Ulf Müller, Michael Zöllner (Hrsg.): "Der Haschisch-Club"

Ein literarischer Drogentrip


Der vorliegende Band stellt eine von jenem Herausgeberduo, das auch mit "Rebel Yell. Ein literarisches Rebellencamp" Geschick im Aufspüren interessanter Texte bewiesen hat, zusammengestellte Anthologie dar. Ist in "Rebel Yell" der Widerstand gegen Einschränkungen einender Leitgedanke, um Jack London, André Malraux, Che Guevara, Bruce Chatwin, Ilja Ehrenburg, Ernst Jünger und andere "rebellische" Persönlichkeiten zwischen zwei Buchdeckeln zu Wort kommen zu lassen, finden sich in "Der Haschisch-Club. Ein literarischer Drogentrip" erlesene Rauscherlebnisschilderungen sowie einschlägige Schriften folgender Autoren (einige sind nebenbei bemerkt auch in "Rebel Yell" vertreten):
Théophile Gautier, Marco Polo, Fitz Hugh Ludlow, Charles Baudelaire, Gustave Flaubert, Mark Twain, Sigmund Freud, Walter Benjamin, Antonin Artaud, William S. Burroughs, Henri Michaux, Aldous Huxley, Anaïs Nin, Albert Hofmann, Timothy Leary, Tom Wolfe, Ernst Jünger und Peter Weibel. Den Abschluss des Reigens bildet Brion Gysin mit "Haschisch-Toffee".

Vorweg wäre festzuhalten, dass allerlei berauschende Substanzen literarisch verkostet werden; aber der Reihe nach ...
Durch das von Ulf Müller und Michael Zöllner charmant und munter gestaltete "Entree", dem informative Ausführungen zu den von ihnen ausgewählten Texten sowie deren Verfassern zu entnehmen sind, gelangt der Leser zu einem im Jahr 1846 erschienenen Bericht über ein abendliches Haschischmahl aus der Feder von Théophile Gautier (1811-1872). Der französische Dichter, Journalist und Kunstkritiker, Vertreter des Symbolismus, Verfechter der Auffassung "l'art pour l'art" ("die Kunst der Kunst wegen"), schrieb exotische, erotische, abenteuerliche Romane, aber auch bezaubernde Gedichte. Baudelaire widmete ihm seinen Gedichtband "Les Fleurs du Mal".
Wie die Herren Müller und Zöllner in ihrer Einleitung anmerken, fanden sich um 1840 in einem Pariser Hotel allwöchentlich Angehörige der Künstlerszene im "Club des Hachichins" zusammen, wo man Damawesc, eine Haschisch-Konfitüre, und deren Wirkung genoss. Gautiers Bericht lässt in der Fantasie des Lesers ein dunkelbunt schillerndes Ambiente entstehen und leitet über zu "Der Alte vom Berge und seine Assassinen" aus den Reiseberichten von Marco Polo (etwa 1254-1324). Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der einen paradiesischen Garten in einem Tal sein Eigen nannte, wo Wein, Milch und Honig flossen, ja sogar liebliche Jungfrauen sangen und tanzten.
"Der Alte wollte die Sarazenen glauben machen, sein Garten sei das Paradies. Deshalb hatte er alles so einrichten lassen, wie der Prophet Mohammed es einst seinen Anhängern verkündet hatte." Allerdings war der Alte keineswegs ein nobler Gönner, sondern unterhielt den Garten gewissermaßen für persönliche Zwecke, indem er jungen Burschen einen Schlaftrunk verabreichen und die Betäubten in sein "Paradies" bringen ließ, woraufhin sich diese nach dem Erwachen im prophezeiten Jenseits wähnten. Brauchte der Alte einen Handlanger, der in seinem Auftrag morden sollte, ließ er einem der Burschen abermals einen Haschischtrunk reichen und den sodann friedlich Schlummernden in den Palast holen. Verdutzt fand sich der Jüngling im irdischen Diesseits wieder, wollte verständlicherweise auf schnellstem Weg in das vermeintlich erblickte Paradies zurückkehren und war daher begierig, riskante Aufträge auszuführen - fürchtete er doch nicht länger den Tod. Auf diese Weise hatte der Alte vom Berge stets willige Assassinen zur Hand.

