Marie-Luise Kreuter: "Der Bio-Garten"

Biologisch für Anfänger und Fortgeschrittene


Schon lange bevor "ÖKO" und "BIO" fixe Bestandteile gängiger Werbeslogans waren, bewirtschaftete Marie-Luise Kreuter ihren Garten auf Grundlage in jahrelanger Praxis erworbenen Wissens über die Zusammenhänge und das harmonische Miteinander von Pflanzen, Tieren und Menschen auf dem gemeinsamen bewohnten Stück Erde. Das Interesse an ihren Methoden und Erfolgen war dermaßen groß, dass sie sich entschied, ihre Erkenntnisse der gärtnernden Allgemeinheit mitzuteilen, und zwar nicht länger nur in Vorträgen und Diskussionen, sondern in Buchform.

"Der Bio-Garten", (erstmals im Jahr 1981 erschienen), kann längst als wahrer Klassiker der Gartenliteratur bezeichnet werden und hat viele Gärtner ebensosehr zum gesamtheitlichen Umdenken, wie auch zum Verzicht auf den Einsatz kostspieliger Erzeugnisse der Dünge- und Spritzmittelherstellungsindustrie veranlasst.

In der Einführung gibt Marie-Luise Kreuter einen Überblick über die Geschichte der Gartenanlagen sowie die Ansprüche an deren Ertrag und Aussehen im Wandel der Zeiten und erläutert den natürlichen Kreislauf, zu dem alle Lebewesen ihren Beitrag leisten.

Bevor es sozusagen ans Ärmel-Aufkrempeln und Gießkannen-Holen geht, werden wichtige Grundbegriffe des biologischen Gärtnerns erklärt, dessen Bestreben es ist, die Eingriffe des Menschen ins natürliche Gefüge so zu gestalten, dass daraus keine Störung der Verbindung aller Lebewesen resultiert. Der Gärtner möge ein waches Auge auf die Vorgänge auf seinem Stück Grün haben, danach trachten, ausgleichend zu wirken und lernen, die örtlichen Gegebenheiten (Bodenqualität, Klima, Fauna, ...) langfristig bestmöglich in sein Tun und Lassen zu integrieren. So hat es beispielsweise wenig Sinn - (und wird, nebenbei bemerkt, den ehrgeizigen Gärtner niemals befriedigen) -, feuchtigkeits- oder schattenliebende Gewächse auf einem, zumeist der prallen Sonne ausgesetzten, Stückchen Land zu kultivieren.

Im Kapitel "Unsere Erde" erläutert Marie-Luise Kreuter die unterschiedlichen Bodentypen (z. B. Sand- und Moorböden), deren Zusammensetzung und Pflegeansprüche. Daraufhin betrachten wir die im Boden hausenden Kleinstlebewesen, deren Unterstützung im naturgemäßen Garten überaus wichtig und willkommen ist. Schematische Zeichnungen, unter anderem von Mykorrhiza und Knöllchenbakterien, illustrieren die Vorgänge.

Wasser, Luft, Sonnenlicht und Erde: Die vier Lebenselemente der Pflanzen! Marie-Luise Kreuter erklärt Wasserkreislauf, Wurzelbahnen, Fotosynthese und Chlorophyll. Denn nur wer um die Bedürfnisse und den Stoffwechsel der Pflanzen weiß, kann sich entsprechend verhalten.
"Kein Krieg im Garten" ist ein besonders wichtiges Kapitel! Überdenken Sie einmal die Bezeichnungen "Schädling" und "Unkraut". Der biologische Gärtner löst sich vom künstlichen "Gut-Böse"-Schema; er sieht die Umwelt (und sich selbst mittendrin) als Gesamtheit, als lebenden Organismus. Gerade den zu Unrecht diffamierten "Unkräutern" kommt einige Bedeutung innerhalb des natürlichen Kreislaufes zu. So eignen sich viele von ihnen hervorragend zur Herstellung von Düngejauche oder zur Insektenabwehr.
Denn Gärtnern mit der Natur heißt gärtnern ohne Gift. Erboste chemische Aufrüstung auf Seiten des Menschen zerstört das natürliche Gleichgewicht, mit zum Teil unabsehbaren, langfristigen Folgen. Wer nur klinisch-sauberes Schablonenobst und -gemüse zu ernten wünscht, ist vermutlich eher nicht zum Bio-Gärtner geboren ... Wenngleich keinem Menschen die Fähigkeit zur Abkehr von seinen bisherigen Verirrungen abgesprochen werden soll. Sicher, gerade in der Umstellungsphase vom - nennen wir es - "denaturierten" Gartenbau zum biologischen bedarf es mitunter gesteigerter Frustrationstoleranz und erhöhter Einsatzbereitschaft. Jedoch ist heutzutage hierzulande kein Freizeitgärtner von seiner Beete Ernte abhängig, was doch Argument genug für das eine oder andere "Experiment" vor der eigenen Haustür sein sollte! Auch, dass sich das Umgraben erübrigt, mag manch einen verlocken, andere Methoden auszuprobieren.

