Manil Suri: "Shiva"
Das
Porträt einer Mutter
Ausgangspunkt von Manil Suris "Shiva" (nach dem grandiosen
Debüt "Vishnus
Tod" sein zweiter Roman) ist der Mythos von Parvati, die
sich, von Shiva, dem Gott des Tanzes, zu oft allein gelassen, ihren
Sohn erschafft, um in Shivas Abwesenheit nicht mehr allein zu sein. Ein
Mythos, der sich in vielen hinduistischen Mythologien wiederfindet, wie
auch die Geschichte der Entstehung von Ganeshs Elefantenkopf. Von
diesem Andhaka-Mythos gibt es viele Fassungen. Manil Suri bezieht sich
auf die Variante "Mahabhagavata Purana" (die von R. K. Narayan
wunderbar nacherzählt wurde), in der Andhaka seine Mutter
Parvati begehrt.
Manil Suri erschafft sich mit Meera seine Parvati, die sich mit 17 in
den Freund ihrer Schwester verliebt und ihr diesen, als sie bemerkt,
dass ihre Schwester ihn nie heiraten wird, weil er aus einer zu armen,
zu konservativen Familie kommt, abspenstig macht. Dev hat gerade einen
Gesangswettbewerb gewonnen und träumt von einer Karriere in
Bombay. Widerspenstig stimmt Meeras Vater der Hochzeit zu, und Meera
zieht aus Delhi zu ihrem Mann und seiner Familie in ein kleines Dorf.
Spannungen zwischen ihr und der Schwester Devs, sowie zwischen ihr und
der Frau ihres Schwagers, die später ihre Freundin wird,
bestimmen die erste Zeit, in der sie sogar einen halbherzigen
Fluchtversuch wagt. Ein Angebot ihres liberalen, jedoch
widersprüchlichen Vaters, dem jungen Paar das Leben und die
Chance in Bombay zu ermöglichen, lehnt sie in einer komplett
irrationalen Aktion durch Nichtachtung einer Bedingung des Vaters ab,
obwohl vorher mit ihrem Mann alles geklärt war. Durch die
daraus resultierende Enttäuschung Devs, der seine vermeintlich
letzte Chance auf eine Karriere als Sänger schwinden sieht,
tauchen weitere dunkle Wolken über dem jungen Glück
auf. Als Meera schwanger wird, mischt sich ihr Vater wieder auf
verhängnisvolle Art und Weise in ihr Leben ein, indem er Dev
und Meera soweit manipuliert, dass beide aus verschiedenen
Gründen einer Abtreibung zustimmen, obwohl es dafür
eigentlich schon zu spät ist.
In der harten Realität von Bombay angekommen, versucht Dev
seine erfolglosen Bemühungen und die zunehmende Frustration in
Kneipen und mit Alkohol zu verdrängen, während Meera
auf Wunsch des Vaters ein Studium abschließt. Mit dem Diplom
in der Tasche begehrt Meera bei ihrem Vater auf und erzwingt so die
Erlaubnis, ein Kind zu bekommen. Ihr Sohn Ashvin wird zum Zentrum ihres
Lebens. Betrübt beobachtet sie die sich anbahnende gute
Vater-Sohn Beziehung, bis es eines Abends zu Handgreiflichkeiten kommt
und Dev aus Scham vor seinem Sohn das Haus verlässt und in den
in dieser Nacht stattfindenden Unruhen getötet wird.
"Es heißt, man durchläuft nach einem
Todesfall vier Stadien der Trauer, oder vielleicht sind es auch
fünf. Ich machte eine andere Erfahrung. In den Wochen nach
Devs Tod war ich von einer Scharfsinnigkeit, einer geistigen Klarheit,
wie ich sie nie zuvor gekannt hatte. Es war, als hätte ein
frischer Wind vom Ozean hereingeweht und die jahrelange
Bewölkung fortgeblasen."
Ohne vom Tod ihres Mannes besonders betrübt zu sein,
lässt sie sich fast auf eine Heirat mit ihrem verwitweten
Schwager ein. Dass sie das doch nicht will, fällt ihr erst im
Moment einer leidenschaftlichen Szene ein, was natürlich zu
Komplikationen führt.