Von Fitz Hugh Ludlow (1836-1870), bekannt als Verfasser des 1857 veröffentlichten Buches "The Hasheesh Eater" (dt. "Der Haschisch-Esser"), einem Werk, von dem übrigens u.a. Aleister Crowley angetan war, stammt der anschließende Text, "Der Weg in die Nacht". Ludlow beschreibt stilistisch tadellos, akribisch und nicht ohne Selbstironie einen intensiven Haschischrausch. Was dem "Haschisch-Esser" von einem befreundeten Doktor präsentiert wird, ist "ein Präparat aus ostindischem Hanf, ein hochwirksames Mittel gegen Kiefersperre." Ludlow, der im Zuge seiner "unbesonnenen Untersuchungen" bereits von sämtlichen verfügbaren Anregungs- und Betäubungsmitteln genascht hat, kann dieser Versuchung natürlich nicht widerstehen. Die Folge: "Der Weg in die Nacht" - ganz ohne Kiefersperre ...

"Aber am Morgen, am fürchterlichen Morgen! Da sind alle Organe erschlafft und ermüdet, alle Nerven abgespannt. Das dauernde kitzelnde Bedürfnis zu weinen, die Unfähigkeit, sich einer fortlaufenden Arbeit zu widmen, beweisen dir grausam, dass du ein verbotenes Spiel getrieben hast." Kein Zweifel, hier leidet jemand genüsslich in höchsten Tönen. Es handelt sich um Charles Baudelaire (1821-1867). Der Verfasser von "Les Fleurs du Mal" erkundet mögliche Auswirkungen einer Rauschkultur. Baudelaire ersinnt in einem seinem Band "Les paradis artificiels" entnommenen Text eine Art höchstpersönliche spirituelle Kosten-Nutzen-Rechung: "Geben wir für einen Augenblick zu, dass der Haschisch Genialität verleiht oder wenigstens solche steigert, so vergessen jene, dass es in der Natur des Haschisch liegt, den Willen zu schwächen, und dass er also nur auf der einen Seite gewährt, was er auf der anderen fortnimmt, was bedeutet: er steigert die Erfindungsgabe und schwächt zugleich die Fähigkeit, Nutzen daraus zu gewinnen."

Wie die Herausgeber im "Entree" erläutern, schickte Baudelaire unmittelbar nach Erscheinen von "Les paradis artificiels" (dt. "Künstliche Paradiese") ein Exemplar des Buches an Gustave Flaubert, der sich hierfür brieflich bedankte. Sein Antwortschreiben an Baudelaire vom 22. Oktober 1860 fand ebenfalls Eingang in die Anthologie: "Es ist sehr freundlich von Ihnen, mein lieber Baudelaire, mir ein solches Buch zu schicken. Alles daran gefällt mir, die Intention, der Stil und selbst das Papier." Und, einige Zeilen tiefer: "Man spürt hie und da so etwas wie einen Sauerteig des Katholizismus. Ich hätte es lieber gehabt, wenn Sie das Haschisch, das Opium, den Exzess nicht getadelt hätten; wissen Sie denn, was später noch daraus hervorgeht?"

Aus Mark Twains (1835-1910) Werk wird "Der Wendepunkt meines Lebens" beigesteuert: Als der Halbwüchsige von einer absichtlich eingefangenen Maserninfektion genesen ist, nimmt seine Mutter den findigen Schlawiner aus der Schule. Der unfreiwillige Schriftsetzerlehrling mit besonderer Vorliebe für das Amazonasgebiet verspürt den innigen Wunsch, "einen weltweiten Handel mit coca zu eröffnen", denn er hat in einem Buch über den Amazonas u.a. "Erstaunliches über coca, ein pflanzliches Produkt von wundersamer Kraft, welches, (...) so nahrhaft und kraftspendend sei, dass die Eingeborenen in den Bergen der Madeira-Region mit nur einer Prise coca den ganzen Tag über hügelauf- und abwärts rennen konnten, ohne zusätzliche Nahrung zu benötigen" gelesen. Twain findet auf der Straße eine Fünfzig-Dollar-Note und macht sich umgehend auf den Weg zum Amazonas, doch leider existiert keine Schiffsverbindung zwischen New Orleans und Para; dem jungen Mann ist ein anderes Schicksal bestimmt.
"Der Wendepunkt meines Lebens" wirkt, der geneigte Leser möge mir den dezenten Tadel verzeihen, ein wenig artfremd innerhalb der Anthologie, denn sein Thema ist nicht die Rauscherfahrung.
Mark Twain (ein Begriff aus der Schiffersprache, der in etwa "zwei Faden Wassertiefe" bedeutet), bürgerlicher Name Samuel Langhorne Clemens, war u.a. als Schiffslotse auf dem Mississippi und als Reisejournalist  tätig. Der Weltenbummler verlor sein Vermögen, als sein Verlag in die Insolvenz schlitterte. Twains anhaltende Popularität beruht in erster Linie auf seinen Abenteuergeschichten um Tom Sawyer und Huckleberry Finn.

