Kevin Hearne: "Verhext"

Die Chronik des Eisernen Druiden 2


Der 1970 geborene, in Arizona lebende Autor Kevin Hearne arbeitet als Englischlehrer. Seine "Chronik des Eisernen Druiden" verhalf ihm schlagartig zu weitreichender Bekanntheit innerhalb der "Fantasy"-Lesergemeinde.

Atticus O'Sullivan ist betreibt als Kräuterhändler und Verkäufer okkulter Bücher einen kleinen und gern besuchten Laden in Arizona. Er wirkt wie Anfang 20 und hat neben einem Angestellten einen großen irischen Wolfshund namens Oberon. So zumindest sieht es von außen aus. Tatsächlich ist er mehr als 2000 Jahre alt und somit sein Wissen über Okkultes und Kräuter wesentlich umfassender als das der meisten anderen Inhaber solcher Läden.
Das Auffälligste an ihm, neben dem sehr großen Hund, sind seine Tätowierungen, die an der linken Seite seines Körpers bis hinab zur Sohle verlaufen und es ihm ermöglichen, in direkten Kontakt mit der Erde zu treten und aus ihr Energie zu beziehen - ein wenig wie der griechische Gott Anatheus.
Aber Atticus ist kein Gott, er ist ein Druide - oder genauer gesagt - der letzte noch überlebende ursprüngliche Druide der Welt. Durch Magie und gesunde Lebensweise hat er es geschafft, sein Leben zu verlängern und dabei mehr oder minder menschlich zu bleiben, während einige seiner Zeitgenossen tatsächlich in den Olymp der keltischen Götter aufgestiegen sind - oder vielmehr abgestiegen.

Siodhachan í Suileabháin, wie Atticus mit richtigem Namen eigentlich heißt, hat nach den Abenteuern im ersten Band (Titel: "Gehetzt") eigentlich gehofft, er werde einige Zeit Ruhe haben, um die Kollateralschäden seines Kampfes bei Superstition zu beseitigen, aber einer seiner Anwälte, ein isländischer Vampir, möchte ihn gern für ein neues Abenteuer gewinnen.
Anscheinend macht Thor einige Leute überaus nervös, und jemand hatte die Vorstellung, Atticus wäre die richtige Person, den Donnergott aus dem Weg zu schaffen.
Allerdings erscheint es ihm nicht sonderlich gesundheitsfördernd, sich mit dem Odinsohn anzulegen und damit einen guten Teil des Hasses Asgards auf sich zu ziehen.

Kurz nach diesem Gespräch findet sich Atticus allerdings durch einen Distanzzauber angegriffen, wie ihn manche Hexen verwenden, um  ihre Gegner in Flammen aufgehen zu lassen, und nur seine umfänglichen Schutzmaßnahmen sowie sein Vertrag mit dem Morrigan können ihn davor retten. Wenig später erfährt er, dass nicht nur ein deutscher Hexenkonvent, mit dem er bereits im Zweiten Weltkrieg zu tun hatte, hinter ihm her ist, sondern auch irgendjemand Bacchanten auf ihn gehetzt hat, die nun auf dem Weg in die Stadt sind. Da diese Wesen gegen alle Zauber und gegen Schwerter immun sind, benötigt Atticus Verstärkung - aber auch die hat ihren Preis.

Und das sind nur jene Dinge, mit denen sich Atticus, Oberon und die anderen Beschützer der Stadt auf den ersten 50 Seiten des Romans auseinandersetzen müssen. Danach geht es erst richtig rund!

Religionsübergreifende Begegnungen (Christentum, Judentum, Wicca, Druidentum, alte Griechen und die Nordgötter - um nur ein paar Gruppierungen zu nennen) werden konservativen oder orthodoxen Gläubigen wohl einiges Stirnrunzeln entlocken. Denn in Hearnes fiktiver Welt haben alle Glaubensrichtungen, die Menschen je erdacht haben, ihre Berechtigung und tauchen auch auf. Das sorgt für einige überaus amüsante Gespräche, natürlich neben den bewährten Schlagabtauschen zwischen Atticus, Oberon, dem Morrigan und Atticus' Lehrmädchen.

Resümee:
Eine überaus zufriedenstellende Lektüre, die stellenweise zum brüllenden Loslachen reizt.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 06/2014)


Kevin Hearne: "Verhext. Die Chronik des Eisernen Druiden 2"
(Originaltitel " The Iron Druid Chronicles 2. Hexed")
Übersetzt von Alexander Wagner.
Klett-Cotta, 2014. 362 Seiten.
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Ein weiteres Buch des Autors:

"Gehetzt. Die Chronik des Eisernen Druiden 1"

Atticus O'Sullivan führt ein scheinbar friedliches Dasein in Arizona. In seinem Laden bekommt man alles, was man eben so brauchen kann. Nachbarn und Kunden halten ihn für einen netten, tätowierten jungen Mann. Tatsächlich ist Atticus aber nicht 21, sondern über 2100 Jahre alt: Er ist der letzte lebende Druide. Seine übermenschlichen Kräfte zieht er direkt aus der Erde, und außerdem besitzt er ein unsagbar scharfes magisches Schwert namens Fragarach. Zu Atticus' Unglück aber ist eine überaus erzürnte keltische Gottheit hinter genau diesem Schwert her. Und sie hat es auf Atticus' Leben abgesehen ... (Klett-Cotta)
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Leseprobe:

