(...) Für Abraham schien eine vom Himmel her kommende Stimme nichts Außergewöhnliches zu sein. Für Moses ist es ein Wunder, eine irrationale und folglich etwas suspekte Angelegenheit. Es kommt für ihn also nicht in Frage, "mit geschlossenen Ohren" zu gehorchen.
Moses will wissen, mit wem er es zu tun hat. Er will den Namen dessen erfahren, der hier spricht. Der rätselhafte Beweis, den ihm der Ewige liefert, ein brennender Dornbusch, den die Flammen jedoch nicht verzehren, genügt ihm nicht. Er fragt:
- "Siehe, wenn ich zu den Söhnen Israel komme und ihnen sage: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt, und sie mich fragen: Was ist sein Name?, was soll ich dann zu ihnen sagen?"
Die Antwort ist erstaunlich: "Ich bin, der ich bin" (Ex 3,13-14).
In einer freien Übertragung könnte man das wie folgt lesen: "Mein Name ist Ohne-Name."
Philososphie wie Psychoanalyse haben uns gelehrt, daß die Tatsache, ein Ding oder eine Person zu benennen, darauf hinausläuft, ihnen in unserer intelligiblen Welt eine Existenz zu verleihen. Zudem erlaubt uns der Name insbesondere in unseren Beziehungen zum Anderen, dessen Geheimnis und Unterschiedlichkeit zu begrenzen, und ihn uns letzten Endes anzueignen. Nun beruht aber die ganze Besonderheit, das ganze Geheimnis und die ganze Macht des Ewigen eben darauf, daß Er außerhalb unseres Blicks und unserer Wahrnehmung existiert: Er ist schlicht und einfach.


(aus "Alles beginnt mit Abraham" von Marek Walter
Zsolnay Verlag)