Was verbindet Mark Twain mit Sigmund Freud - zumindest im Geist dieser Anthologie? Coca, selbstverständlich. Sigmund Freud (1856-1939) schrieb über "Die Cocawirkung beim gesunden Menschen". Hinterlistig flüstert das Unbewusste die Frage ein, wie Freud "gesund" definierte, als er z.B. im Selbstversuch mit Cocain experimentierte. Jedenfalls ist Freuds Text ein durch und durch medizinischer, vorrangig auf körperliche Symptome fixierter, der nicht näher auf allfällig auftretende Halluzinationen eingeht. Ein Zitat ohne Kommentar: "In den ersten Stunden der Cocainwirkung kann man nicht einschlafen, aber diese Schlaflosigkeit hat nichts Peinliches. Ich habe diese gegen Hunger, Schlaf und Ermüdung schützende und zur geistigen Arbeit stählende Wirkung des Coca etwa ein dutzendmal an mir selbst erprobt; zur physischen Arbeitsleistung hatte ich keine Gelegenheit."

Walter Benjamin, 1892 als Sohn eines jüdischen Kunsthändlers in Berlin geboren, liefert in "Haschisch in Marseille" exzellente Schilderungen von verstärkten Sinneswahrnehmungen, von Veränderungen des Raum- und Zeitgefühls - "Und im Haschisch sind wir genießende Prosawesen höchster Potenz." Der Philosoph, Kritiker, Essayist, Übersetzer und Schriftsteller Walter Benjamin gilt als einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts. Am 26. September 1940 nahm er sich nach einem gescheiterten Versuch, über die Pyrenäen nach Spanien zu kommen, auf der Flucht vor den Nationalsozialisten in Port Bou das Leben.

"Der Peyotl-Ritus der Tarahumaras" übte auf Antonin Artaud (1896-1948) einige Anziehungskraft aus. Der französische Theaterregisseur ("Theater der Grausamkeit"), Schauspieler, Poet und Visionär, bisweilen als "Deserteur des Surrealismus" tituliert, war lebenslänglich mit Haut und Haar auf der Suche nach Authentizität, nach absoluter Freiheit. 
Der in der Anthologie abgedruckte Bericht stammt aus dem Jahr 1943; Artaud blickte nicht "nur" auf sieben Jahre in der Irrenanstalt von Rodez zurück, sondern schrieb Impressionen seiner 1936 in Mexiko erlebten Rauschzustände nieder. "Der Peyotl führt das Ich zu seinen wahren Quellen zurück. Wenn man einen solchen visionären Zustand erfahren hat, ist es ausgeschlossen, dass man wie zuvor die Lüge mit der Wahrheit verwechselt. Man hat gesehen, woher man kommt und wer man ist, und man zweifelt nicht mehr an dem, was man ist. Es gibt keine Emotionen und keinen äußeren Einfluss mehr, die einen davon ablenken können." Und etwas später: "Der Peyotl festigt, soviel ich gesehen habe, das Bewusstsein und verhindert, dass es sich verirrt und falschen Eindrücken erliegt. Die mexikanischen Priester haben mit genau die Stelle auf der Leber gezeigt, wo Ciguri, wo der Peyotl diese synthetische Konkretion erzeugt, die das Gefühl für das Wahre und das Verlangen nach ihm bleibend im Bewusstsein behält und diesem die Kraft verleiht, sich dem Wahren hinzugeben und dabei automatisch das Übrige abzuwehren."

