(...) Nachdem wir den nächstliegenden, nicht sehr hohen Bergrücken überquert hatten, gelangten wir in das mit dichtem Wald bestandene Nachbartal, das von einem breiten und trockenen Bett eines Bergbaches durchschnitten wurde. Wir trennten uns hier, ich ging über das Kiesufer nach links, Olentjew nach rechts. Kaum aber waren zwei Minuten vergangen, als Olentjew plötzlich schoss. Ich wandte mich um und sah im gleichen Augenblick etwas Geschmeidiges, Buntes durch die Zweige sausen. Ich stürzte zu Olentjew. Er lud hastig sein Gewehr, aber wie zum Trotz war eine Patrone verklemmt.

"Auf was hast du geschossen?", fragte ich ihn.
"Ich glaube, es war ein Tiger", antwortete er. "Das Tier saß auf einem Baum. Ich habe gut gezielt und muss getroffen haben."

Endlich war die verklemmte Patrone herausgeholt, und Olentjew lud wieder. Vorsichtig gingen wir dorthin, wo das Tier verschwunden war. Schweißspuren auf dem dürren Gras zeigten deutlich den Weg. Plötzlich hielt Olentjew inne und horchte. Knapp rechts vor uns erhob sich ein wütendes Knurren und Röcheln. Durch das dichte Farngestrüpp konnten wir nichts erkennen, außerdem versperrte ein großer Baum uns den Weg. Schon wollte Olentjew hinüberklettern, als das Tier sich ihm fauchend entgegenstürzte. Olentjew konnte das Gewehr nicht mehr in Anschlag bringen, schoss in aller Eile aus nächster Nähe - und hatte Glück. Die Kugel traf das Tier mitten in den Kopf. Es fiel auf den umgestürzten Baumstamm und blieb so liegen, dass Kopf und Vorderpfoten auf der einen Seite herabhingen. Das sterbende Tier wurde von heftigen konvulsivischen Zuckungen geschüttelt und riss mit scharfen Krallen die Erde auf. Dabei rutschte der Körper langsam nach vorn und fiel schwer zu Boden.

Ich erkannte auf den ersten Blick den mandschurischen Panter, dieser prachtvolle Vertreter der Katzentiere war ein besonders großes Exemplar. Der Panter kommt im Ussuri-Gebiet nur im südlichen Teil des Landes vor, seine Hauptnahrung sind Hirsche, Rehe und Fasanen. Er ist äußerst schlau und vorsichtig und klettert sofort auf einen Baum, sobald er eines Menschen ansichtig wird.

Das Abziehen des Felles dauerte mehr als eine Stunde. Als wir uns auf den Rückweg machten, war es bereits finster. Lange tappten wir umher, bis wir endlich unser Lagerfeuer erblickten. Bald konnte man zwischen den Bäumen die Silhouetten der Männer erkennen, die oft den Schein des Feuers verdeckten. Die Hunde empfingen uns mit Gebell. Die Schützen umringten das Panterfell, betrachteten es und tauschten lebhaft ihre Ansichten darüber aus. Die Unterhaltung zog sich bis tief in die Nacht. (...)


(Aus "Der Taigajäger Dersu Usala" von Wladimir Arsenjew; 1872-1930)