Norden
Zeitgenössische Kunst aus Nordeuropa

26. Mai bis 17. September 2000

Vom Wiederfinden der Freiheit in geschlossenen Räumen


Diesmal in der Halle, wo die ausgestellten Objekte regelmäßig der Gefahr ausgesetzt sind, von der reflektierten Leere infiziert zu werden: "Zeitgenössische Kunst aus dem Norden". Mutig; zumal in den Sommermonaten viele Kunstgenießer lieber antike Kunst aus dem Süden beäugen, und auch das Plakat (Passfoto eines Elchs auf babyblauem Untergrund) lässt keineswegs die Freude am Gestalten und die Daseinslust ahnen, die in der Ausstellung spürbar sind. Wer von uns würde wohl vergleichsweise an einem Werbesujet für eine repräsentative Ausstellung Gefallen finden, das einen Gamsbart auf Forstgrün zeigt, mit der sinnigen Ankündigung "Zeitgenössische Kunst aus dem Zentrum"?

So begegnen schlicht jene, die Freude an der bewussten Wahrnehmung des Ungekünstelten haben, Exponaten mit Eigenleben und man täte der Ausstellung Unrecht durch die, auf den ersten Blick scheinbar zutreffende, oberflächliche Etikettierung "banal".

Vorweg zwei durchaus ernstgemeinte Tipps: Die Vielfalt nicht im Alleingang erkunden, es handelt sich um erlebbare, dialoganregende Gegenstände , Videos, Bilder. Und: Mit der Bereitschaft zum kindlichen Empfinden auf die Werke zugehen und den Gedanken Raum geben.

Das Auftauchen in Panoramabildschleifen, die aber erst so richtig wirken, wenn man die Hängekonstruktionen zum Schwingen bringt (was selbstverständlich untersagt ist), hinterlässt neben dem, von gemütlichen Liegeplätzen im Halbdunkel aus die Szenerie auf der Straße oder die Insassen der Nebenkabine beim Schauen Beobachten bleibende Eindrücke. Letzteres ist auch ohne die, wahlweise via Kopfhörer einsickernden, "Hörbilder" amüsant, weil Kampfgeschrei aus Frauenkehlen von einer Nachbarinstallation herüberquillt und insbesondere die Aufmerksamkeit männlicher Kunstliebhaber gefangen nimmt. Weiters durchaus kontaktfördernd: Beim Eintritt in düstere Videokammern anderen Ausstellungsbesuchern auf die Zehen treten. Nachteil: Es ist von außen nicht abschätzbar, wer sich hinter dem Vorhang in der Finsternis aufhält...

Eine Wurstscheibe jenseits des Ablaufdatums hat als Sonnensymbol in einer Kollage aus dem Jahr 1969 die Jahrzehnte überdauert, skurrile Zeichnungen und flächendeckende Fotos schmücken die Wände. Sie bilden beispielsweise landschaftliche Eintönigkeit, Gebrauchsgegenstände und Menschen ab. Witzig ist daran einerseits der spielerische Umgang mit Motiven und Materialien, andererseits der simple Gegensatz zur betäubenden Welt des zwanghaft Makellosen.

Man tritt gleichsam in das unmittelbare Haben und Sein der Kunstschaffenden ein und kehrt mit der Ahnung, etwas wieder- oder zumindest dazu gewonnen zu haben, aus der Halle in die ringsum gelebte Künstlichkeit zurück.

Ja, wo wäre wohl der ewige Norden? Nicht zu verwechseln mit dem ewigen Eis. Das ist in Ihnen - wenn es denn in Ihnen ist.

(kre)


"Wenn vom Norden Europas die Rede ist, dann prägen meist Gedanken an menschenleere Landschaften, an stille Einzelgänger, an Elfen, Trolle und Waldschraten das Bild. Auch in der Kunst wurden Natur und Mythen lange Zeit nationalromantisch überhöht, bis die Avantgarde der sechziger und siebziger Jahre mit Fluxus, Pop Art und Konzeptkunst einiges durcheinanderwirbelte. In den letzten Jahren hat nicht nur die nordeuropäische Film- und Musikszene sondern auch die bildende Kunst in einen weiteren regelrechten Boom erlebt. Zahlreiche KünstlerInnen haben sich in der internationalen Kunstszene einen Namen gemacht und zu einem differenzierteren Blick auf den Norden Europas beigetragen.
Mit der Ausstellung 'Norden' begibt sich die Kunsthalle Wien auf Entdeckungsreise nach Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden. Anhand von ca. 30 zeitgenössischen künstlerischen Positionen sowie exemplarischen Vorläufern aus den 1960er und 1970er Jahren bietet die Ausstellung in medial unterschiedlichen Formen – von der Malerei über Installationen, Fotografien und Videos bis zu virtuellen Räumen – einen Einblick in das aktuelle Kunstschaffen des Nordens.

Alle Positionen in der Ausstellung haben eine besondere Story zu erzählen: extrem, schräg, poetisch, unorthodox. Vom 'Klang der Landschaft', wie bei einer Arbeit des Fluxuskünstlers Henning Christiansen bis zu Videos des Musikstars Björk." (Quelle: KUNSTHALLE wien)