Nadja Klinger: "Über die Alpen"
Reisebericht
Ein Reisetagebuch der
besonderen Art
Wie oft wurden die Alpen seit Hannibals Zeiten schon über- bzw.
durchquert, und wie oft ist dies anschließend auch dokumentiert worden?
Unzählige Male. Mit alpiner Reiseliteratur könnte man mittlerweile ganze
Regalwände füllen. Was also mag man von einem Buch wie diesem Anderes
erwarten, als dass jemand auf ausgetretenen Pfaden durch dieses
zentraleuropäische Gebirge stapft, hin und wieder einmal in eine
Klischeefalle tappt und mit schwärmerischer Emphase seine Reiseeindrücke
zum Besten gibt?
Doch weit gefehlt! Nadja Klinger offeriert ihren Lesern mit ihrem Buch
eine durchweg überzeugende Ansammlung von eigenen Erlebnissen,
Eindrücken, Hintergründen, Daten, Fakten und Ideen, die alpines
Lebensgefühl in all seinen Schattierungen berühren, in seiner ganzen
Vielfalt wird der Alpinismus vor dem Leser aufgefächert. Für jedes
Problem, das sich in den Alpen stellt, hat die Autorin - und sei es nur
im flüchtigen Detail - einige Fakten und Denkanstöße parat. Unter den
mannigfachen Aspekten, die sie zur Diskussion stellt, liegt ihr ganz
besonders das Umweltproblem am Herzen, da legt sie dann gern den Finger
in die zahlreichen Wunden alpiner Gegenwart, trotzdem sind ihre
Darlegungen frei von Tendenziösem.
Nadja Klinger hat sich vor dem Antritt ihrer Reise bestens vorbereitet
und in aller Gründlichkeit recherchiert. Mit der gebotenen Schärfe weiß
sie die Probleme, die sich in den Alpen stellen, zu belichten. Und nicht
nur das zeichnet dieses Buch gegenüber anderen Reiseführern aus. Mit
lakonischen, konzisen, aber immer auf den Punkt kommenden Beschreibungen
skizziert die Autorin Landschaften, Tiere und Menschen in den Alpen.
Dennoch ist alles, was sie schreibt, von lebendigem Ausdruck.
Entstehungsgeschichte und geologische Beschaffenheit der Alpen werden
genauso angesprochen wie ihre Fauna und Flora. Die besonderen
Lebensbedingungen in den Alpen, die Extreme, denen die Menschen dort
ausgesetzt sind, Vieh- und Weidewirtschaft, Verkehrsprobleme etc. werden
ausführlich im Buch abgehandelt. Alpine Gefahren und wie man ihnen am
besten begegnet werden aufgezeigt. Und auch die Kultur kommt nicht zu
kurz. Die Alpen waren seit jeher Inspirationsquelle für zahlreiche
Literaten, Künstler und Musiker, Nadja Klinger führt einige Beispiele
an. Und selbstverständlich wurden auch die Mythen der Alpen nicht
vergessen.
Treue Begleiterin Nadja Klingers auf ihrer Alpenüberquerung war ihre
Freundin Heidi. Gemeinsam durchquerten sie das Gebirge im Spätsommer des
Jahres 2009 (selbstverständlich zu Fuß) vom nördlich gelegenen Bodensee
zum südlichen Lago di Como. "Wir sind keine Touristen", erklärt
die Autorin nicht ohne Stolz, und es wird keinen einzigen Leser geben,
der ihr das nicht abnimmt. Den typischen Touristen charakterisiert sie
wie folgt: "Touristen sind, selbst wenn sie nur zu zweit kommen,
immer viele. Sie reden laut, weil sie wissen, dass sie etwas wert
sind. Sie sind ein Produkt." Für Touristen dieser Kategorie, die
den Komfort der 4- und 5-Sterne-Hotels genießen, erfüllt das Gebirge
dann tatsächlich nur noch den Sinn eines dekorativen
Hintergrundgemäldes. Und was sagte Kurt
Tucholsky zur Zugspitze und den Scharen von Besuchern, die dank
moderner Technik bequem auf den Gipfel kommen können: "Der Berg ist
kein Berg mehr. Entzaubert, von seinem Thron jäh heruntergeholt, eine
Plattitüde von dreitausend Metern." Ebenfalls ein strittiges Thema
ist der Sport in den Bergen. Auch für die meisten Skifahrer fungiert das
Gebirge lediglich als Mittel zum Zweck, für die Geländeradfahrer
sowieso. Zur Hochkonjunktur für Klettersteige, die immer extremere
Ausmaße annimmt, meint Nadja Klinger: "Aus Bergen werden Gerüste.
Felsberührung verboten." Und der des Öfteren zitierte
Alpenforscher Werner Bätzing formuliert: "Die Alpen werden zum
Sportgerät. Der Alpentourismus
zieht sich aus der Natur zurück."
Nadja Klinger ist mit ihrem Buch "Über die Alpen" ein anerkennenswertes,
informatives und auch sprachlich überzeugendes Werk gelungen, dem man
weite Verbreitung wünschen darf.
(Werner Fletcher; 10/2010)
Nadja Klinger: "Über die Alpen.
Reisebericht"
Rowohlt Berlin, 2010. 320 Seiten.
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Nadja Klinger, geboren 1965,
studierte Journalistik in Leipzig und lebt als freie Journalistin und
Autorin in Berlin. Sie schreibt vor allem Porträts und große Reportagen.
