Koala

Eines der merkwürdigsten aller Beutelthiere, ist der Koala (Phascolarctus cinereus). Der schwanzlose Leib ist gedrungen, der Kopf sehr dick, kurzschnauzig, das Ohr groß und buschig behaart; die vorn und hinten fünfzehigen Pfoten bilden wahre Greiffüße.

Der wissenschaftliche Name, welcher "Beutelbär" bedeutet, ist bezeichnend; denn wirklich hat der Koala in der Gestalt wie in seinem Gange und in der ganzen Haltung entschiedene Ähnlichkeit mit einem jungen Bären. Seine Länge beträgt etwa 60 Centim., die Höhe am Widerriste ungefähr die Hälfte. Der Gesammteindruck ist ein eigenthümlicher, hauptsächlich wegen des dicken Kopfes mit den auffallend rauh behaarten, weil auseinander stehenden Ohren, den lebhaften Augen und der breiten und stumpfen Schnauze. Die Zehen der Vorderfüße sind wie bei dem Chamäleon in zwei Bündel getheilt und die Hinterfüße durch die Verwachsung der zweiten und dritten Zehe sehr merkwürdig. Der Schwanz besteht aus einem warzenartigen Höcker, welcher leicht übersehen werden kann. Die Behaarung ist sehr lang, fast zottig und dicht, dabei aber fein, weich und wollig, das Gesicht längs des Nasenrückens und von der Schnauze bis zu den Augen beinahe nackt, die Behaarung der Außen- und Innenseite der Ohren und die des übrigen Leibes um so dichter, die Färbung der Oberseite rötlichaschgrau.

Neusüdwales und zwar die südwestlich von Port Jackson gelegenen Wälder sind die Heimat des Beutelbären. Paarweise, mit seinem Weibchen, bewegt er sich auf den höchsten Bäumen mit einer Langsamkeit, welche ihm auch den Namen "Australisches Faulthier" eingetragen hat. Was ihm an Schnelligkeit abgeht, ersetzt er reichlich durch die unglaubliche Sorgsamkeit und Sicherheit, mit welcher er klettert, und welche ihn befähigt, selbst die äußersten Äste zu betreten. Er ist ein halb nächtliches Thier, wenigstens verschläft er die größte Helle und Hitze des Tages tief versteckt in den Kronen der Gummibäume, welche seinen bevorzugten Aufenthalt bilden. Gegen Abend beginnt er seine Mahlzeit. Ruhig und unbehelligt von den übrigen Geschöpfen der Wildnis, weidet er äußerst gemächlich die jungen Blätter und Schößlinge der Äste ab, indem er sie mit den Vorderpfoten festhält und mit seinen Schneidezähnen abbeißt. In seinem ganzen Wesen und Treiben offenbart er eine mehr als gewöhnliche Stumpfheit. Man nennt ihn ein überaus gutmüthiges und friedliches Thier, welches nicht so leicht in den Harnisch zu bringen ist und schweigsam seinen Geschäften nachgeht. Höchstens dann und wann läßt er seine Stimme vernehmen, ein dumpfes Gebell, welches bloß, wenn er sehr hungerig ist oder hartnäckig gereizt wird, in ein gellendes, schrillendes Geschrei übergeht. Bei großem Zorne kann es wohl auch vorkommen, daß er eine wilddrohende Miene annimmt; dann funkeln auch die lebhaften Augen böswillig dem Störenfriede entgegen. Aber es ist nicht so schlimm gemeint, denn er denkt kaum daran, zu beißen oder zu kratzen.

So viel man weiß, wirft das Weibchen bloß ein Junges. Es schleppt dieses, nachdem es dem Beutel entwachsen, noch lange Zeit mit sich auf dem Rücken oder den Schultern herum und behandelt es mit großer Sorgfalt und Liebe. Das Junge klammert sich fest an den Hals der Mutter an und sieht theilnahmslos in die Welt hinaus, wenn die Alte mit anerkennenswerther Vorsicht in den Kronen der Bäume umherklettert.


(Aus "Brehm's Thierleben" von Edmund Alfred Brehm)