(...) Leifs Vampirzähne sprangen hervor und er katapultierte sich von seinem Stuhl in meinen Vorgarten, um die Dunkelheit mit all seinen Sinnen nach Angreifern abzusuchen. Auch Oberon rappelte sich auf, knurrte mit aller ihm zu Gebote stehenden Bedrohlichkeit die Finsternis an und was sich darin verbergen mochte.
Ich wusste bereits, dass sie nichts finden würden. Jemand bewirkte dies aus großer Entfernung.
"Hexen!", spie ich aus, während das Amulett weiter meine Brust verbrannte. Die Wirkung des Fluchs ließ bereits nach, und das rote Glühen verschwand. Doch immer noch stieg mir der Geruch von verbranntem Fleisch in die Nase. Die Bemühungen, den Schmerz auszuschalten und meine versehrte Haut zu regenerieren, verbrauchten rasch meine Reserven, daher hievte ich mich hoch und wankte vorsichtig die Stufen hinunter auf den Rasen, wo ich meine Sandalen abstreifte und frische Energie aus der Erde tankte. Ich beugte mich vor und stützte die Hände auf die Knie, damit sich das Amulett von meiner Haut lösen und frei in der Luft baumeln konnte. Doch es blieb, wo es war - an meinem Fleisch festgebacken. Gar nicht gut.
"Ich würde dir beipflichten, dass du das Opfer von Hexerei geworden bist, dennoch vermag ich hier außer den üblichen Anwohnern niemanden zu entdecken", verkündete Leif, der weiter nach Gefahren Ausschau hielt. "Wie dem auch sei, da du dieses Thema nun schon einmal dezent aufs Tapet gebracht hast  ..."
"Hab ich das wirklich?", fragte ich mit gepresster Stimme.
"Das Thema Hexen dezent aufs Tapet gebracht? Denn für mein Gefühl hab ich etwas völlig anderes getan, nämlich verhindert, dass ich bei lebendigem Leib von Hexen gegrillt werde."
"Ich bitte um Verzeihung. Ich war auf der Suche nach einer geschickten Überleitung, doch offenkundig ist mir das gründlich misslungen, eine passende Wendung zu finden. Also, der berufliche Grund meines Besuchs heute Abend ist folgender: Ich wollte dir mitteilen, dass Malina Sokolowski deine letzten Bedingungen ohne Einwände und Änderungswünsche akzeptiert. Sie ist bereit, den Nichtangriffspakt zu unterzeichnen, sobald du es bist."
"Na prima." Ich krümmte mich vor Schmerzen, als ich an der Silberkette meines Amuletts zog, es von meiner Brust zupfte und sich etwas schwarzverbrannte Haut mit ablöste. "Aber das hier straft ihren Nichtangriffspakt ja wohl ganz offensichtlich Lügen, oder?"
"Nein." Leif schüttelte den Kopf. "Kurz vor Abschluss eines Friedensabkommens mit dir würde sie niemals etwas Derartiges wagen."
"Vielleicht ist es aber auch genau der richtige Zeitpunkt für einen Anschlag auf mich. Wir haben noch nichts unterzeichnet, daher steht sie ganz oben auf meiner Liste möglicher Verdächtiger." Malina war die frischgebackene Anführerin eines Zirkels polnischer Hexen, die sich die Schwestern der drei Auroras nannten. Sie beanspruchten das gesamte East Valley - die hiesige Bezeichnung für die Städte Tempe, Mesa, Scottsdale, Chandler und Gilbert - als ihr Territorium, und das schon seit den Achtzigern, also lange bevor ich aufgetaucht war. Seit ich mich in den späten Neunzigern in der Gegend niedergelassen hatte, hatten sie mich im Wesentlichen ignoriert. Schließlich war ich allein, verhielt mich nicht feindselig und stellte auch keine besonderen Kräfte zur Schau, von meinen Kenntnissen heilender Kräuter einmal abgesehen. Wir begnügten uns damit, zu leben und den anderen leben zu lassen, bis eines Tages unsere Interessen auseinandergingen: Sie waren daran interessiert, einem Gott zu helfen, der mich töten wollte (im Austausch gegen eine freie Passage durch TÌR NA NÓG, wie ich ursprünglich glaubte, doch wie sich später herausstellte für ein Grundstück in MAG MELL). Und ich war daran interessiert, am Leben zu bleiben. An dem Punkt mussten die Hexen dann feststellen, dass sie mich bisher maßlos unterschätzt hatten. Ursprünglich waren es dreizehn Hexen gewesen, doch bei dem Versuch, mich zu töten, hatten sechs von ihnen ihr Leben gelassen. Daher war ich trotz Malinas fortwährendem Gesülze über Friedenstauben und Olivenzweige immer noch überzeugt, dass sie jede Gelegenheit beim Schopf ergreifen würden, um ihre Schwestern zu rächen. (...)

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