(...) Nach geraumer
Zeit erschien Herbstaster mit Matte, Kopfstütze und Bettzeug. Auf Goldlotos'
Wunsch breitete sie die Decken aus und verriegelte die Gartentür. Im übrigen
sollte sie nur kommen, wenn sie gerufen würde. Herbstaster entfernte sich.
Da stand Simen Tjing auf, entledigte sich seines nephritfarbenen Leibgurtes,
legte ihn über das Holzwerk der Laube und begab sich zum Pfingstrosenbeet,
um dort beiseite zu treten. Als er zurückkam, hatte Goldlotos alle ihre
Kleidungsstücke abgelegt und lag auf dem Rücken auf Matte und Decken.
Nur die karminroten Schuhe hatte sie noch an den Füßen. Mit weißseidenem
Fächer wedelte sie sich Kühlung zu. Unmöglich konnte Simen Tjing
bei diesem Anblick ruhig bleiben. Trunken zog er sich ebenfalls aus, ließ
sich auf einem der Porzellanhocker nieder und berührte mit seinen Zehen
ihren Blumenkelch. Dann streifte er ihr die buntbestickten roten Schuhe ab,
löste scherzend ihre Fußbänder, machte das eine Ende jedes Bandes
an einem ihrer Füße fest und knüpfte die anderen Enden dann
an das Gerüst der Weinlaube, so dass Goldlotos einem goldenen
Drachen
mit gespreizten Pranken ähnelte, mit dem er nun wild kämpfte.
In diesem Augenblick erschien Schlehenblüte mit dem heißen Wein.
Sie wagte nur einen Blick nach den beiden, stellte den Weinkrug hin und stieg
hinauf zum künstlichen Hügel mit dem Gartenhäuschen "Wo
man in den Wolken schlummert". Dort beugte sie sich
über
den Schachtisch und spielte mit den Schachfiguren. Simen Tjing hob
den Kopf und winkte ihr mit der Hand, doch Schlehenblüte kam nicht.
"Ich werde dich gleich herunterholen, Schlaumäulchen", rief er,
wandte sich von Goldlotos ab und eilte mit langen Schritten die Steinstufen
zu dem Gartenhäuschen hinan. Schlehenblüte war aber längst auf
der anderen Seite einen kleinen Nebenpfad hinuntergeeilt und tief in die Blumen
hineingelaufen, um sich zu verstecken. Simen Tjing entdeckte sie jedoch, griff
um ihre Hüften und trug sie in die Weinlaube. "Trink doch ein Gläschen!"
ermunterte er sie lachend, umarmte sie, nahm sie auf den Schoß und trank
ihr zu.
Weil Goldlotos' Beine an dem Weinlaubengitter festgebunden waren, bemerkte Schlehenblüte:
"Was habt ihr beide da nur gemacht, am hellen, lichten Tage!" Wenn
jemand hinzukäme, was für ein Anblick."
"Ist das Gartentürchen denn nicht geschlossen?"
"Ja, ich habe es zugemacht."
"Schlaumäulchen, pass mal auf, wie ich treffen kann! Man nennt
das 'Mit goldenen Kugeln auf Silberschwäne schießen'."
Der Eisschüssel entnahm er einige goldgelbe Pflaumen, warf sie nach
Goldlotos'
Schoß und traf dreimal hintereinander. Und dreimal hintereinander leerte
er einen Becher Wein, - eine Belohnung, die er sich selber für seine Treffsicherheit
ausgesetzt hatte. Er ließ sich von Schlehenblüte Kühlung zufächeln,
ohne sich um Goldlotos zu kümmern.
Berauscht,
wie er war, streckte er sich auf seinem Liegestuhl zum Schlummer aus und schlief
auch sogleich ein. Schlehenblüte benutzte diese Gelegenheit, um fortzuschleichen.
Nach zwei Stunden wachte Simen Tjing auf und sah sich um. Goldlotos war noch
immer an das Laubengitter gefesselt. Von neuem packte ihn die Lust, und erst
als diese befriedigt war, bemerkte er, wie sehr er Goldlotos erschöpft
hatte. Sie gab nur noch winselnde Laute von sich. Ihre Zungenspitze war eiskalt.
Alle ihre Glieder streckte sie von sich. Simen Tjing löste eilig ihre Fesseln
und warf ihr die Kleider über; Schlehenblüte und Herbstaster mussten
das Bettzeug fortschaffen und Goldlotos in ihre Räume geleiten. (...)
(Aus
"Kin Ping Meh oder die
abenteuerliche Geschichte von Hsi Men und seinen sechs Frauen";
anonym; um ca. 1600)
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