Ulf Müller, Michael Zöllner (Hrsg.): "Der Haschisch-Club"
Ein literarischer Drogentrip
Der
vorliegende Band stellt eine von jenem Herausgeberduo, das auch mit
"Rebel Yell. Ein literarisches Rebellencamp" Geschick im
Aufspüren interessanter Texte bewiesen hat, zusammengestellte
Anthologie dar. Ist in "Rebel Yell" der Widerstand gegen
Einschränkungen einender Leitgedanke, um Jack London,
André Malraux, Che Guevara, Bruce Chatwin, Ilja Ehrenburg,
Ernst Jünger und andere "rebellische"
Persönlichkeiten zwischen zwei Buchdeckeln zu Wort kommen zu
lassen, finden sich in "Der Haschisch-Club. Ein literarischer
Drogentrip" erlesene Rauscherlebnisschilderungen sowie
einschlägige Schriften folgender Autoren (einige sind nebenbei
bemerkt auch in "Rebel Yell" vertreten):
Théophile Gautier, Marco Polo, Fitz Hugh Ludlow,
Charles Baudelaire, Gustave Flaubert, Mark Twain, Sigmund Freud, Walter
Benjamin, Antonin Artaud, William S. Burroughs, Henri Michaux, Aldous
Huxley, Anaïs Nin, Albert Hofmann, Timothy Leary, Tom Wolfe,
Ernst Jünger und Peter Weibel. Den Abschluss des Reigens
bildet Brion Gysin mit "Haschisch-Toffee".
Vorweg wäre festzuhalten, dass allerlei berauschende
Substanzen literarisch verkostet werden; aber der Reihe nach ...
Durch das von Ulf Müller und Michael Zöllner charmant
und munter gestaltete "Entree", dem informative Ausführungen
zu den von ihnen ausgewählten Texten sowie deren Verfassern zu
entnehmen sind, gelangt der Leser zu einem im Jahr 1846 erschienenen
Bericht über ein abendliches Haschischmahl aus der Feder von
Théophile Gautier (1811-1872). Der französische
Dichter, Journalist und Kunstkritiker, Vertreter des Symbolismus,
Verfechter der Auffassung "l'art pour l'art" ("die Kunst der Kunst
wegen"), schrieb exotische, erotische, abenteuerliche Romane, aber auch
bezaubernde Gedichte. Baudelaire widmete ihm seinen Gedichtband
"Les Fleurs du Mal".
Wie die Herren Müller und Zöllner in ihrer Einleitung
anmerken, fanden sich um 1840 in einem Pariser Hotel
allwöchentlich Angehörige der Künstlerszene
im "Club des Hachichins" zusammen, wo man Damawesc, eine
Haschisch-Konfitüre, und deren Wirkung genoss. Gautiers
Bericht lässt in der Fantasie des Lesers ein dunkelbunt
schillerndes Ambiente entstehen und leitet über zu "Der Alte
vom Berge und seine Assassinen" aus den Reiseberichten von Marco Polo
(etwa 1254-1324). Erzählt wird die Geschichte eines Mannes,
der einen paradiesischen Garten in einem Tal sein Eigen nannte, wo
Wein, Milch und Honig flossen, ja sogar liebliche Jungfrauen sangen und
tanzten.
"Der Alte wollte die Sarazenen glauben machen, sein Garten sei
das Paradies. Deshalb hatte er alles so einrichten lassen, wie der Prophet Mohammed es einst
seinen Anhängern verkündet hatte."
Allerdings war der Alte keineswegs ein nobler Gönner, sondern
unterhielt den Garten gewissermaßen für
persönliche Zwecke, indem er jungen Burschen einen Schlaftrunk
verabreichen und die Betäubten in sein "Paradies" bringen
ließ, woraufhin sich diese nach dem Erwachen im prophezeiten
Jenseits wähnten. Brauchte der Alte einen Handlanger, der in
seinem Auftrag morden sollte, ließ er einem der Burschen
abermals einen Haschischtrunk reichen und den sodann friedlich
Schlummernden in den Palast holen. Verdutzt fand sich der
Jüngling im irdischen Diesseits wieder, wollte
verständlicherweise auf schnellstem Weg in das vermeintlich
erblickte Paradies zurückkehren und war daher begierig,
riskante Aufträge auszuführen - fürchtete er
doch nicht länger den Tod. Auf diese Weise hatte der Alte vom
Berge stets willige Assassinen zur Hand.
