Leonardo Padura: "Der Mann, der Hunde liebte"
Am 20. August 1940 schlägt
der spanische Kommunist Ramón Mercader in einem befestigten Haus in
Mexiko Lew Dawidowitsch mit einem Eispickel den Schädel ein. Zu dieser
Zeit sind beide Männer in der Welt unter jeweils ganz anderen Namen
bekannt. In Mexiko nennt sich Ramón Jacques Monard Vandendersched
(Belgier) oder auch Frank Jacson. Sein Opfer ist der Welt zu diesem
Zeitpunkt wesentlich bekannter und zwar unter dem Namen Leo Trotzki.
Im vorliegenden Roman - und Leonardo Padura legt im Nachwort sehr viel
Wert darauf, festzustellen, dass dieses Buch ein Roman ist - wird in
einem zweifachen erzählerischen Rahmen die Geschichte der Verbannung Lew
Dawidowitsch nach Stalins
Aufstieg zur Macht erzählt, die ihn von Russland über mehrere Umwege
schließlich nach Mexiko verschlägt, wo er die letzten Jahre seines
Lebens zubringen soll - immer bedroht vom langen Arm Stalins, der sich
zu Beginn des Zweiten Weltkriegs endgültig seines alten Kampfgenossen
entledigen möchte. Der Leser lernt seine Enttäuschung, seine Wut und
seine Ängste kennen und sieht, wie ihn Stalins Strategie zunehmend von
der Welt isoliert, bis er in Mexiko unter ständiger Polizeibewachung in
einer Art Festung leben muss, bedroht durch Attentäter, inländische
Stalinisten, Faschisten und das Klima.
Dann erzählt das Buch auch - etwas umfänglicher - die Geschichte des
Ramón Mercader und seines von seiner Mutter bestimmten Wegs in die
kommunistischen Bewegungen Spaniens zur Zeit des iberischen
Bürgerkriegs, und wie er in diesem Krieg erst Soldat war, um dann
- unter der Anleitung eines mit seiner Mutter befreundeten russischen
Militärberaters - zu einem Schattenkrieger zu werden. In den Wäldern von
Malachowka wird er körperlich und seelisch als Soldat 13 auf
geheimdienstliche Arbeit vorbereitet und seine ursprüngliche Identität
aufgelöst. Ab diesem Moment soll er eine Nummer sein, bis er einen
Auftrag bekommt, und ab dem Moment, wo er diesen Auftrag hat, wird er
nur noch die dafür notwendige Identität bekommen. Der Auftrag ist es
schließlich - im direkten Befehlsschatten Stalins stehend - in Mexiko
zum gegebenen Zeitpunkt an der "Hinrichtung" Lew Dawidowitschs
teilzunehmen, der mittlerweile in der Propaganda der UdSSR eine Stelle
direkt an der Seite Hitlers und des Satans selbst hat. Soldat 13, nun
Jacques Monard, ist stolz auf seinen historischen Auftrag.
Diese Geschichte erfährt in den 1970er-Jahren der am kubanischen System
gescheiterte Schriftsteller Iván Cárdenas Maturell, der mittlerweile für
eine Veterinärzeitschrift arbeitet, von einem Mann, den er am Strand mit
zwei Borsoi-Windhunden sieht, die ihn sehr beeindrucken. Nach und nach,
bei verschiedenen Treffen, erzählt dieser alte und offensichtlich sehr
kranke Mann dem vom Sozialismus kubanischer Prägung enttäuschten
Schriftsteller die Lebensgeschichte Ramón Mercaders, und anhand
verschiedener Quellen liest er sich auch noch Wissen über Leo Trotzki
an. Eines Tages ist der Alte, den Iván mittlerweile selbst für Ramón
hält, verschwunden, und Iván lebt in ständiger Angst vor möglichen
Folgen seiner Gespräche.
Angst ist ein vorherrschender Aspekt in den Systemen, die in diesem Buch
beschrieben werden, und in vielerlei Hinsicht ist "Der Mann, der Hunde
liebte" auch der Versuch zu erklären, wie diese Angst die Menschen in
den sozialistisch regierten Ländern solange in Schach halten konnte und
ihnen den Wunsch zum selbstständigen Denken austrieb. Diese Angst - und
die Schwierigkeiten, dagegen zu kämpfen - zeigt Leonardo Padura in
diesem Roman überdeutlich und gibt dem Leser gleichzeitig einen
faszinierenden Überblick über die Geschichte der
kommunistisch-sozialistischen Internationalen, ihrer Steuerung durch
Moskau und ihren Einfluss auch in kapitalistischen Ländern. Dabei werden
überdies sonst eher weniger beachtete Bereiche der Geschichte des 20.
Jahrhunderts, wie etwa Stalins Kriege, bevor Hitler
Russland direkt angriff, beleuchtet, und damit wird die Verquickung der
stalinistischen mit den faschistischen Systemen der damaligen Zeit
deutlich gemacht.
In vielerlei Hinsicht ist "Der Mann, der Hunde liebte" ein
Geschichtsbuch, und deswegen erfährt der Leser viel Historie - wie sie
für diesen Roman interpretiert wurde - in Gesprächen zwischen
Protagonisten. Das zu verfolgen ist manchmal etwas schwierig, besonders,
weil sich die Vertreter der Geheimdienste in der Regel in klar
abgeklärten Lügen miteinander auseinandersetzen, die dann erst einmal
wieder aufgeschlüsselt werden müssen. Diese Tatsache macht die Lektüre
zu einer gelegentlich anstrengenden Übung, die sich jedoch in
historischer und literarischer Hinsicht durchaus lohnt.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 02/2011)
Leonardo
Padura: "Der Mann, der Hunde liebte"
(Originaltitel "El hombre que amaba a los perros")
Übersetzt von Hans-Joachim Hartstein.
Unionsverlag, 2011. 731 Seiten.
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