Die Befreiung, die diese Worte ausdrücken sollen, wirkt im
Kontext der bisherigen Handlung und Entwicklung der Ereignisse, die
sehr durch Meeras Inkonsequenz verursacht wurden, fehl am Platz. Eine
ähnliche Reaktion entfacht der Tod ihres Vaters viele Jahre
später.
Vor der Kulisse der politischen und geschichtlichen
Umwälzungen in Indien lässt Manil Suri seine
Protagonistin eine leidenschaftliche Geschichte erzählen, eine
Geschichte, die sie ihrem Sohn erzählt, der nun auf einem
Internat weit weg von ihr ist.
Manil Suri ist ein eindeutig ein geborener Erzähler. In
"Shiva" ist die Geschichte Meeras nach Meinung des Rezensenten jedoch
zu aufgebläht, zu dick und üppig instrumentiert. Die
Devise "weniger ist mehr" hätte hier mehr gebracht.
Während zum Beispiel
Salman
Rushdies oder Rohinton Mistrys
Romane auf knapp 500 Seiten oft Jahrhunderte umspannen, eine fast
unüberschaubare Menge an Familien und Personal verwenden und
zusätzlich das Land Indien als einen ebenbürtigen
Protagonisten einführen, ebenbürtig im Sinne einer
unaustauschbaren Verbindung der Figuren und ihrer Entwicklung mit dem
Land, bleibt Indien in "Shiva" leider nur Kulisse. Kulisse für
die Erzählung einer starken und sehr eigenwilligen Frau, deren
sehr einschneidende und fast willkürliche Entscheidungen
persönliche Katastrophen herbeiführen. Situationen,
die mit etwas weniger Willkür, oder rechtzeitigem Einlenken
bzw. Nachdenken, leicht hätten vermieden werden
können.
Natürlich ist Fiktion die Frucht der Imagination, daher haben
alle literarischen Figuren eine Daseinsberechtigung, egal ob sie Colin
und Chloe, Anna
Karenina, Marlowe oder
Raskolnikoff
heißen.
Überzeugen müssen sie die Leserschaft; auch eine
irrationale Handlungsweise kann literarisch überzeugend sein.
Meeras permanentes Fluktuieren wird, wie zum Beispiel in ihrem
Verhältnis mit Devs Bruder und dem daraus entstehenden Eklat,
als Mittel zum Zweck bewusst eingesetzt, quasi als Verwirrung stiftende
Maßnahme. Zu oft verwendet, vermittelt Meera dadurch einen
kläglichen und künstlichen Eindruck, der durch eine
übertrieben kitschige und unglaubwürdige Szene der
Begehrung Meeras durch Ashvin und den kurz vor dem Ende voraussehbar
verhinderten Suizid beim Rezensenten nur mehr zu Staunen
geführt hat.
Nachdem Meera Ashvin verbietet, sie mit seinen 15 Jahren weiter auf den
Mund zu küssen und er beleidigt und getroffen ist, umarmt ihn
Meera. "... im nächsten Moment sah ich, dass du die
Bluse beiseite geschoben hattest und mit dem Mund meine Brust
liebkostest. Bevor ich aufstehen konnte, schlangst du die Arme um mich
und hieltst mich fest ... Speichel floss aus deinem Mund auf meine
Haut, deine Kraft überraschte mich. Du warfst den Kopf
zurück und holtest mit offenem Mund tief und stöhnend
Luft. Ein Schluchzer brach aus deiner Kehle, du lockertest den Griff
und hörtest auf zu schaukeln ... Du sprangst von mir herunter,
auf deiner Hose war ein nasser Fleck ..."
In ähnlichem Tonfall wird schon auf den ersten Seiten des
Romans auch das Stillen des Kleinkinds Ashvin beschrieben. Ich verstehe
den mythologischen Ursprung dieser inzestuösen Begehrung,
finde aber die Ausführung doch zu plakativ.
Dass die Toten weiter mit Meera in Verbindung stehen und ihre
Handlungen zum Teil mitlenken, ist eine kleine Randbemerkung.
Manil Suri entgeht in schlafwandlerischer Sicherheit keiner billigen
literarischen Falle und lässt Meera am Ende sogar zum Wohle
Indiens eine Lehrausbildung machen, um in Abwesenheit ihres Sohnes
einen Sinn im Leben zu finden. Er erlaubt diesem Roman sogar einen
moralisierenden Schluss.