Von Fitz Hugh Ludlow (1836-1870), bekannt als Verfasser des 1857
veröffentlichten Buches "The Hasheesh Eater" (dt. "Der
Haschisch-Esser"), einem Werk, von dem übrigens u.a.
Aleister
Crowley angetan war, stammt der anschließende Text,
"Der Weg in die Nacht". Ludlow beschreibt stilistisch tadellos,
akribisch und nicht ohne Selbstironie einen intensiven Haschischrausch.
Was dem "Haschisch-Esser" von einem befreundeten Doktor
präsentiert wird, ist "ein Präparat aus
ostindischem Hanf, ein hochwirksames Mittel gegen Kiefersperre."
Ludlow, der im Zuge seiner "unbesonnenen Untersuchungen"
bereits von sämtlichen verfügbaren Anregungs- und
Betäubungsmitteln genascht hat, kann dieser Versuchung
natürlich nicht widerstehen. Die Folge: "Der Weg in die Nacht"
- ganz ohne Kiefersperre ...
"Aber am Morgen, am fürchterlichen Morgen! Da sind
alle Organe erschlafft und ermüdet, alle Nerven abgespannt.
Das dauernde kitzelnde Bedürfnis zu weinen, die
Unfähigkeit, sich einer fortlaufenden Arbeit zu widmen,
beweisen dir grausam, dass du ein verbotenes Spiel getrieben hast."
Kein Zweifel, hier leidet jemand genüsslich in
höchsten Tönen. Es handelt sich um Charles Baudelaire
(1821-1867). Der Verfasser von "Les Fleurs du Mal" erkundet
mögliche Auswirkungen einer Rauschkultur. Baudelaire ersinnt
in einem seinem Band "Les paradis artificiels" entnommenen Text eine
Art höchstpersönliche spirituelle
Kosten-Nutzen-Rechung: "Geben wir für einen
Augenblick zu, dass der Haschisch Genialität verleiht oder
wenigstens solche steigert, so vergessen jene, dass es in der Natur des
Haschisch liegt, den Willen zu schwächen, und dass er also nur
auf der einen Seite gewährt, was er auf der anderen fortnimmt,
was bedeutet: er steigert die Erfindungsgabe und schwächt
zugleich die Fähigkeit, Nutzen daraus zu gewinnen."
Wie die Herausgeber im "Entree" erläutern, schickte Baudelaire
unmittelbar nach Erscheinen von "Les paradis artificiels" (dt.
"Künstliche Paradiese") ein Exemplar des Buches an Gustave
Flaubert, der sich hierfür brieflich bedankte. Sein
Antwortschreiben an Baudelaire vom 22. Oktober 1860 fand ebenfalls
Eingang in die Anthologie: "Es ist sehr freundlich von Ihnen,
mein lieber Baudelaire, mir ein solches Buch zu schicken. Alles daran
gefällt mir, die Intention, der Stil und selbst das Papier."
Und, einige Zeilen tiefer: "Man spürt hie und da so etwas wie
einen Sauerteig des Katholizismus. Ich hätte es lieber gehabt,
wenn Sie das Haschisch, das Opium, den Exzess nicht getadelt
hätten; wissen Sie denn, was später noch daraus
hervorgeht?"
Aus Mark Twains (1835-1910) Werk wird "Der Wendepunkt meines Lebens"
beigesteuert: Als der Halbwüchsige von einer absichtlich
eingefangenen Maserninfektion genesen ist, nimmt seine Mutter den
findigen Schlawiner aus der Schule. Der unfreiwillige
Schriftsetzerlehrling mit besonderer Vorliebe für
das Amazonasgebiet verspürt den innigen Wunsch, "einen
weltweiten Handel mit coca zu eröffnen",
denn er hat in einem Buch über den Amazonas u.a. "Erstaunliches
über coca, ein pflanzliches Produkt von
wundersamer Kraft, welches, (...) so nahrhaft und kraftspendend sei,
dass die Eingeborenen in den Bergen der Madeira-Region mit nur einer
Prise coca den ganzen Tag über
hügelauf- und abwärts rennen konnten, ohne
zusätzliche Nahrung zu benötigen" gelesen.
