
erklommen hatte, stieß er mit dem schwarzen Rock des Priors zusammen, der ihn
wortlos in das Schreibzimmer führte, um dann die Tür hinter ihm zu schließen.
Zunächst sah Vildericus nur zwei hohe Fenster, durch die ein gleißendes Licht
fiel, und dann ein Kruzifix, das an der weißen Wand dazwischen hing, darunter
einen großen dunklen Tisch und schließlich den gefürchteten Abt, der die Ellbogen
aufgestützt und den Kopf in die Hände geschmiegt hatte. Ohne die Augen von dem
Pergament zu heben, in dem er gerade las, sagte er: "Gelobt sei der Name des
Herrn. Heilig. Heilig. Heilig. Komm näher."
Vildericus kniete nieder und antwortete auf diese tiefe Stimme leise mit dem
gewohnten "Gelobt in alle Ewigkeit" und wiederholte dreimal die abschließende
Formel, dann hob er endlich den Kopf. So aus der Nähe betrachtet, erschien ihm
der Abt weniger groß und Achtung gebietend, als er zuvor auf ihn gewirkt hatte.
Er war vielmehr schlank, fast hager zu nennen, vielleicht wegen der fleischlosen
Nase und der hohen Jochbeine, die die Wangen eingefallen erscheinen ließen.
Er hätte vermutlich noch weitere derartige Betrachtungen angestellt, wenn sein
Blick, der von der Stirn des Gegenübers herabgeglitten war, nicht diesen Augen
begegnet wäre, die ihn so scharf und prüfend ansahen, dass ihm der Atem stockte
und er nicht mehr Herr seiner Hände war, die zu zittern begonnen hatten. So
verlor er, als er auf die Aufforderung hin, sich zu setzen, nach dem Stuhl griff,
das Gleichgewicht und fand sich auf dem Boden sitzend wieder, den Kopf unter
dem Tisch. Als er sich wieder aufgerappelt hatte, wollte er um Verzeihung bitten,
bemerkte dann aber, dass sein Gegenüber ungerührt geblieben war und dem Zwischenfall
keinerlei Aufmerksamkeit zollte.
"Ich habe hier die erste Seite deiner Arbeit. Die Schrift ist sehr gut ausgeführt,
und mir scheint, dass nichts vom Original fehlt. Ich habe auch die anderen Manuskripte
gesehen. Du hast gute Fortschritte gemacht. Ist dies das vierte?"
"Das fünfte, Herr."
"Ich weiß, ich weiß. Der heilige Benedikt hat es so in seiner Ordensregel geschrieben,
aber ich glaube nicht, dass seine Brüder ihn so genannt haben. Ich ziehe es
vor, zu glauben, dass wir nur einen Herrn haben, einen einzigen Dominus, und
dass ich, verglichen mit ihm, nur ein Schatten bin."
"Doch nennen Euch viele so."
"Aber du sollst das nicht tun, das will ich nicht."
"Dann also: Abbas?", fragte Vildericus mit dünner Stimme.
"Dieses Wort kommt aus dem Aramäischen zu uns. Es heißt 'Vater' in seiner ursprünglichen
Bedeutung. Nun beruhige dich. Ich habe lange mit dir zu sprechen. Doch vor allem
anderen will ich wissen, ob du, wenn du eine Schrift kopierst, dich damit aufhältst,
sie zu lesen und zu verstehen."
"Sollte ich das nicht tun?"
"Aber natürlich. Wenn Gott dich mit Verstand ausgestattet hat, so wäre es
Sünde,
ihn nicht zu nutzen. Nun, welche Gedanken hat diese Schrift bei dir erweckt?"
Für einen Augenblick hatte der junge Mönch den Eindruck, als habe er anstelle
des Gehirns ein leeres Behältnis und als fülle sich dieses nur langsam mit flüchtigen
Worten. Dann aber sah er mit geschlossenen Augen endlich den Passus aus dem
Timaios vor sich, der ihn so nachdenklich gemacht hatte, die so präzise Beschreibung,
wie die Götter ...
"Dass man", begann er und schluckte den Speichel hinunter, der sich in seinem
Mund gesammelt hatte, "den heidnischen Göttern die Erschaffung des Menschen
zuschreibt, was mir ... nun ... ich möchte nichts Gotteslästerliches oder ...
Teuflisches sagen ... nein ... nun, ich habe an die Magie gedacht ... und dann
ist es im Grunde ein Akt des Hochmuts, denn der dies geschrieben hat, ist ein
Mensch ..."
