Brigitte Minne, Carll Cneut: "Hexenfee"


Brigitte Minne, Jahrgang 1962, zählt zu den produktivsten Kinderbuchautorinnen in Belgien. Mehr als 100 Bücher sind bereits von ihr erschienen, von denen etwa ein Dutzend in den letzten zehn Jahren bei verschiedenen Verlagen auf Deutsch veröffentlicht wurden. "Hexenfee" ist das erste Buch von Brigitte Minne, das der Residenz-Verlag publiziert, übersetzt von der genialen Sprachkünstlerin Mirjam Pressler, ohne deren Übersetzungskünste viele wunderbare Bücher aus Belgien, den Niederlanden und Israel im deutschen Sprachraum unbekannt geblieben wären.

In "Hexenfee" geht es um die Fee Rosmarine. Sie bewohnt zusammen mit ihrer Mutter ein prächtiges Luftschloss mit goldenen Türmen. Zum Geburtstag bekommt sie einen Zauberstab. Rosmarine gefällt das gar nicht, sie hätte lieber ein Paar Rollschuhe bekommen oder auch ein Boot. Doch die Mutter ist dagegen; das Eine passt nicht zu einer Fee, und beim Bootfahren kann man ins Wasser fallen und sich schmutzig machen.
Das Feenleben ist schon anstrengend. Man muss immer lieb sein, Kuchen essen, ohne zu krümeln, Tee trinken, ohne zu kleckern, und sich vor allen Dingen nie einen Fleck auf die Kleider machen.

Rosmarine findet das alles zum Sterben langweilig, sie will keine Fee mehr sein, lieber eine Hexe. Denn die dürfen all das, was Feen strengstens verboten ist: sich schmutzig machen, schreien und laut lachen und vor allen Dingen: in einem Boot fahren. Als sie ihrer Mutter von diesem Ansinnen erzählt, erschrickt diese fürchterlich und ruft schnell alle anderen Feen zur Unterstützung herbei. Doch Rosmarine ist unbelehrbar, stampft mit den Füßen auf, lässt sich auch von der heftigen Drohung ihrer Mutter ("Dann kannst du nicht hier bleiben!") nicht beirren und geht alleine fort von zu Hause. Ihr Ziel: der Hexenwald.
Rosmarines Mutter denkt, sie wird wohl bald zurückkommen, denn für eine richtige Fee ist das alles nichts dort unten.

Doch die Mutter irrt sich gewaltig, und Rosmarine verlebt bei den Hexen, die ganz lieb zu ihr sind, eine herrliche Zeit. Sie lernt mit dem Boot zu fahren und auf einem Hexenbesen zu reiten. Doch dann will sie ihrer Mutter im Luftschloss zeigen, was sie alles kann und fliegt zu ihr. Die Mutter ist entsetzt, sagt ihr, dass sie stinke wie eine Hexe und sofort ins Bad solle. Doch Rosmarine will lieber noch weiter mit dem Besen fliegen. Wieder kommt sie so schnell nicht zurück, lernt bei anderen Hexen das Zaubern. Abends jedoch, kurz vor dem Einschlafen, denken sie beide aneinander, die Feenmutter und die Hexenfeentochter. Und die Mama hält es einfach nicht mehr aus und fliegt zum Hexenwald. Rosmarine freut sich, lädt ihre Mutter zum Übernachten in ihr Baumhaus ein. Und danach ist alles anders zwischen den beiden:
"Manchmal ist Rosmarine eine Hexe. Dann wohnt sie im Wald und fliegt mit dem Besen. Wenn Rosmarine eine Hexe ist, kommt Mama und schläft bei ihr im Baumhaus.
Mama ist verrückt nach Rosmarine und Rosmarine ist verrückt nach Mama. Rosmarine ist keine echte Fee und auch keine echte Hexe. Sie ist eine Hexenfee. Noch dazu eine sehr glückliche Hexenfee."

Ein wunderschönes Bilderbuch für kleine Prinzessinnen und kleine Prinzen und ihre Mütter, von Carll Cneut traumhaft schön illustriert. Ein Kinderleben besteht eben aus mehr als aus Wohlerzogenheit und Ordnung, so notwendig die auch sind. Das Abenteuer, der Dreck und das Sich-Ausprobieren gehören ebenso dazu. Auch wenn es den Müttern oft schwer fällt, derlei zu akzeptieren. Damals bei ihnen selbst - war es da nicht genauso?

(Winfried Stanzick; 07/2006)


Brigitte Minne (Text), Carll Cneut (Illustrationen): "Hexenfee"
Übersetzung aus dem Flämischen von Mirjam Pressler.
Residenz Verlag, 2006. 32 Seiten. (Ab 2 J.)
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