Von William S. Burroughs ist ein Brief an seinen Freund Allen Ginsberg vom 15. April 1953 abgedruckt, den Burroughs in Bogota schrieb. Er beginnt mit den Worten: "Lieber Al, wieder in Bogota. Ich habe eine Kiste voll Yage. Ich habe es probiert und weiß mehr oder weniger, wie es zubereitet wird." Berichtet wird im weiteren Verlauf ein wenig über Land und Leute; vor allem aber stehen Burroughs' Rauscherlebnisse im Mittelpunkt ("Lebhafte bildliche Assoziationstätigkeit, Stimulation des Lustempfindens, unfreiwilliges blödes Kichern"), sowie Zubereitungsvarianten von Yage. Der Brief endet: "Wie immer, Bill". William S. Burroughs - ein Rauschkonsument im Konsumrausch ...

Eine anders gelagerte Herangehensweise an das Rauscherlebnis dokumentiert der gebürtige Belgier Henri Michaux in "Unseliges Wunder - Das Meskalin": "Dies ist eine Forschungsreise. Mit Hilfe von Wörtern, Zeichen und Zeichnungen. Erforscht wird das Meskalin". Aufzeichnungen in Tagebuchform entstehen. Michaux, ein eher nüchtern-logischer Beobachter, verfasste mehrere Bücher über Drogenerfahrungen. In dem für diese Anthologie ausgewählten Text wird das rasante Tempo der durch Meskalin, ein Alkaloid des Peyotl, verursachten Gedankengänge und Bilderstrudel eindrücklich geschildert. Henri Michaux (1899-1984) war ein drogenerfahrener Entdecker neuer Welten, getrieben vom Wunsch, das Labyrinth des Unbewussten zu erforschen, Erkenntnis zu ernten. "Henri Michaux: neben Kafka und Beckett ein Jahrhundertschriftsteller. Anthropologe des eigenen Ich, der äußeren und inneren Räume, der gegen die Literatur und die Poesie anschreibt, um sie zu unterlaufen mit seiner so unverwechselbaren seismographischen Schreibweise, seiner Wut, seiner Selbstironie und seiner trockenen Komik", verkündet der Klappentext von "Meine Besitztümer und andere Texte 1929-1938" (erschienen im Droschl-Verlag).

Auf Seite 127 öffnet Aldous Huxley (1894-1963) "Die Pforten der Wahrnehmung" in Form eines kurzen theoretischen Abrisses über aus Peyotl gewonnenes Meskalin und dessen synthetische Herstellung sowie andere berauschende Stoffe. Huxley: "(...) jeder von uns ist vielleicht fähig, in sich eine chemische Substanz zu erzeugen, von der, wie man nun weiß, winzige Mengen tiefgreifende Veränderungen des Bewusstseins bewirken."
1953 ist es soweit; der Autor von "Brave New World" wechselt sozusagen von der Theorie zur Praxis, stellt sich als "Versuchskaninchen" zur Verfügung und schluckt unter Aufsicht Meskalin, wovon der von den Herausgebern der Anthologie ausgewählte Text Zeugnis ablegt.
Perspektiven und Bedeutungsebenen verschieben sich; Huxley hat das Gefühl einer sich ständig verändernden Offenbarung. Auf die Frage des Experimentators, was für ein Gefühl er bezüglich der Zeit habe, antwortet Huxley schließlich: "Sie scheint reichlich vorhanden zu sein."