Kompost ist das Herz des Biogartens! Pflanzliche Reste werden zu Humus umgewandelt. Marie-Luise Kreuter beschreibt die Prozesse und gibt Anleitungen für die harmonische Rotte, die Komposition des Komposts sowie Anlage und Aufbau einer Kompost-Miete.
Weitere bedeutsame Aspekte im Biogarten sind Mulchen und Flächenkompostierung. Anstatt die gewachsenen Bodenschichten alljährlich mitsamt ihren nützlichen Bewohnern durch brutales Umgraben zu zerstören, werden die Beete durchgehend mit pflanzlichem Material bedeckt, ganz nach dem Vorbild der Natur! Blank gejätete, nackte Erde ist Sonne, Wind und Regen schutzlos ausgesetzt. Unter einer Mulchdecke hingegen bleibt der Boden locker und lebendig. Noch ein angenehmer Nebeneffekt: Es muss seltener gegossen werden.

In weiterer Folge beschäftigt sich Marie-Luise Kreuter detailliert mit der Düngung im naturgemäßen Garten (z. B. Gründüngung, Jauche, natürliche Mineraldünger und Bodenverbesserungsmittel), Fruchtwechsel und Mischkulturen (hierbei beachtet man den unterschiedlichen Nährstoffbedarf der Gemüsesorten sowie die wechselweisen Einflüsse benachbart kultivierter Pflanzen; z.B. gedeihen Tomaten gut neben Mais, Petersil, Salaten oder Kohl; Erbsen, Kartoffeln sowie Fenchel sind jedoch schlechte Nachbarn für Tomaten). Anhand einiger Bepflanzungspläne, die durch Skizzen veranschaulicht werden, ist es jedem Interessierten ohne weiteres möglich, diese vorteilhaften Methoden selbst auszuprobieren.
Hierauf erfährt man einiges über Hügelbeete, eine ursprünglich aus Asien stammende Kultivierungsform, bei welcher bestimmte Gemüsesorten (z. B. Gurken) auf sanft gewölbten Beeten gezogen werden.

Dann beschreibt Marie-Luise Kreuter gewisse Tiere (u. a. Fledermäuse, Igel, Maulwürfe, Vögel, Kriechtiere, Insekten, Spinnentiere und - ganz wichtig: Regenwürmer!) und Pflanzen in ihrer Funktion als Helfer im Garten, außerdem pflanzliche sowie mechanische und biologische Mittel zur Schädlingsabwehr (beispielsweise hält Lavendel Ameisen und Blattläuse ab, Knoblauch wird gegen Mehltau eingesetzt; Kräuteransätze dienen als unbedenkliche Spritzmittel, so stärkt Brennnesseljauche die Widerstandskraft der Pflanzen, während ein Auszug aus Tomatenblättern, über Kohlpflanzen vergossen, Kohlweißlingen die Eiablage vergällt, Zwiebelschalentee hilft gegen Pilzkrankheiten).
Freilich ist vorbeugen ist besser als spritzen, denn - wie bereits vorhin betont - beobachtet der aufmerksame Gärtner die Pflanzen, weiß um ihre Ansprüche und ist daher in der Lage, rechtzeitig milde Maßnahmen zu ergreifen.

Das Kapitel "Biologisch für Fortgeschrittene" beinhaltet u.a. Abschnitte zu den Themen "säen und pflanzen im Zeichen des Mondes", "Kompostkräuter selbst gemixt", bevor wir verschiedene biologische Methoden kennen lernen, und zwar die biologisch-dynamische, die organisch-biologische nach Müller-Rusch sowie die makrobiotische Methode.

