Ode an Publius Vergilius Maro

Was dem sehnenden Gram Mäßigung oder Scheu
Um dies teuere Haupt? Singe, Melpomene,
Sing' uns Trauergesang, du, der zu Lautenton
Helle Stimme der Vater gab.
Also ewiger Schlaf deckt den Quintilius!
Dem holdselige Scham und der Gerechtigkeit
Schwester, lautere Treu, nackende Wahrheit auch,
Wann wohl einen ersehn, der gleicht?
Vielen Redlichen, ach, starb er der Thränen wert,
Doch beweinter denn dir keinem, Vergilius!
Zärtlich forderst umsonst du von den Himmlischen
Den nicht also geliehnen Freund.
Wie? wenn schmeichelnder als Thraciens Orpheus du,
Durch dein Saitengetön Bäume bewegetest;
Wie doch rötete Blut wieder ein Schattenbild,
Das mit schrecklichem Stab einmal,
Keinem frommen Gebet Schicksalentsiegeler,
Hin zur dunkelen Schar drängte Mercurius?
Schmerzhaft! Aber Geduld schaffet erträglicher,
Was zu wenden ein Gott verbeut.


(von Horaz;
aus dem Lateinischen von Johann Heinrich Voß)
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