Nana Nauwald: "Bärenkraft und Jaguarmedizin"
Die bewusstseinsöffnenden Techniken der Schamanen
"Durch
unsere Visionen
erschaffen
wir die Welt. Die alltägliche
Wirklichkeit ist eine Illusion." (Don Clemente)
Dieses Buch gibt
einen Überblick über die
bewusstseinsöffnenden Techniken der Schamanen. Die
Durchlässe, durch die die Schamanen und Schamaninnen die
verschiedenen Welten
des Bewusstseins betreten, sind genauso vielfältig wie die
verschiedenen
Kulturen, in denen Schamanismus praktiziert wird. Wenn man an
Schamanismus
denkt, so sind damit Gedanken an fremde, weit entfernte Länder
verbunden, doch
der Autorin gelingt es in diesem Buch, auf die schamanischen Wurzeln
unserer
europäischen Kultur hinzuweisen und diese wieder in unser
Bewusstsein zu holen.
Den Fragen, was
den Menschen zum Menschen macht, und auch was nun
Bewusstsein
tatsächlich ist,
wird gleich zu Beginn des Buches nachgegangen. Um aus der
selbstgeschaffenen
Beschränktheit unseres Geistes zu entfliehen, neue Erfahrungen
in und außer uns
gleichzeitig zu machen, bietet uns der Schamanismus eine Reihe von
Werkzeugen
an. In unserer westlichen Kultur gibt es außer dem Alkohol
keine
gesellschaftlich anerkannten Formen der willentlichen
Bewusstseinsveränderung.
Auch in einigen Kulturen arbeiten Schamanen mit Alkohol,
woraus leicht zu folgern ist, dass die Schädlichkeit oder
Unschädlichkeit eines
adäquaten Mittels immer mit dem rituellen Kontext in
Verbindung steht.
Interessant ist
das Kapitel "Frau Holle - Herrin des schamanischen Flugs", wo auf das
Märchen der Frau
Holle
und die Verbindung zum Schamanismus eingegangen wird. Auch der
Hollerbusch, der
als beliebte Wohnstätte von Elfen und Holden gilt, und dessen
tiefere Bedeutung
wird dem Leser nahe gebracht.
Dass die
Sehnsucht des Menschen nach Ekstase untrennbar mit der Geschichte
verbunden
ist, wird anhand vieler Beispiele dokumentiert, welche auch in unseren
Breitengraden nachvollziehbar erscheinen. Daran hat sich bis heute
nichts
geändert, denn auch die Botschaft des "Techno"
ist Ekstase. Pflanzen, die
bewusstseinverändernde Zustände hervorrufen und
durchaus in unseren
Breitengraden zu finden sind, werden dargestellt; unter Anderem auch
die
Birkenruten, die dazu dienten, das Blut in Wallung zu bringen.
Häufig ist aber
auch der Geist eines Tieres der Helfer des Schamanen. So auch bei
einigen
Völkern im
Amazonasgebiet, wo der Schamanenanwärter einige Zeit
im Dschungel verbringen muss,
um einem Jaguar zu
begegnen. Dieser ist von ihm zu erlegen, denn nur so kann er zu dessen
Blutsbruder werden und darf sich künftig "Jaguar-Schamane"
nennen.
Durch diese Vorgangsweise wird der Jaguar sein Lehrer und
schützender Bruder.
In Europa galt lange Zeit der Bär als eines dieser besonderen
Tierwesen, dessen
schützender und helfender Geist sehr gefragt war.
Das Kapitel
"Am Anfang war der Wind" macht den Leser mit den Klangwerkzeugen der
Schamanen bekannt und versucht uns zu vermitteln, dass Klang das alles
durchdringende Prinzip des Lebens darstellt, Rhythmus Bewegung ist und
Bewegung
Leben bedeutet. Auch in Europa gab es trommelnde Heiler und Seher. Es
mag zwar
für uns unvorstellbar erscheinen, doch bezeugen zahlreiche
Fundstücke aus der
Jungsteinzeit, dass unseren Ahnen die Wirkung der Schwingungen einer
Trommel
nicht unbekannt waren.
Im letzten
Kapitel geht Nana Nauwald auf die visionären Meisterpflanzen
und andere
Heilwerkzeuge der Schamanen Amazoniens ein. Auch der heilenden Wirkung
des
Tabaks sind einige Seiten gewidmet. Das Wissen um die
vielfältigen Geheimnisse
der verschiedenen
Pflanzen macht deren Einsatz
zum Zweck der
Bewusstseinserweiterung erst
möglich.
Dieses Buch hat
mich sehr neugierig gemacht und den Wunsch in mir entfacht, noch mehr
über die
Möglichkeiten der Bewusstseinserweiterung in Erfahrung zu
bringen. Es muss doch
den Horizont eines Menschen unglaublich erweitern, wenn er dieser Art
von
Erfahrung offen gegenübersteht. Umso schwerer ist zu
akzeptieren, dass in
der westlichen Welt bewusstseinsverändernde Mittel
und Techniken immer
untrennbar mit Angst vor gesundheitlicher Gefährdung und
Lebensuntüchtigkeit
verbunden sind. Ihr Verbotensein per Gesetz soll deren
Gefährlichkeit noch
nachdrücklich betonen, offensichtlich um die Menschen fern zu
halten.
"Woher kommt diese Angst?", fragt Nana Nauwald sicherlich zu
Recht.
Kann es Angst sein vor erwachender Spiritualität und einer
geistigen Verbindung
aller Kulturen?
Nana Nauwald hat
durch die Begegnung mit der Anthropologin Prof. Dr. Felicitas Goodman
die
Techniken der ekstatischen Trance kennengelernt. Sie ist freischaffende
Künstlerin und leitet Ausbildungsgruppen und Seminare
über rituelle
Körperhaltung und ekstatische Trance.
Ich möchte diese
Rezension mit einem friedvollen bewusstseinserweiternden Erlebnis, das
auch
dieses Buch beschließt, beenden:
"Der Rauch
von getrocknetem Beifuß und Wacholder hüllt mich
ein. Ich sitze in der Mitte,
bin alle Richtungen. Ich singe den Ahnen und Ahninnen unter den grauen
Granitblöcken ein Willkommenslied. Über mir kreist
ein Krähenpaar - und
irgendetwas Kleines mit einer roten Mütze ist gerade vor mir
durch das hohe Gras
gerannt."
(margarete; 11/2002)
Nana
Nauwald: "Bärenkraft und
Jaguarmedizin"
AT-Verlag, 2002.
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