Und dann ist es soweit: Jetzt ist die Praxis dran, beginnend mit dem Nutzgarten. Hier informiert Marie-Luise Kreuter zuerst in allen Einzelheiten über Beeteinteilung, Bodenvorbereitung, Anzucht-/Aussaatmöglichkeiten, Pflanz- und Pflegetipps, wie auch über Ernte und Konservierung (Miete und Einschlag, einfrieren, einkochen, einlegen in Salz und Essig, trocknen), bevor es im Abschnitt "Salate und Gemüse" richtig zur Sache geht. Geboten werden eine umfassende, sehr gut strukturierte Auflistung von Arten und Sorten, Aussaat-, Pflege- und Erntehinweise, u.a. für Bohnen, Zwiebeln, Karotten, Kartoffeln, Tomaten, Grünspargel, Melonen, Mais, Rhabarber.
Dann begeben wir uns gedanklich in den Kräutergarten, dessen Anlage Marie-Luise Kreuter genau erklärt, und wo sowohl ein- als auch zweijährige und ausdauernde Arten kultiviert werden. Es folgt ein alfabetisch geordneter Pflanzenkatalog, der Informationen über bekannte Kräuter wie Basilikum, Kresse, Petersil, Lavendel, Pfefferminze, Johanniskraut und Kamille enthält.
Dann betreten wir den Obstgarten, lernen die Standort- und Kulturanforderungen der Erd-, Johannis- und Stachelbeeren (u.s.w.) kennen, erfahren, unter welchen Voraussetzungen Wein im Biogarten gedeiht, bevor wir uns den Obstbäumen und ihren Ansprüchen zuwenden; Birn- und Apfelbäumen, Quitten-, Kirsch-, Pfirsich- und Marillenbäumen sowie den Nusssträuchern bzw. -bäumen.

Bekanntlich lebt der Mensch nicht von Obst und Gemüse allein, und insbesondere der Gärtner erfreut sich auch am Anblick und Duft der Pflanzen. Somit sind wir beim Ziergarten angelangt!
Das Kapitel beginnt mit dem Abschnitt "Blütenfest für einen Sommer: einjährige Blumen", wo wieder eine alphabetisch geordnete Katalogisierung beliebter Blühgewächse geboten wird. Von der Aster bis zur Zinnie reicht das Angebot, wobei jeder Art ein ausführlicher Absatz (folgendermaßen gegliedert: Merkmale, Kultur, Sorten, besonderer Tipp, garniert mit zahlreichen farbigen Abbildungen) gewidmet ist. Gleichermaßen sind alle folgenden Teile, zunächst über die zweijährigen Sommerblumen (dazu gehören z. B. Fingerhut, Königskerze, Malve und Vergissmeinnicht), gestaltet.
Auch ausdauernde Stauden bringen Farbe in den Garten, und das für viele Jahre. Zu diesen Stauden zählen neben Akelei, Astilbe und Christrose auch Funkie, Iris und Lupine, Mohn, Primel und Rittersporn, ebenso auch Gräser wie Lampenputzergras und Riesen-Chinaschilf sowie Farne.
Hübsche Farbtupfer im Garten sind auch bunte Blumen aus Zwiebeln und Knollen, darunter so bekannte wie Hyazinthe, Krokus und Narzisse, Dahlie, Gladiole und Ranunkel.
Die Bedeutung der Bodendecker wird im Abschnitt "Teppiche aus Blättern und Blüten geknüpft: die Bodendecker" erläutert. Zu dieser Gruppe zählen beispielsweise Heidekraut, Katzenminze, Steinkraut, Thymian, Beinwell, Frauenmantel, Immergrün und Waldmeister.

In weiterer Folge werden ebenso umfassende Informationen über "Rosen - eine Gartenkönigin und ihr Hofstaat", dauerhaften Gartenschmuck in Gestalt von Ziersträuchern und Bäumen, Hausverkleidung aus Blättern und Blüten (Rank- und Schlingpflanzen sowie Spreizklimmer), Heckenpflanzen und Gartenteich geboten, bevor das Kapitel "Rasen - Blumenrasen - Blumenwiese" das Buch beschließt.

Im Anhang finden sich Bezugsquellen und Kontaktadressen sowie ein praktisches Stichwortregister.

"Der Bio-Garten" ist - meiner Meinung nach - DAS Gartenbuch schlechthin; sowohl nützlicher Ratgeber und interessante Lektüre als auch allgemeinbildendes Nachschlagewerk. Ein echter Klassiker eben!

(kre; 04/2002)


Marie-Luise Kreuter: "Der Bio-Garten"
BLV. ca. 313 Seiten.
ca. EUR 25,50.
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