Twain findet auf der Straße eine Fünfzig-Dollar-Note
und macht sich umgehend auf den Weg zum Amazonas, doch leider existiert
keine Schiffsverbindung zwischen New Orleans und Para; dem jungen Mann
ist ein anderes Schicksal bestimmt.
"Der Wendepunkt meines Lebens" wirkt, der geneigte Leser möge
mir den dezenten Tadel verzeihen, ein wenig artfremd innerhalb der
Anthologie, denn sein Thema ist nicht die Rauscherfahrung.
Mark Twain (ein Begriff aus der Schiffersprache, der in etwa "zwei
Faden Wassertiefe" bedeutet), bürgerlicher Name Samuel
Langhorne Clemens, war u.a. als Schiffslotse auf dem Mississippi und
als Reisejournalist tätig. Der Weltenbummler verlor
sein Vermögen, als sein Verlag in die Insolvenz schlitterte.
Twains anhaltende Popularität beruht in erster Linie auf
seinen Abenteuergeschichten um Tom Sawyer und Huckleberry Finn.
Was verbindet Mark Twain mit Sigmund Freud - zumindest im Geist dieser
Anthologie? Coca, selbstverständlich.
Sigmund Freud (1856-1939)
schrieb über "Die Cocawirkung beim gesunden Menschen".
Hinterlistig flüstert das Unbewusste die Frage ein, wie Freud
"gesund" definierte, als er z.B. im Selbstversuch mit
Cocain
experimentierte. Jedenfalls ist Freuds Text ein durch und durch
medizinischer, vorrangig auf körperliche Symptome fixierter,
der nicht näher auf allfällig auftretende
Halluzinationen eingeht. Ein Zitat ohne Kommentar: "In den
ersten Stunden der Cocainwirkung kann man nicht einschlafen, aber diese
Schlaflosigkeit hat nichts Peinliches. Ich habe diese gegen Hunger,
Schlaf und Ermüdung schützende und zur geistigen
Arbeit stählende Wirkung des Coca etwa ein dutzendmal an mir
selbst erprobt; zur physischen Arbeitsleistung hatte ich keine
Gelegenheit."
Walter Benjamin, 1892 als Sohn eines jüdischen
Kunsthändlers in Berlin geboren, liefert in "Haschisch in
Marseille" exzellente Schilderungen von verstärkten
Sinneswahrnehmungen, von Veränderungen des Raum- und
Zeitgefühls - "Und im Haschisch sind wir
genießende Prosawesen höchster Potenz."
Der Philosoph, Kritiker, Essayist, Übersetzer und
Schriftsteller Walter Benjamin gilt als einer der einflussreichsten
Denker des 20. Jahrhunderts. Am 26. September 1940 nahm er sich nach
einem gescheiterten Versuch, über die Pyrenäen nach
Spanien zu kommen, auf der Flucht vor den Nationalsozialisten in Port
Bou das Leben.
"Der Peyotl-Ritus der Tarahumaras" übte auf Antonin Artaud
(1896-1948) einige Anziehungskraft aus. Der französische
Theaterregisseur ("Theater der Grausamkeit"), Schauspieler, Poet und
Visionär, bisweilen als "Deserteur des Surrealismus"
tituliert, war lebenslänglich mit Haut und Haar auf der Suche
nach Authentizität, nach absoluter Freiheit.
Der in der Anthologie abgedruckte Bericht stammt aus dem Jahr 1943;
Artaud blickte nicht "nur" auf sieben Jahre in der Irrenanstalt von
Rodez zurück, sondern schrieb Impressionen seiner 1936 in
Mexiko erlebten Rauschzustände nieder. "Der Peyotl
führt das Ich zu seinen wahren Quellen zurück. Wenn
man einen solchen visionären Zustand erfahren hat, ist es
ausgeschlossen, dass man wie zuvor die Lüge mit der Wahrheit
verwechselt. Man hat gesehen, woher man kommt und wer man ist, und man
zweifelt nicht mehr an dem, was man ist. Es gibt keine Emotionen und
keinen äußeren Einfluss mehr, die einen davon
ablenken können." Und etwas später: "Der
Peyotl festigt, soviel ich gesehen habe, das
Bewusstsein und verhindert, dass es sich verirrt und falschen
Eindrücken erliegt. Die mexikanischen Priester haben mit genau
die Stelle auf der Leber gezeigt, wo Ciguri, wo der
Peyotl diese synthetische Konkretion erzeugt, die das Gefühl
für das Wahre und das Verlangen nach ihm bleibend im
Bewusstsein behält und diesem die Kraft verleiht, sich dem
Wahren hinzugeben und dabei automatisch das Übrige abzuwehren."