Weitere Buchtipps:
Martin Prinz: "Über die Alpen. Von Triest nach Monaco - allein zu Fuß
durch eine bedrohte Landschaft"
Zu Fuß auf dem Roten Weg durch die Alpen - das ist immer noch eines der
großen Abenteuer
im Herzen Europas. Martin Prinz machte sich im Juni 2008 in
Triest auf, um in 161 Tagesetappen 2500 Kilometer bis nach Monaco
zu wandern. Allein überquerte er mehrmals den Alpenhauptkamm, passierte
44-mal nationale Grenzen, stieg bis ins hochalpine Stockwerk - Witterung
und Unwägbarkeiten ausgesetzt. Im persönlichen Erleben öffnet sich eine
Welt, die vom Menschen als Kulturlandschaft einst zugänglich gemacht
wurde, doch heute weit schneller verschwindet, als es unser Blick auf
das größte Fremdenverkehrsgebiet der Erde wahrhaben will. So führt diese
Reise in eine Wirklichkeit,
deren Erzählung den Leser ebenso wie den Wanderer nicht loslässt. (C.
Bertelsmann)
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Christian
Brandstätter (Hrsg.): "Mythos Alpen. Die Welt von gestern in Farbe"
Die Faszination der Alpen ist bis heute ungebrochen. Bereits seit dem
Beginn des 19. Jahrhunderts reiste, wer es sich leisten konnte, in
diese großartige Hochgebirgslandschaft. Die bislang
unveröffentlichten, bereits zu ihrer Entstehungszeit von Aquarellisten
kolorierten Glas-Diapositive aus den Beständen des Österreichischen
Volkshochschularchivs in diesem Band stammen aus der Zeit zwischen
1900 und 1925 und werfen einen nostalgischen Blick auf die
Alpenländer.
Die Fotografien entführen in eine Zeit, als man zur Sommerfrische in
die Berge fuhr und der Wintersport noch den Hauch des Exklusiven
hatte. Unerschrockene Alpinisten suchten in steilen Felswänden das
Abenteuer, erste Passstraßen und Zahnradbahnen machten die Alpen auch
für weniger Wagemutige zugänglich und erschlossen überwältigende
Panoramablicke, atemberaubende Wasserfälle, stille Bergseen und
abgelegene Bergdörfer. Die Bilder in diesem Buch lassen die
Faszination erahnen, die mit der abenteuerlichen Eroberung der Felsen-
und Eismeere verbunden war und geben zugleich Zeugnis einer
Ursprünglichkeit, die heute vom Verschwinden bedroht ist.
(Brandstätter Verlag)
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Andreas Strauß,
Eugen E. Hüsler: "Alpen. Das bedrohte Paradies"
Die Alpen sind ein vielfältiges, artenreiches Naturparadies von
unglaublicher Schönheit. Doch wie viele menschliche Eingriffe verträgt
dieser
Garten Eden? Dieser Bildband unterstreicht mit traumhaften Fotos
zum einen die Majestät der Bergwelt, offenbart aber auch die Folgen
der Eingriffe in die Natur. Probleme aufzuzeigen, ohne Resignation
hervorzurufen - diese Gratwanderung gelingt Autor und Fotograf auf
wunderbare Art und Weise. (Bruckmann)
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Matevž
Lenarčič: "Die Alpen"
Die Alpen hautnah erleben: Dieser im wahrsten Sinne des Wortes
gewichtige Bildband, der unter der Schirmherrschaft der "UNESCO"
entstand, zeigt die Alpen in beeindruckenden neuen Panoramafotos aus
der Luft. 250 exzellente Aufnahmen, davon 200 auf Doppelseiten,
porträtieren die gesamte Alpenregion.
Die Alpen sind nach dem Mittelmeerraum das zweitgrößte Ökosystem
Europas. Sie bilden eine einmalige geografische und geologische
Einheit und umfassen dennoch Gebiete, die kulturell und klimatisch
völlig unterschiedlich sind. Acht Millionen Menschen aus acht Nationen
bevölkern diese Region heute. Sie sprechen acht verschiedene Sprachen
und außerdem viele lokale Dialekte.
Der Bergsteiger, Pilot und Profifotograf Matevž Lenarčič hat die 1200
Kilometer zwischen Monaco und Wien vom Ultraleichtflugzeug aus in
atemberaubenden Luftaufnahmen eingefangen und zeigt dabei die Vielfalt
dieser Region: den Seenreichtum der Ostalpen, die beeindruckende
Gebirgskette der Hohen Tauern, die schroffen Felsen des Karwendel, die
imposanten Gletscher des Wallis, die Gebirgskämme der Dolomiten und
die Schluchten der Gorges du Verdon. Vervollständigt wird dieses
Porträt durch äußerst informative Textbeiträge verschiedener Experten
zur Bedeutung der Alpen als Wasserreservoir, als Lebensraum für eine
riesige Vielfalt von Pflanzen und Tieren, zu den Auswirkungen der Klimaerwärmung,
zum alpinen Tourismus und den Folgen. Sie erläutern das spannende
Zusammenspiel zwischen Bevölkerung und Naturraum und zeigen auf, wie
eine nachhaltige Nutzung des Alpenraums ein harmonisches Miteinander
von Mensch und Natur gewährleisten kann.
Dieses einzigartige Werk zieht den Leser in den Bann der
faszinierenden Bergwelt und nimmt ihn mit auf den Flug vom Allgäu bis
zur Côte d'Azur und von den französischen Alpen bis weit in den Osten.
(Delius Klasing)
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