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"Ist", fragte Kreisler gespannt, "ist denn die jetzt in Gefahr
gekommen?" -
"Domine", sprach Pater Hilarius leise, indem er Kreislern vertraulich
näher rückte, "Domine dilectissime! Ihr seid lange genug bei uns, um zu
wissen, in welcher Eintracht wir leben, wie sich die verschiedensten
Neigungen der Brüder einer gewissen Heiterkeit einigen, die von allem,
von unserer Umgebung, von der Milde der Klosterzucht, von der ganzen
Lebensweise begünstigt wird. - Vielleicht hat das am längsten gedauert.
Erfahrt es, Kreisler! Eben ist Pater Cyprianus angekommen, der längst
erwartete, der von Rom aus dem Abt auf das dringedste empfohlen wurde.
Es ist noch ein junger Mann, aber auf diesem ausgedörrten starren
Antlitz ist auch nicht eine Spur eines heitern Gemüts zu finden,
vielmehr liegt in den finstren abgestorbenen Zügen eine unerbittliche
Strenge, die den bis zur höchsten Selbstqual gesteigerten Asketiker
verkündet. Dabei zeugt sein ganzes Wesen von einer gewissen feindseligen
Verachtung alles dessen, was ihn umgibt, die vielleicht wirklich dem
Gefühl einer geistlichen Übermacht über uns alle ihren Ursprung
verdamken mag. - Schon erkundigte er sich in abgebrochenen Worten nach
der Klosterzucht und schien großes Ärgernis an unserer Lebensweise zu
nehmen. - Gebt acht, Kreisler, dieser Ankömmling wird unsre ganze
Ordnung, die uns so wohl getan, verkehren! Gebt acht, nunc probo! Die
Strenggesinnten werden sich leicht an ihn anschließen, und bald wird
sich eine Partei wider den Abt bilden, der vielleicht der Sieg nicht
entgehen kann, weil es mir gewiß scheint, daß Pater Cyprianus ein
Emissär Sr. päpstlichen Heiligkeit ist, dessen Willen sich der Abt
beugen muß. - Kreisler, was wird aus unserer Musik, aus Eurem
gemütlichen Aufenthalt bei uns werden! - Ich sprach von unserm
wohleingerichteten Chor, und wie wir die Werke der größten Meister recht
wacker auszuführen imstande, da schnitt aber der finstre Asketiker ein
entsetzliches Gesicht und meinte, dergleichen Musik sei für die profane
Welt, aber nicht für die Kirche, aus der sie der Papst Marcellus der Zweite mit Recht ganz
verbannen wollte. - Per diem, wenn es keinen Chor mehr geben soll und
man mir vielleicht auch den Weinkeller verschließt, so - doch vor der
Hand bibamus! - Man muß sich vor der Zeit keine Gedanken machen, ergo -
gluc-gluc."
Kreisler meinte, daß es sich wohl mit dem neuen Ankömmling, der
vielleicht strenger schiene, als er es wirklich sei, besser fügen und er
seinerseits nicht glauben könne, daß der Abt bei dem festen Charakter,
den er stets bewiesen, so leicht dem Willen eines fremden Mönchs
nachgeben werde, zumal es ihm selbst an wichtigen, erfolgreichen
Verbindungen in Rom gar nicht fehle.
In dem Augenblick wurden die Glocken gezogen, ein Zeichen, daß die
feierliche Aufnahme des fremden Bruders Cyprianus in den Orden des
heiligen Benedikt vor sich gehen solle.
Kreisler begab sich mit dem Pater Hilarius, der mit einem
halbängstlichen "bibendum quid" noch die Neige seines Römers schnell hinunterschluckte, auf den
Weg nach der Kirche.
(...)
(aus "Lebensansichten des Kater Murr" von E.T.A. Hoffmann)