Von William S. Burroughs ist ein Brief an seinen Freund Allen
Ginsberg vom 15. April 1953 abgedruckt, den Burroughs in Bogota
schrieb. Er beginnt mit den Worten: "Lieber Al, wieder in
Bogota. Ich habe eine Kiste voll Yage. Ich habe es probiert und
weiß mehr oder weniger, wie es zubereitet wird."
Berichtet wird im weiteren Verlauf ein wenig über Land und
Leute; vor allem aber stehen Burroughs' Rauscherlebnisse im Mittelpunkt
("Lebhafte bildliche Assoziationstätigkeit,
Stimulation des Lustempfindens, unfreiwilliges blödes Kichern"),
sowie Zubereitungsvarianten von Yage. Der Brief endet: "Wie
immer, Bill".
William
S. Burroughs - ein Rauschkonsument im Konsumrausch ...
Eine anders gelagerte Herangehensweise an das Rauscherlebnis
dokumentiert der gebürtige Belgier Henri Michaux in "Unseliges
Wunder - Das Meskalin": "Dies ist eine Forschungsreise. Mit
Hilfe von Wörtern, Zeichen und Zeichnungen. Erforscht wird das
Meskalin". Aufzeichnungen in Tagebuchform entstehen. Michaux,
ein eher nüchtern-logischer Beobachter, verfasste mehrere
Bücher über Drogenerfahrungen. In dem für
diese Anthologie ausgewählten Text wird das rasante Tempo der
durch Meskalin, ein Alkaloid des Peyotl, verursachten
Gedankengänge und Bilderstrudel eindrücklich
geschildert. Henri Michaux (1899-1984) war ein drogenerfahrener
Entdecker neuer Welten, getrieben vom Wunsch, das Labyrinth des
Unbewussten zu erforschen, Erkenntnis zu ernten.
"Henri Michaux: neben
Kafka
und Beckett ein
Jahrhundertschriftsteller. Anthropologe des eigenen Ich, der
äußeren und inneren Räume, der gegen die
Literatur und die Poesie anschreibt, um sie zu unterlaufen mit seiner
so unverwechselbaren seismographischen Schreibweise, seiner Wut, seiner
Selbstironie und seiner trockenen Komik", verkündet
der Klappentext von "Meine Besitztümer und andere Texte
1929-1938" (erschienen im Droschl-Verlag).
Auf Seite 127 öffnet Aldous Huxley (1894-1963) "Die Pforten
der Wahrnehmung" in Form eines kurzen theoretischen Abrisses
über aus Peyotl gewonnenes Meskalin und dessen synthetische
Herstellung sowie andere berauschende Stoffe. Huxley: "(...)
jeder von uns ist vielleicht fähig, in sich eine chemische
Substanz zu erzeugen, von der, wie man nun weiß, winzige
Mengen tiefgreifende Veränderungen des Bewusstseins bewirken."
1953 ist es soweit; der Autor von "Brave New World" wechselt sozusagen
von der Theorie zur Praxis, stellt sich als "Versuchskaninchen" zur
Verfügung und schluckt unter Aufsicht Meskalin, wovon der von
den Herausgebern der Anthologie ausgewählte Text Zeugnis
ablegt.
Perspektiven und Bedeutungsebenen verschieben sich; Huxley hat das
Gefühl einer sich ständig verändernden
Offenbarung. Auf die Frage des Experimentators, was für ein
Gefühl er bezüglich der Zeit habe, antwortet Huxley
schließlich: "Sie scheint reichlich vorhanden zu
sein."
"Ich
hatte gerade Aldous Huxleys 'The Doors of Perception' gelesen, aber es
beeindruckte mich weniger als Gil Hendersons Erzählung
über die visionären Effekte, die durch LSD
hervorgerufen werden", schreibt Anaïs Nin, womit wir
beim nächsten Beitrag angelangt wären. Die
Schriftstellerin nimmt in der Praxis eines Psychiaters an einem
Experiment mit LSD teil. Ihre intensive Rauschschilderung liest sich
wie ein märchenhafter Traum, dennoch stellt sie fest: "(...)
das Tabu, das über Träumen, Fantasien, Visionen und
sinnlicher Aufnahmefähigkeit liegt, beraubt die Menschen des
Zugangs zum Unterbewussten. Ich bin für meinen
natürlichen Zugang dankbar. Aber wenn ich darüber mit
Huxley diskutiere, ist er beinahe gereizt: 'Du bist glücklich
genug, einen natürlichen Zugang zu deinem Unterbewussten zu
haben, aber andere Menschen brauchen Drogen, und sie sollten sie
haben.'"
