Ewart Reder: "Kleiderfarben"
Warum schreibt jemand heutzutage noch Lyrik? Antwort: Weil er etwas zu sagen hat.
In diesen Tagen, in denen
viele ihr Heil im Schreiben von Gedichten suchen, aber nur wenige tatsächlich
etwas zu sagen haben, hebt sich Ewart Reder mit seinem zweiten Gedichtband
"Kleiderfarben" angenehm von der besagten Übrigkeit ab. Und: dem Vorurteil, dass
Lyrik etwas Ausgefallenes ist und mit der Alltagswelt nur wenig zu tun hat, begegnet
der in Offenbach und
Frankfurt am Main
lebende gebürtige Berliner mit Lyrik, die
sich thematisch am Menschen und seinen Beziehungen zu anderen, aber auch zu seinem
Umfeld auseinandersetzt.
Das allein ist nicht neu; doch Reder geht mit
der Thematik erfrischend vielfältig um, verfügt dabei über einen eigenen, wohlgefälligen
Stil, der bisweilen verspielt anmutet. Kein Weltbild aus der viel zitierten
Froschperspektive
ist es, was er da entwirft, sondern ein Bilderbogen, der sich thematisch beeindruckend
geschlossen durch das ganze Buch zieht und dabei dem besagten Thema nachspürt.
Teilweise, insbesondere zu Anfang der Lektüre, mögen die Gedichte privat anmuten,
doch die Ableitung daraus ist oftmals erschreckend allgemeingültig und durchaus
politisch. Jedenfalls ist diese Verflechtung nicht nur gewollt, sondern gekonnt.
Souverän
arbeitet er aus der Materie seine Werke aus; er versteht sein Handwerk zweifellos.
Obgleich ich mir, insbesondere bei seinen Liebesgedichten, die eben so wunderbar
anders sind und die ich tatsächlich so noch nicht las, stellenweise angemessenere
Zartheit in der Sprache gewünscht hätte - dennoch entstehen imponierende Bilder.
Manche Brüche in den Gedichten irritieren den Leser und bringen sein (hohes?)
Ross zum Straucheln, sodass man gelegentlich der Vorstellung erliegen könnte,
dass der Verfasser schadenfroh hinter einem Vers hervor lugt und lächelt
selbstredend wie ein Schalk und sich freut, dass er den Leser gefoppt hat (Beispiel:"
Wiedervereinigung"). Nichts an seinen Worten wirkt leer, nichts gesucht oder konstruiert,
wenngleich manchmal etwas weniger mehr gewesen wäre, denn Ewart Reders größtes
Können liegt in seinen kurzen Texten, dann, wenn er sich selbst zügelt und sich
auf die knappe Dichtheit seiner Sprache beschränkt, hervorragend gelungen
in "Telefonat" und "Im schwarzen Jackett".
"Kleiderfarben" - ein solider Lyrikband, der einen Lyriker zeigt, der sich nicht völlig vergeistigt in seinen Elfenbeinturm zurückzieht, sondern präsent ist, wo es etwas zu erleben gibt. Ewart Reder beobachtet genau. So gelingen anspruchsvolle Lyrikbände eines Dichters, der etwas zu sagen hat.
(Gerd Berghofer; 07/2002)
Ewart Reder: "Kleiderfarben"
Gedichte.
Axel Dielmann Verlag, Frankfurt. 77 Seiten.
ISBN 3-933974-28-3.
ca.
EUR 12,-.