Tatiana de Rosnay: "Bumerang"
Dieser Roman der
französischen Autorin Tatiana de Rosnay erzählt die bewegende
Geschichte zweier Geschwister auf der Suche nach einem lange
verborgenen Familiengeheimnis, das sich um ihre geliebte und allzu
früh verstorbene Mutter dreht, ihr Leben und ihren Tod.
Antoine möchte seiner Schwester Melanie zu ihrem 40. Geburtstag eine
Freude machen und fährt mit ihr über ein Wochenende auf die Insel
Noirmoutier, wo die beiden als Kinder zusammen mit der Mutter und dem
allerdings meistens abwesenden Vater die Sommermonate verbrachten.
Melanie lebt nach mehreren gescheiterten Beziehungen allein, und auch
Antoine hat sich von seiner Frau getrennt und kümmert sich rührend
hilflos um seine beiden pubertierenden Kinder.
Melanie genießt das Wochenende sehr, sie besuchen viele der damaligen
Orte und schwelgen in Erinnerungen, auch an ihre geliebte Mutter
Clarissa. Während der Heimfahrt im Auto setzt Melanie ihre schon vor der
Abfahrt begonnene Schweigsamkeit fort, irgendetwas beschäftigt sie.
Antoine und Melanie wechseln irgendwann nach einer Pause das Steuer, und
sie fährt weiter. Plötzlich sagt sie unvermittelt: "Antoine, es gibt
da etwas, das ich dir sagen muss. Ich habe es den ganzen Tag
hinausgeschoben. Letzte Nacht im Hotel, da ist mit etwas eingefallen.
Etwas über ..."
Und genau in diesem Augenblick gerät der Wagen ins Schleudern, Melanie
wird bei dem Unfall schwer verletzt, Antoine ist unversehrt.
Antoine verbringt lange Tage an Melanies Krankenbett, auch der Vater,
der nach dem Tod seiner ersten Frau das Lachen verlernt hat und mit
einer Frau namens Regine zusammenlebt, kommt - und geht wieder. Im
Krankenhaus in der Provinz lernt Antoine Angele kennen, die in Melanies
Therapie eingebunden ist und mit der Antoine die Liebe und die Beziehung
seines Lebens findet. Angele wird es sein, die sich irgendwann seine
Geschichte anhören, mit ihm auf Insel fahren wird, seine Erinnerungen
liebevoll strukturierend sowie ihm und später auch Melanie behilflich
sein wird, jenes Geheimnis zu ergründen.
Antoine wartet, bis Melanie gesund ist, aber auch dann dauert es lange,
bis sie von sich aus auf den vor dem Unfall begonnenen Satz zurückkommt.
Sie hat ihre Mutter in der Liebesumarmung mit einem anderen Menschen
gesehen ... Schockiert und gleichzeitig voller verzweifelter Liebe zu
ihrer Mutter gehen sie den schweren Weg zurück. Sie sprechen mit
Familienmitgliedern, gehen an keiner Auseinandersetzung vorbei und
stoßen doch immer wieder auf eine Mauer des Schweigens.
Und immer wieder, schon am Krankenbett der Schwester, die Erinnerungen
an die Mutter und die Frage, was wäre wenn:
"Wenn sie noch leben würde, wäre sie jetzt hier in diesem Zimmer bei
ihrer Tochter, ihren Kindern und Enkelkindern. Ihrem Ehemann. Sie wäre
jetzt neunundsechzig Jahre alt. Auch wenn ich mich noch so sehr
bemühe, ich kann mir meine Mutter nicht mit neunundsechzig Jahren
vorstellen. Sie wird für mich immer eine junge Frau bleiben. Sie hat
dieses Alter nie kennen gelernt. Sie hat nie erfahren, wie es ist,
Teenager groß zu ziehen. Sie ist vorher gestorben. Ich hätte gerne
gewusst, was für eine Mutter sie uns in diesem Alter gewesen wäre. Es
wäre anders gewesen, wenn sie weiter gelebt hätte. Alles wäre anders
gewesen."
Melanie und Antoine nehmen mit Angeles tatkräftiger Unterstützung, aber
gegen die heftigen Widerstände ihrer Familie, eine bewegende und für sie
sehr schmerzhafte Suche und Erinnerungsarbeit auf sich, bis sie jenen
Menschen weit weg von Europa gefunden haben, den Melanie damals in den
Sommerferien mit ihrer Mutter gesehen und diesen Anblick wegen seiner
Ungeheuerlichkeit für das Kind sofort wieder verdrängt hatte. Bis
Antoine sie zur Insel zurückführte und alles wieder zurückkehrte ...
Die Geschwister erhalten ein Bündel von Briefen ihrer Mutter, aus denen
Tatiana de Rosnay schon Beginn dieses Romas immer wieder zitiert. Und
ein Kreis beginnt sich zu schließen. Die seelische Bearbeitung kann
beginnen, und Antoine und Melanie werden von der Autorin in ein Leben
entlassen, das sie mit der wiedergewonnenen Liebe ihrer Mutter
vielleicht anders führen können als bisher.
"Bumerang" ist ein Buch über nachgetragene Liebe, über bindende
Familiengeheimnisse und die beglückende Erfahrung, sie zu lösen,
ein Buch über nachgeholtes Erwachsenwerden und die Liebe, für deren
Erfahrung es nie zu spät ist.
(Winfried Stanzick; 03/2010)
Tatiana de Rosnay: "Bumerang"
(Originaltitel "Boomerang")
Übersetzt von Angelika Kaps.
Gebundene Ausgabe:
Bloomsbury Berlin, 2009. 347 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
Berlin Verlag, 2011.
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Tatiana de Rosnay wuchs in
Paris und Boston auf und verbrachte einige Jahre in England. Seit 1984
lebt sie wieder in
Paris.
Ein weiteres Buch der Autorin:
"Das Haus der Madame Rose"
Paris 1868. Madame Rose führt ein beschauliches Leben in St.
Germain-des-Prés, bis sie eines Tages einen Brief erhält: Auf Anordnung
des Baron Haussmann soll ihr Haus wie Hunderte anderer abgerissen
werden, um Platz zu schaffen für das neue Paris. Doch was passiert mit
den Menschen, die dort leben? Wohin sollen sie gehen?
Rose versteckt sich im Keller ihres Hauses, sie wird es nicht mehr
verlassen. Während die Gebäude um sie herum bereits fallen, schreibt sie
bei Kerzenlicht Briefe an ihren verstorbenen Mann, erinnert sich an ihr
gemeinsames Leben und offenbart schließlich ein lang gehütetes
Geheimnis. (Bloomsbury)
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Weitere Buchtipps:
Katharina Hacker: "Die
Erdbeeren von Antons Mutter"
Wann ist so eindringlich über den Verlust einer Welt und den Gewinn
einer neuen geschrieben worden?
Anton ist Arzt in Kreuzberg, mit Sorge sieht er, wie seine Mutter in
seinem Heimatort in der niedersächsischen Provinz gegen eine schnell
fortschreitende Demenz kämpft.
Jedes Jahr schickt sie ihm und seinen Freunden Alix und Bernd Erdbeermarmelade
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Dann trifft er Lydia und findet nach Jahren des Alleinseins eine
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Vertrauen und Verrat - und über die Liebe zur Musik.
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