Anaïs Nin erläutert ihre ablehnende Haltung gegenüber Drogen
umfassend und führt u.a. aus: "Die Puritaner
töteten die Sinne. Die englische Kultur tötete die
Emotion. Und jetzt war es notwendig, den Betondeckel zu sprengen, 'to
blow the mind', wie die LSD-Anhänger es nennen." Es
sollte übrigens ihr einziges LSD-Experiment bleiben.
Albert Hofmann, geboren am 11. Jänner 1906, "entdeckte"
während der erneuten Synthese von LSD-25, im Zuge der Arbeit
mit Mutterkornalkaloiden (Mutterkorn ist ein Getreidepilz;
Anm. d. Red.), am 16. April 1943 die halluzinogenen
Eigenschaften von Lysergsäure-diäthylamid (LSD). In
"LSD - mein Sorgenkind" beschreibt er seinen ersten
"zufälligen" LSD-Rausch in effektvollen Worten und
hält rückblickend fest: "Ich war mir
bewusst, dass der neue Wirkstoff LSD mit derartigen Eigenschaften in
der Pharmakologie, in der Neurologie und ganz besonders in der
Psychiatrie von Nutzen sein müsse und das Interesse der
Fachgelehrten wecken werde. Allerdings konnte ich mir damals aber nicht
vorstellen, dass die neue Substanz außerhalb des
medizinischen Bereichs später auch in der Drogenszene als
Rauschmittel gebraucht werden könnte. So wie ich LSD bei
meinem ersten Selbstversuch in seiner erschreckenden Dämonie
erlebt hatte, konnte ich gar nicht auf den Gedanken kommen, dieser
Stoff könne jemals sozusagen als Genussmittel Anwendung
finden."
Der Forscher Albert Hofmann hatte eben nicht mit Timothy Leary und
anderen Psychonauten der Hippie-Bewegung gerechnet, denen der chemische
Schlüssel zu Ekstase und Bewusstseinserweiterung gerade recht
kam. Der "LSD-Guru" Leary beschreibt in "High Priest" seinen ersten
LSD-Rausch im Freundeskreis. Er berichtet wortgewandt u.a. von Blitzen,
Energiewellen, erweiterten Sinneswahrnehmungen und grübelt
ernüchtert: "Ich versuchte mir vorzustellen, was ich
mit diesen neuen Einsichten anfangen sollte, welchen Sinn sie ergaben,
was ich mit den Lebensgewohnheiten machen sollte, die ganz
offensichtlich bedeutungslos, unsinnig und vollkommen
künstlich waren."
Vom 1931 in Richmond/Virginia geborenen Tom Wolfe, bekannt
durch seine Romane "Fegefeuer der Eitelkeiten" und "Ein ganzer Kerl",
stammt "Cosmos Tasmanische Teufelei", eine reichlich instabile
Wortgeröllhalde, wenn Sie mich fragen: "Kannst Du
den Acidtest bestehen?" / Erschallt der Ruf / graviert sich in Lincoln
Gothik / auf jede Prankster-Netzhaut ..."; "JETZT / der ganze Strudel
so weit drinnen sind sie alle. Schneller tanzen sie, werfen sich die
Hände unter den Stroboskopblitzen von den Armen wie Konfetti,
glückselig strahlende Gesichter fallen auseinander und werden
ausgetauscht, denn ich bin du, und du bist ich in Cosmos
Tasmanischer
Teufelei ..." Dem "Entree" der Herausgeber ist zu
entnehmen, dass die Schilderung "erahnen lässt,
worum es den Pranksters ging: die pure Lust am LSD-Rausch und eine
freie Persönlichkeitsentfaltung fernab von jeglichem
weltanschaulichen Ballast." Belassen wir es dabei.
Der nächste Text, Titel "Drogen und Rausch", umfasst neun
Seiten aus dem Buch "Annäherungen" , verfasst von
Ernst Jünger.