"Shiva" ist leicht lesbarer Lesestoff und ein Roman, der
möglicherweise sogar Verkaufsschlagerqualitäten hat.
Ein Roman, der annähernd 40 Jahre der Geschichte Indiens
umspannt, dessen Schauplätze Delhi, Bombay, das Heimatdorf
Devs, sowie die Flüchtlingsstrecke zwischen Pakistan und
Indien sind; der aber viel zu wenig nach Indien schmeckt und riecht.
"Shiva" ist ein Frauenporträt, das auf den Rezensenten etwas
künstlich, konstruiert, unglaubwürdig und
parfümiert wirkt.
(Roland Freisitzer; 10/2009)
Manil
Suri: "Shiva"
(Originaltitel "The Age of Shiva")
Deutsch von Anette Grube.
Luchterhand Literaturverlag, 2009. 496 Seiten.
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Sudhir Kakar.
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Wesentliche über die fünf wichtigen Religionen
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Feste, und er wird Zeuge von eindrücklichen Begegnungen mit
Heiligen und
Asketen. (Gerstenberg)
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Wolf-Dieter
Storl: "Shiva. Der wilde, gütige Gott"
Shiva, "der Gütige", ist nicht nur einer der vielen
Götter. Er ist
der Gott der Götter, der Urgrund alles Seins, die letzte und
einzige
Wirklichkeit. Die Welt und alle ihre Geschöpfe entspringen
seiner ekstatischen
Meditation. Die unendliche, immer wandelnde Vielfalt der
Schöpfung ist seine
Shakti, seine weibliche Schöpferkraft. So sehr liebt er sie,
so sehr betört
und fasziniert sie ihn, dass er sich vollständig in sie
hineinergießt. Auf
diese Weise west Shiva in allen Wesen. Als Stein ruht er in tiefer
Stille. Als Mücke,
als Fisch, als Vogel tanzt er den Tanz des Seins und schlägt
selber die Trommel
dazu. Als Raubtier streift er durch die Wälder. Als Kraut,
Baum und grüner
Halm, der im Sonnenlicht badet, genießt er die Welt. Als Mann
und Frau in
Liebeswonne, als Schamane im Geistesflug, als Ich und als Du -
überall ist er.
Es gibt nur ihn, und deswegen ist alles heilig, alles verehrens- und
liebenswert.
Wie ein Kind, das sich in seinem Spiel verliert, verliert sich Shiva in
seiner
Lila, seiner tanzenden Shakti. So kommt es, dass viele
Geschöpfe - insbesondere
jene, die in menschlicher Gestalt auf Erden leben - ihr wahres
Shiva-Wesen
vergessen. Ihr Spiel wird todernst. Gefangen sind sie in Illusion und
Wahn
(Maya). Doch dann kommt Shiva, ihr eigentliches Selbst, daher und
befreit sie
von dem Wahn, und lässt sie wieder in die universelle Wonne
eintauchen.
Von diesem Shiva, wie er in der Vision indischer Weiser und Seher
gesehen wurde
und wie er verehrt wurde, wird hier erzählt. Auch von dem
Kraut, das er vor
allem liebt, von Ganesh, dem mächtigen Elefanten, und von
Nandi, dem weißen
Stier, von Shivas weiblicher Gestalt als Parvati, der Mutter des
Universums, vom
Berg Kailash, von
Ego-Dämonen, die uns in leidvollem Wahn
verfangen und vielen
anderen Wunderwesen wird erzählt. (Nachtschatten)
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Wolf-Dieter Storl:
"Bom Shiva. Der ekstatische Gott
des Ganjas"
Shiva, der indische Schutzhüter des Hanfes,
verkörpert wie kein anderer Gott
den Rausch, die Ekstase und die Lust am Leben als solches.
Über Shiva ist relativ wenig geschrieben worden. Er offenbart
sich weniger auf
Papier, als dass er in den Herzen derjenigen lebt, die ihn lieben. Ja,
ihr Leben
selber, mit all seinen irdischen Nöten und Freuden, ist seine
"Schrift". Seine Geschichten werden vor allem gelebt im
Lebensschicksal der Geschöpfe; sie werden mündlich
weitergegeben und in
Bildern und Gesängen dargestellt.