"Ich hatte gerade Aldous Huxleys 'The Doors of Perception' gelesen, aber es beeindruckte mich weniger als Gil Hendersons Erzählung über die visionären Effekte, die durch LSD hervorgerufen werden"
, schreibt Anaïs Nin, womit wir beim nächsten Beitrag angelangt wären. Die Schriftstellerin nimmt in der Praxis eines Psychiaters an einem Experiment mit LSD teil. Ihre intensive Rauschschilderung liest sich wie ein märchenhafter Traum, dennoch stellt sie fest: "(...) das Tabu, das über Träumen, Fantasien, Visionen und sinnlicher Aufnahmefähigkeit liegt, beraubt die Menschen des Zugangs zum Unterbewussten. Ich bin für meinen natürlichen Zugang dankbar. Aber wenn ich darüber mit Huxley diskutiere, ist er beinahe gereizt: 'Du bist glücklich genug, einen natürlichen Zugang zu deinem Unterbewussten zu haben, aber andere Menschen brauchen Drogen, und sie sollten sie haben.'"
Anaïs Nin erläutert ihre ablehnende Haltung gegenüber Drogen umfassend und führt u.a. aus: "Die Puritaner töteten die Sinne. Die englische Kultur tötete die Emotion. Und jetzt war es notwendig, den Betondeckel zu sprengen, 'to blow the mind', wie die LSD-Anhänger es nennen." Es sollte übrigens ihr einziges LSD-Experiment bleiben.

Albert Hofmann, geboren am 11. Jänner 1906, "entdeckte" während der erneuten Synthese von LSD-25, im Zuge der Arbeit mit Mutterkornalkaloiden (Mutterkorn ist ein Getreidepilz; Anm. d. Red.), am 16. April 1943 die halluzinogenen Eigenschaften von Lysergsäure-diäthylamid (LSD). In "LSD - mein Sorgenkind" beschreibt er seinen ersten "zufälligen" LSD-Rausch in effektvollen Worten und hält rückblickend fest: "Ich war mir bewusst, dass der neue Wirkstoff LSD mit derartigen Eigenschaften in der Pharmakologie, in der Neurologie und ganz besonders in der Psychiatrie von Nutzen sein müsse und das Interesse der Fachgelehrten wecken werde. Allerdings konnte ich mir damals aber nicht vorstellen, dass die neue Substanz außerhalb des medizinischen Bereichs später auch in der Drogenszene als Rauschmittel gebraucht werden könnte. So wie ich LSD bei meinem ersten Selbstversuch in seiner erschreckenden Dämonie erlebt hatte, konnte ich gar nicht auf den Gedanken kommen, dieser Stoff könne jemals sozusagen als Genussmittel Anwendung finden."

Der Forscher Albert Hofmann hatte eben nicht mit Timothy Leary und anderen Psychonauten der Hippie-Bewegung gerechnet, denen der chemische Schlüssel zu Ekstase und Bewusstseinserweiterung gerade recht kam. Der "LSD-Guru" Leary beschreibt in "High Priest" seinen ersten LSD-Rausch im Freundeskreis. Er berichtet wortgewandt u.a. von Blitzen, Energiewellen, erweiterten Sinneswahrnehmungen und grübelt ernüchtert: "Ich versuchte mir vorzustellen, was ich mit diesen neuen Einsichten anfangen sollte, welchen Sinn sie ergaben, was ich mit den Lebensgewohnheiten machen sollte, die ganz offensichtlich bedeutungslos, unsinnig und vollkommen künstlich waren."

Vom 1931 in Richmond/Virginia geborenen Tom Wolfe, bekannt durch seine Romane "Fegefeuer der Eitelkeiten" und "Ein ganzer Kerl", stammt "Cosmos Tasmanische Teufelei", eine reichlich instabile Wortgeröllhalde, wenn Sie mich fragen: "Kannst Du den Acidtest bestehen?" / Erschallt der Ruf / graviert sich in Lincoln Gothik / auf jede Prankster-Netzhaut ..."; "JETZT / der ganze Strudel so weit drinnen sind sie alle. Schneller tanzen sie, werfen sich die Hände unter den Stroboskopblitzen von den Armen wie Konfetti, glückselig strahlende Gesichter fallen auseinander und werden ausgetauscht, denn ich bin du, und du bist ich in Cosmos Tasmanischer Teufelei ..." Dem "Entree" der Herausgeber ist zu entnehmen, dass die Schilderung "erahnen lässt, worum es den Pranksters ging: die pure Lust am LSD-Rausch und eine freie Persönlichkeitsentfaltung fernab von jeglichem weltanschaulichen Ballast." Belassen wir es dabei.