"Drogen und Rausch" besticht durch klare Ausführungen zum
Thema. Jünger: "Die Normen, die der Gesetzgeber
aufzustellen sich veranlasst sieht, etwa im Verkehrsrecht, geben nur
einen groben Maßstab ab. Er wird immer strenger werden, weil
die empirische Welt täglich neue Beweise dafür
bringt, dass in Rausch und Technik zwei Mächte
zusammenstoßen, die sich ausschließen. Das gilt
freilich nicht für die Droge überhaupt. Vielmehr
nehmen die Zahl der Mittel und der Umfang ihrer Anwendung
ununterbrochen zu."
Peter Weibel beschäftigt sich in "Dope und Pop" mit
der Beziehung zwischen Drogen und Popmusik, wobei ihm gleich auf der
ersten Seite seiner eifrigen Spurensuche ein Fauxpas
unterläuft: "Die Beatles zum Beispiel sangen
über A cold Turkey, die plötzliche Entziehung einer
Droge (...)" Das ist schlicht und ergreifend falsch, denn das
Lied "Cold Turkey" spielte und sang der am 8. Dezember 1980 ermordete
John Lennon im Jahr 1969 schon ohne die "Beatles". Peter Weibel liefert
weiters ein "kleines Wörterbuch der Drogensprache",
von "Acid - LSD" bis "Zounk (Zonk) -
unter Drogeneinfluss, gezonkt".
Ein Rezept der etwas anderen Art des Beat-Poeten Brion Gysin bildet den
Abschluss der Anthologie.
Sollte es zu einem weiteren "literarischen Drogentrip" unter der
Schirmherrschaft des Tropen Verlags kommen, wären Michail
Bulgakows Erzählung "Morphium" sowie einige Texte Georg
Trakls unter den erstgereihten Anwärtern auf
Mitgliedschaft im "Haschisch-Club".
(Felix)
Ulf Müller, Michael Zöllner
(Hrsg.): "Der Haschisch-Club"
Tropen, 2002. 224 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Weitere Bücher aus dieser Reihe des Tropen Verlags:
"Rebel Yell. Ein literarisches Rebellencamp"
Mit Polemiken und Geschichten von William S. Burroughs,
Albert
Camus,
Bruce
Chatwin, Ilja Ehrenburg, Allen Ginsberg,
Che Guevara,
Edward Limonow,
Jack
London, André Malraux,
Ulrike Meinhof, Henry
Miller, Pier Paolo Pasolini,
Sylvia Plath u.a.
Buch
bei amazon.de bestellen
Ralf Chudoba, Michael Zöllner (Hrsg): "Endloser Sommer. Ein
literarischer Surftrip"
Von den Mythen der Ureinwohner Polynesiens, die vom Ursprung des Meeres
und der Wellen berichten, bis zu den ersten Beschreibungen des Surfens
durch den Seefahrer
Captain
Cook, der überwältigt war von der
Schönheit und elementaren Gewalt, die er sah. Von den
Tagebüchern der folgenden Missionare, die das Surfen als
eitles Laster verdammten, bis zu den begeisterten Reportagen
Mark
Twains, in denen er seine ersten Surfversuche beschreibt. Von der
Initiation des ersten Surfclubs durch Jack London, der Ihrer
Majestät der Königin empfahl, sich für den
bedrohten, "königlichen" Sport einzusetzen, bis zu den
Anekdoten des hawaiianischen Schwimm-Olympiasiegers
von 1912, Duke Kahanamoku. Von den Klatschkolumnen des lokalen
hawaiianischen Gesellschaftsmagazins, das die Surftalente von
Berühmtheiten wie
Wernher von Braun, Jerry Lewis und dem Schah
von Persien verrät, bis zur Kurzgeschichte von Tom Wolfe, die
die Surfkultur und -sprache der amerikanischen Jugend
spöttisch wiedergibt. Von der weltweiten Popularisierung des
Sports durch Bücher und Filme wie "Gidget", bis zur
zeitgenössischen Literatur von Autoren wie Kem Nunn. Dieses
Lesebuch hält einen gebannt inmitten der Wellen, inmitten
eines nie zu Ende gehenden, endlosen Sommers, ob man nun aktiv surft
oder nicht. Für diejenigen, die es lernen wollen, ist im
Anhang eine kleine Einführung in die Kunst des Surfens zu
finden.
Buch
bei amazon.de bestellen