Sehnsucht nach dem Frühling
Komm, lieber Mai, und
mache
Die Bäume
wieder grün,
Und laß mir an dem Bache
Die kleinen
Veilchen blühn!
Wie möcht ich doch so gerne
Ein Veilchen wieder sehn,
Ach, lieber Mai, wie gerne
Einmal spazieren gehn!
Zwar
Wintertage haben
Wohl auch der Freuden viel;
Man kann im Schnee eins Traben
Und treibt manch Abendspiel,
Baut
Häuserchen von Karten,
Spielt Blindekuh und Pfand;
Auch gibt‘s
wohl Schlittenfahreten
Aufs liebe freie Land.
Doch
wenn die Vöglein singen
Und wir dann froh und flink
Auf grünen Rasen springen,
Das ist ein ander Ding!
Jetzt muß mein Steckenpferdchen
Dort in dem
Winkel stehn;
Denn draußen in dem Gärtchen
Kann man vor Kot nicht gehn.
Am meisten aber dauert
Mich Lottchens Herzeleid;
Das arme Mädchen lauert
Recht auf die Blumenzeit;
Umsonst hol ich ihr Spielchen
Zum Zeitvertreib herbei,
Sie sitzt an
ihrem Stühlchen
Wie’s Hühnchen
auf dem Ei.
Ach, wenn’s doch erst gelinder
Und grüner draußen wär!
Komm, lieber Mai, wir Kinder,
Wir bitten dich gar sehr!
O komm und bring vor allen
Uns viele
Veilchen
mit,
Bring auch viel
Nachtigallen
Und schöne Kuckucks
mit!
(von Christian Adolf Overbeck)