Gabriele Kisser-Priesack: "Maras Reisen"
Das Abenteuer der Entstehung des Lebens auf der Erde
"Zwar geht in der Welt alles
mit natürlichen Dingen zu. Nichtsdestotrotz aber ist das Ergebnis
wunderbar." (Hoimar von Ditfurth, 1972)
Ein unterhaltsamer Einstieg in die Geheimnisse der Evolution
In "Maras Reisen" vermittelt Gabriele Kisser-Priesack einer breiten Leserschaft
die Geheimnisse der Entstehung des Lebens auf der Erde. Dabei handelt es sich
nicht nur um populärwissenschaftliche Betrachtungen zu einem schwierigen Thema,
sondern um ein mehrschichtiges Werk, in dem die Elemente "Roman", "Fantasie"
und "Wissenschaft" miteinander verknüpft werden. Die Zielgruppe sind, der bildhaften
Sprache und den Illustrationen nach zu urteilen, Kinder und Jugendliche.
Mara, ein junges Mädchen, verbringt ihre Ferien bei ihrer Tante. Sie wäre
lieber mit ihrer Freundin verreist, aber ihre Eltern hatten es verboten. So
erwartet sie eine langweilige Woche bei ihrer Tante Thea, die als
Klavierlehrerin arbeitet, und ihrem Cousin Richard, der studiert und zeitweilig
zu Hause ist. Ein Lichtblick während ihres Aufenthalts ist das alte
Baumhaus
im Garten, das sie noch von früheren Besuchen kennt. Hier verbringt sie einen
großen Teil ihrer Zeit.
Im Baumhaus lernt Mara den Chloroplasten kennen. Chloroplasten sind linsenförmige
Zellorganellen, die für die Photosynthese zuständig sind. Sie enthalten den grünen
Blattfarbstoff, das Chlorophyll. Der Chloroplast nimmt Mara mit auf mehrere
Reisen in die Vergangenheit. Hier erhält sie einen hautnahen Einblick in die
Wirkungsweise der Evolution.
Die erste Reise führt sie 3650 Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit,
als die Erde noch ganz jung war. Die ersten lebenden Zellen entwickeln sich im
Meer, wo sie hinreichend geschützt sind vor der aggressiven UV-Strahlung der
Sonne. Das Land ist eine tote Vulkanlandschaft. Eine sauerstoffhaltige Atmosphäre
existiert noch nicht. Der Chloroplast zeigt Mara die damalige Erde und erklärt
ihr seine eigene Entstehung.
Es folgen sechs weitere Reisen, auf denen die Protagonisten zu unterschiedlichen
Zeitpunkten jeweils Zwischenstopps einlegen. Mara lernt die Bedeutung der für
den Stoffwechsel erforderlichen Enzyme kennen, den Aufbau der DNS, die
Zellteilung und die Entstehung von Volvox, dem ersten Vielzeller. Sie staunt
nicht schlecht, als sie erfährt, dass die Weiterentwicklung zum Vielzeller nur
für einen hohen Preis zu haben war. Während Einzeller nicht sterben müssen,
sind Alterung und Tod bei den Vielzellern aus biologischen Gründen zwingend
notwendig.
Mara beobachtet Medusen, die sich vorwärts bewegen, indem sie das Wasser unter
ihrem pilzähnlichen Hut rhythmisch wegdrücken,
Trilobiten,
die sich einrollen können wie Asseln und als deren Vorgänger gelten,
Ammoniten, von denen viele gefährliche Räuber sind und Anomalocaris, den Vorgänger
der Rochen. Vor 400 Millionen Jahren begann die Besiedelung des Landes. Bald
wimmelte es von riesigen Libellen, plump wirkenden Lurchen und fleischfressenden
Therapsiden. Das Zeitalter der Saurier
begann und wurde vor 65 Millionen Jahren abrupt durch einen Meteor beendet. Die
Jahrmillionen waren begleitet von Klimakatastrophen und einem
Artensterben,
dem im Laufe der Geschichte die meisten Arten zum Opfer gefallen sind. Aber die
Kreativität der Evolution kennt keine Grenzen. Immer wieder tauchen neue
Populationen auf. Die Erzählungen erreichen mit der Entwicklung der ersten
Menschen und ihrem harten Überlebenskampf ihren Höhepunkt.
Das Wissen, das Mara auf ihren Reisen erwirbt, beeinflusst die Gespräche, die
sie mit ihrer Tante und ihrem Cousin Richard führt. Ein Zufall, dass dieser Paläontologie
studiert? Ohne, dass Tante oder Cousin ahnen, woher Mara ihr Wissen hat, führen
sie Diskussionen über vorzeitliche Tierformen und aktuelle Themen der Biologie.
Die Autorin bleibt bei ihrem Fachgebiet, ohne Ausflüge in die Physik, Theologie
oder Philosophie zu unternehmen, was bei populärwissenschaftlichen Büchern zum
Thema Evolution häufig der Fall ist. Die Illustrationen von Julia Wittkamp in
Verbindung mit anschaulichen und lebendigen Beschreibungen aus dem Blickwinkel
eines Beobachters und den jeweiligen Perspektivwechseln zu den Diskussionen im
Alltag tragen ihren Teil dazu bei, dass es sich um ein lesenswertes
Einstiegsbuch in die Biologie handelt. Das Buch ist sehr zu empfehlen.
Gabriele Kisser-Priesack, geboren 1958, studierte
Biologie in München. Dort ist
sie heute selbstständige Wissenschaftlerin und arbeitet als Autorin, Beraterin
und Pädagogin, unter anderem im Botanischen Garten München.
Julia Wittkamp, geboren 1970, ist freischaffende Künstlerin und lebt in
Dortmund. Sie illustrierte zahlreiche Kinder- und Jugendbücher.
(Klemens Taplan; 05/2005)
Gabriele Kisser-Priesack: "Maras
Reisen"
Ullstein, 2005. 206 Seiten.
ISBN 3-550-07603-7.
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