"Und ergo?"
"Nun, ich will damit sagen, es ist, als hätte er sich mit Gott, dem Vater der
Genesis, auf die gleiche Stufe gestellt." Er hielt einen Moment inne, um Luft
zu schöpfen und um sich wieder der Gedanken zu entsinnen, die ihm zugeflogen
waren, als er jene Schrift Platons in der Übersetzung des Calcidius kopiert
hatte. "Dann habe ich zu verstehen gemeint ...
dass
im Menschen eine Art Trieb sei, einen von der eigenen Art zu erschaffen,
eine perfekte Kopie von sich selbst, ohne durch den Leib einer Frau und ohne
durch das ... durch das Tor des Todes zu gehen."
Vildericus schwieg und lauschte dem Schweigen seines Gegenübers, dann senkte
er den Blick, um diese Augen nicht länger ertragen zu müssen, die keine Lider
zu haben schienen.
"Wir haben andere Schriften mit drei weiteren Dialogen des Platon. Doch diese
sind in Griechisch geschrieben, welches ich nicht im dafür erforderlichen Maße
beherrsche, und wir haben hier leider keinen Calcidius. Was den Timaios betrifft,
so ist uns nicht bekannt, welche und wie viele Teile Calcidius in seiner Übersetzung
ausgelassen hat, und somit können wir über dieses Werk nur Vermutungen anstellen.
Ich habe gehört, dass Montecassino eine Übersetzung von
Cicero
besitzt, doch dort hütet man das Eigene allzu eifersüchtig; man würde sie uns
nie aushändigen. Wir müssen uns mit dem zufrieden geben, was wir haben. In jedem
Fall ist es gut, wenn du das Werk beendest, denn so kannst du mit besseren Argumenten
darüber nachdenken. Wie viel Zeit benötigst du noch?"
Vildericus versuchte, sich daran zu erinnern, wie viele Seiten ihm noch zu schreiben
blieben. Es waren nur noch wenige. Er wusste wohl, dass er langsam arbeitete
- vielmehr nicht eigentlich langsam, sondern sehr genau, das war es -, eine
Seite am Tag vermochte er zu schaffen, dann würde er auf den Jahrmarkt im Dorf
unten verzichten müssen, auf dieses heitere und weibliche Stimmengewirr, auf
den Geruch von Wein ... Er antwortete: "Ich bin fast fertig. Es bleiben mir
noch zwei Seiten, Abbas."
Der Abt ließ sich gegen die Lehne des Stuhles sinken, hob die Hände vor das
Gesicht und rieb sich mit den Fingerspitzen die Stirn, als wolle er eine plötzliche
Müdigkeit vertreiben. Der junge Mönch befürchtete schon, ihn enttäuscht zu haben,
was er bedauerte, aber vielleicht bedurfte es nur einer kurzen Ruhepause, die
er keinesfalls stören wollte. Außerdem legte sich plötzlich über diese reglose
Gestalt das Bild seines Vaters, des verlorenen Vaters - der massige Körper und
dieser große Schädel, den er als Kind gefürchtet und angebetet hatte, wenn er
in dem Lehnstuhl vor der Wand ihres Haus in Sutri saß, dieselbe Bewegung der
Hände, die er zum eingefallenen Gesicht eines Kranken hob ...
"Ich habe auch deine Notizen gelesen. Diese Übungen, die du hin und wieder auf
den Pergamenten machst, die nicht mehr zu gebrauchen sind, um deine Schrift
zu verbessern. Auch diese Beschreibungen von Bäumen,
Blumen ...
Pferde
magst du wohl sehr gerne ... Du bist von einem gewissen" - er nahm ein Blatt
auf, das vor ihm auf dem Tisch lag - "Theodorus, Erzpriester der Pfarrgemeinde
Santa Lucia, unterrichtet worden, in Latein, Grammatik, Musik, sogar in
Rhetorik,
wie ich hier lese. Ich vermute, dass er dich gelehrt hat, die Natur zu beobachten.
Weshalb?"
"Er sagte, wenn der Messias von Lilien und Vögeln gesprochen habe, so bedeute
dies, dass er sie mit Achtung betrachtet habe ... vielleicht auch mit Liebe."
"Du beobachtest auch die Menschen, diese kleinen Beschreibungen der Menschen
aus Sutri sind sehr genau."