Der Autor erzählt in diesem Buch die schönsten
Geschichten von Shiva und
seinem
Lieblingskraut - ein berauschendes Lesevergnügen.
(Nachtschatten)
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Vinod
Verma: "Shivas
Geheimnis. Das ayurvedische
Heilwissen für Gesundheit und Verjüngung"
Das Heilwissen des
Ayurveda
- in der lebendigen Farbenpracht Indiens.
Shiva ist der Gott der Zeit. Das alte indische Heilwissen ist eng
verbunden mit
seinen Energien. Das Geheimnis von Gesundheit und einem langen Leben
besteht
darin, in Harmonie mit dem kosmischen Rhythmus zu leben, mit dem
eigenen
Lebensalter, der Tageszeit, der Jahreszeit. Vinod Verma
entschlüsselt diese
Prinzipien aus alten vedischen Texten und leitet aus Shivas
sagenumwobenen
Geschichten konkrete Tipps und Rezepte ab, um den Körper zu
entgiften, zu verjüngen
und wieder in ein harmonisches Gleichgewicht zu bringen. (Nymphenburger)
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Bettina
Bäumer (Hrsg.):
"Vijñana Bhairava. Das
göttliche Bewusstsein"
Vijñana Bhairava ist eines der ältesten und
bedeutendsten Tantras des
kaschmirischen Shivaismus. Der Text lehrt "die Erkenntnis
(Vijñana) des
Göttlichen (Bhairava, ein Name Shivas, auch das Absolute)"
in 112
Meditationen, die von der Atemkonzentration bis zu
alltäglichen oder außergewöhnlichen
Erlebnissen reichen und alle Dimensionen der menschlichen und
spirituellen
Erfahrung einschließen. Die vorliegende Edition
enthält eine Neuübersetzung
aus dem Sanskrit sowie ausführliche Kommentare zu einem der
frühesten
Weisheits- und Inspirationsbücher. (Verlag der Weltreligionen)
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Ulf
Diederichs (Hrsg.): "Indische Märchen und
Götterlegenden"
Eine Auswahl dreitausend Jahre alter Erzählkunst, die mit
Weisheit und Fantasie
den Leser zu verzaubern weiß und in eine
märchenhafte, exotische Welt entführt.
Aus dem reichen Erzählschatz Indiens, dem "Kontinent der
Märchen",
versammelt dieser illustrierte Band in sechzehn Kapiteln die
klassischen Märchensammlungen
mit ihren weisen und schönen Geschichten. Seit dreitausend
Jahren berichten
sich die Menschen dort von Göttern und anderen Helden: so von
den Liebespaaren
Rama und Sita, Krishna und Radha, vom Adler Garuda, der den
Unsterblichkeitstrank holte, vom sprunggewaltigen Affen Hanuman und vom
hochverehrten Überwinder der Hindernisse, dem Elefantengott
Ganesha, um nur
einige zu nennen.
Auch Kenner entdecken hier noch Unbekanntes - und zudem seltsam
Vertrautes,
ausgerechnet in den fantastischen Erzählungen eines
Leichendämons. Wer sich in
Indiens Märchen vertieft, erfährt viel über
Religion und Alltag, über den Götterhimmel
und über den großen Erfahrungsschatz dieses
traditionsreichen Volkes. (dtv)
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Hans Wolfgang Schumann:
"Die großen Götter
Indiens. Grundzüge von Hinduismus und Buddhismus"
Das Buch befasst sich ausführlich mit den beiden
großen Religionen Indiens:
dem Hinduismus
und dem Buddhismus.
Es beschreibt kompakt und
präzise ihre
religiösen Grundlehren - die Unterschiede und die
Gemeinsamkeiten. Das Buch
zeigt alle beschriebenen Götter und Buddhas und
erläutert sie ikonografisch.
Es vermittelt ein Basiswissen sowohl für
Asienreisende,
die
Indiens
faszinierende Kultur begreifen wollen, als auch für Menschen,
die in indischen
Religionen Orientierung für ihr Leben suchen. (Diederichs)
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