Der nächste Text, Titel "Drogen und Rausch", umfasst neun Seiten aus dem Buch "Annäherungen" , verfasst von Ernst Jünger. "Drogen und Rausch" besticht durch klare Ausführungen zum Thema. Jünger: "Die Normen, die der Gesetzgeber aufzustellen sich veranlasst sieht, etwa im Verkehrsrecht, geben nur einen groben Maßstab ab. Er wird immer strenger werden, weil die empirische Welt täglich neue Beweise dafür bringt, dass in Rausch und Technik zwei Mächte zusammenstoßen, die sich ausschließen. Das gilt freilich nicht für die Droge überhaupt. Vielmehr nehmen die Zahl der Mittel und der Umfang ihrer Anwendung ununterbrochen zu."

Peter Weibel beschäftigt sich in "Dope und Pop" mit der Beziehung zwischen Drogen und Popmusik, wobei ihm gleich auf der ersten Seite seiner eifrigen Spurensuche ein Fauxpas unterläuft: "Die Beatles zum Beispiel sangen über A cold Turkey, die plötzliche Entziehung einer Droge (...)" Das ist schlicht und ergreifend falsch, denn das Lied "Cold Turkey" spielte und sang der am 8. Dezember 1980 ermordete John Lennon im Jahr 1969 schon ohne die "Beatles". Peter Weibel liefert weiters ein "kleines Wörterbuch der Drogensprache", von "Acid - LSD" bis "Zounk (Zonk) - unter Drogeneinfluss, gezonkt".

Ein Rezept der etwas anderen Art des Beat-Poeten Brion Gysin bildet den Abschluss der Anthologie.

Sollte es zu einem weiteren "literarischen Drogentrip" unter der Schirmherrschaft des Tropen Verlags kommen, wären Michail Bulgakows Erzählung "Morphium" sowie einige Texte Georg Trakls unter den erstgereihten Anwärtern auf Mitgliedschaft im "Haschisch-Club".

(Felix)


Ulf Müller, Michael Zöllner (Hrsg.): "Der Haschisch-Club"
Tropen, 2002. 224 Seiten.
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Weitere Bücher aus dieser Reihe des Tropen Verlags:

"Rebel Yell. Ein literarisches Rebellencamp"

Mit Polemiken und Geschichten von William S. Burroughs, Albert Camus, Bruce Chatwin, Ilja Ehrenburg, Allen Ginsberg, Che Guevara, Edward Limonow, Jack London, André Malraux, Ulrike Meinhof, Henry Miller, Pier Paolo Pasolini, Sylvia Plath u.a.
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Ralf Chudoba, Michael Zöllner (Hrsg): "Endloser Sommer. Ein literarischer Surftrip"
Von den Mythen der Ureinwohner Polynesiens, die vom Ursprung des Meeres und der Wellen berichten, bis zu den ersten Beschreibungen des Surfens durch den Seefahrer Captain Cook, der überwältigt war von der Schönheit und elementaren Gewalt, die er sah. Von den Tagebüchern der folgenden Missionare, die das Surfen als eitles Laster verdammten, bis zu den begeisterten Reportagen Mark Twains, in denen er seine ersten Surfversuche beschreibt. Von der Initiation des ersten Surfclubs durch Jack London, der Ihrer Majestät der Königin empfahl, sich für den bedrohten, "königlichen" Sport einzusetzen, bis zu den Anekdoten des hawaiianischen Schwimm-Olympiasiegers von 1912, Duke Kahanamoku. Von den Klatschkolumnen des lokalen hawaiianischen Gesellschaftsmagazins, das die Surftalente von Berühmtheiten wie Wernher von Braun, Jerry Lewis und dem Schah von Persien verrät, bis zur Kurzgeschichte von Tom Wolfe, die die Surfkultur und -sprache der amerikanischen Jugend spöttisch wiedergibt. Von der weltweiten Popularisierung des Sports durch Bücher und Filme wie "Gidget", bis zur zeitgenössischen Literatur von Autoren wie Kem Nunn. Dieses Lesebuch hält einen gebannt inmitten der Wellen, inmitten eines nie zu Ende gehenden, endlosen Sommers, ob man nun aktiv surft oder nicht. Für diejenigen, die es lernen wollen, ist im Anhang eine kleine Einführung in die Kunst des Surfens zu finden.
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