"Sollte ich das nicht, Abbas? Wenn Ihr mich anweist, das nicht zu tun, so beuge
ich mich Eurer Entscheidung."
"Hier in diesem Kloster ist es in der Tat eine wenig praktizierte Art, die Welt
zu betrachten. Und das ist vielleicht ein Irrtum. Nein, auch dies kann dir für
das Kommende nützlich sein. Es ist jedoch seltsam, wenn man die übliche Unwissenheit
der Geistlichen bedenkt ... gewiss, dieses Land hält immer Überraschungen bereit
... und ein Landpfarrer wie dein alter Priester muss ein gelehrter, vielleicht
sogar ein weiser Mann gewesen sein ..."
"Er hatte eine bemerkenswerte Familie. Sie hat ihm erlaubt, viel zu reisen,
nach Frankreich, in die deutschen Lande, er ist auch in Cluny gewesen, und in
Ravenna hat er den Erzbischof Gerbert von Aurillac kennen gelernt, der dann
..."
"... Papst Silvester II. wurde!"
"Und er ist ihm nach Rom gefolgt, weil dieser ihn an seiner Seite haben wollte."
"Ein Papst mit einer außerordentlichen Kultur, und also auch ... jetzt verstehe
ich. Eine letzte Neugierde möchte ich noch befriedigt haben: Man
hat mir mitgeteilt, dass du dich lange mit den Briefen des
Paulus an die Römer
beschäftigt hast, dass du sie wiederholt zur Einsicht verlangt hast."
"Das ist eine sehr schwierige Lektüre, ich befürchte, ich habe nur wenig davon
verstanden, Abbas."
"Einige Teile sind gewiss nicht sehr verständlich, vielleicht auch durch Verschulden
der Kopisten. Ist das alles? Oder gibt es noch etwas, das dich nicht überzeugt?"
"Oh, nur eine Kleinigkeit."
"Welche? Sag es mir."
"Paulus von Tarsus wird wohl mit einem der Apostel gesprochen haben, aber er
hat Jesus nicht gekannt und hat seine Stimme, seine Worte, nicht selbst vernommen
..."
"Das stimmt, aber ..."
"Er besteht sehr auf Gottvater, man könnte fast sagen, dass Jahwe und seine
Gesetze - auch wenn er alles tut, um das von sich zu weisen - für ihn wichtiger
sind als Christus ..."
"Nicht Jahwe! Für ihn und für unseren Glauben ist es der göttliche Vater unseres
Erlösers."
"Insbesondere hat mich ein Abschnitt erstaunt, in dem er sagt, dass Gott seinen
eigenen Sohn in sündigem Fleisch gesandt hat und deswegen die Sünde dieses Fleisches
verdammt hat ... als sei er es selbst gewesen, der Christus
zur
Kreuzigung verdammt hat, zu jenem bitteren Leiden am Kreuze."
"Eine derartige Lektüre kann tatsächlich zu einem solchen Missverständnis führen,
doch sieh, Paulus gebraucht diesen Begriff auf symbolische Art ... und immer
in der Gegenüberstellung des Fleisches als einem Ort der Sünde ... und des Geistes
als einem Ort der Gnade."
Die Augen des Hugo von Celano sahen ihn scharf an, und Vildericus senkte den
Blick. Er fürchtete, den Eindruck hinterlassen zu haben, er sei hochmütig. Waren
doch seine Gedanken aufrichtig gewesen, so hatte sein Feuer den Abt vielleicht
ermüdet, denn als seine ängstliche Ungewissheit etwas gewichen war, bemerkte
Vildericus, dass der Abt angestrengt atmete - was ihn beim Sprechen zu längeren
Pausen zwang - und dass seine Stimme immer leiser geworden war. Jetzt drückte
er die Handflächen gegen die Schläfen und nahm seine Rede wieder auf: "Ich muss
dir etwas Schwieriges mitteilen, eine schwierige Aufgabe, die dich aber reizen
könnte, und überdies schwer zu erklären. Daher bitte ich dich, mir aufmerksam
zuzuhören. Seit vielen Jahren werden in Rom keine Register oder Chroniken über
die Ereignisse des päpstlichen Hofes und natürlich auch über die der Stadt mehr
geführt. Seit nahezu vierzig Jahren schreibt niemand mehr am Liber Pontificalis,
was, wenn man es genau überlegt, angesichts der Güte dieser Arbeit auch kein
Schaden ist. Doch bittet der Kardinalbischof von Portus - ich weiß nicht, ob
aus eigenem Antrieb oder im Auftrag Papst Johannes XIX. - um unsere Hilfe ...
Jetzt möchte ich dich über eine ganz besondere Seite der Beziehungen, die in
der letzten Zeit zwischen unserem Kloster und dem päpstlichen Hof herrschen,
unterrichten. Es mag dir davon hier drinnen auch schon etwas zu Ohren gekommen
sein - ich weiß nicht, ob der Wahrheit verpflichtet und aus verantwortlichem
Mund ..."
Ein heftiger Hustenanfall unterbrach ihn. Vildericus hatte bereits einen an
einem Ende des Tisches stehenden Krug entdeckt, der eine grünliche Flüssigkeit
enthielt, wohl ein Trank aus Kräutern oder ein Zitronenwasser; er füllte einen
Zinnbecher, der daneben stand, und reichte ihn dem Abt, der die Geste des jungen
Mönches wohlgefällig zur Kenntnis nahm. Dann trank er einen Schluck, und als
er sich beruhigt hatte, nahm er den Faden seiner Rede wieder auf, wobei er nun
langsamer sprach und zunehmend schwerer atmete: "Ein nicht gerade friedliches
Verhältnis. Das Kloster hat so reiche Besitztümer, dass sie die Begierde des
Nächsten erregen. Doch die Edikte der Kaiser - das Erste
von
Karl dem Großen, das Letzte von Otto III. - sichern uns seit über einem
Jahrhundert völlige Unabhängigkeit zu. Wir haben dem Druck nicht nachgegeben,
dem wir vor allem in der Zeit der Herrschaft der Crescentier ausgesetzt waren.
Ein Druck, der unsere Freiheit und unsere Ordensregeln einer uns fremden Herrschaft
unterwerfen sollte, nicht mehr jener höchsten, an die uns unsere Regeln und
die Verehrung des Symbols Petrus binden, der sie verkörpert ... oder verkörpern
sollte ... sondern vielmehr an ihre eigenen äußeren ... Familien...bindungen
..."
Der Husten war unerbittlich. Vildericus hätte gerne an seiner Stelle gesprochen,
um diesem Mann, der offensichtlich krank war, diese so lange, wenn auch kostbare
Rede zu ersparen, doch was wollte er ihm damit sagen? Ihm, der nur ein nichtswürdiger
und unwissender Ordensbruder war? Das Gesicht des Abtes wurde grau und blass
und überzog sich mit roten Flecken, vielleicht war auch er vom römischen Fieber
eingeholt worden, so wie die Brüder Paulus und Clodovis, die gestorben waren
in diesem furchtbaren, verzehrenden Sommer, der die feuchte und dumpfe Hitze
mit ihrem giftigen Pestgestank und den Insekten
sogar bis zu ihnen heraufgebracht hatte.
"Dieser Kardinal, von dem ich dir erzählt habe", sprach Hugo von Celano weiter,
"hat mich gebeten, ihm jemanden zu schicken, der ein Meister des Schreibens
ist, der einen gesunden Verstand und einen offenen Geist besitzt, in einem Maße
jedoch, dass es nicht mit den kanonischen Regeln der Kirche im Widerspruch steht.
Jemanden, der diese Leere zu füllen vermag und sie mit möglichst genauen und
angemessenen Aufzeichnungen ausgleicht. Ich habe dich für diese Aufgabe ausgewählt."
Rom! Tausende von Malen erträumtes Rom,
Babel, elende Hure,
Weltreich, Dämmerung, Untergang, auch vom Vater erträumtes Rom ...
(Aus "Der Chronist des Papstes" von Renzo
Rosso.
Aus dem Italienischen von Birgitta Höpken.)
Im Jahr 1032 ist das Leben im Kloster
von Farfa von Kargheit geprägt. Nur die reich bestückte
Bibliothek
ist der ganze Stolz des jungen Mönches Vilderico da Sutri. Mit meisterhafter
Feder kopiert er dort die alten Schriften, bis er eines Tages als neuer Chronist
des Papstes nach Rom berufen wird. Die ehrenhafte Aufgabe gerät ihm jedoch bald
zur Qual, denn der Papst peinigt ihn mit ruchloser Grausamkeit. Doch erst als er
der anmutigen Dorotea begegnet, nimmt Vilderico sein Schicksal in die Hand ...
(Goldmann)
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