(...) Man hatte bereits versucht, einige Katzen auf den großen Dachboden zu sperren, sie durch ein paar Löcher, die man eigens dafür geöffnet und gleich danach wieder zugemacht hatte, in die Finsternis dort zu schubsen. Die Katzen aber machten auf dem Dachboden keinen Schritt. Sie wurden in einer solchen Umgebung scheu, standen da, das Fell gesträubt, und fauchten (was freilich, aber nur vorübergehend, eine gewisse Wirkung hatte), und wenn man die Löcher wieder öffnete und sie herausließ, sahen sie aus, als kämen sie aus dem Irrenhaus. Für mehrere Stunden durfte niemand in ihre Nähe kommen, weder Mensch noch Maus - fauchend sprangen sie weg.
Christophoros hatte also die Idee, als letzten Ausweg den Jäger um Hilfe zu bitten.
"Kannst du mir ein Wiesel besorgen?" fragte er ihn eines Abends, es war der Abend vor Silvester.
"Ein Wiesel?" fragte der Jäger erstaunt.
"Ein Wiesel, ja. Aber ein lebendiges, nur ein lebendiges. Nur der Herr Wiesel wird uns vor dieser Mäuseplage retten", sagte er, auf die Dachbalken seiner Herberge zeigend.
Der Jäger gab zu, daß es ziemlich schwierig sei, einen solchen Wunsch zu erfüllen, versprach aber, alles zu tun, um für Christophoros ein Wiesel zu finden. Und er machte sich noch am gleichen Abend auf - die Sorge wegen der Mäuse war bei allen so groß, daß diesmal niemand, nicht einmal Klitia, befürchtete, er würde nicht zurückkommen.
Er stieg nicht auf den Berg und ging auch nicht an eine entlegene Waldstelle - er wußte, daß das Wiesel nicht weit vom Menschen lebt. Er hätte es sogar in einem Stall finden können oder auf irgendeinem Schutthaufen zwischen Holz und Steinen, wo es sich sein weiches Nest baut, seine Jungen wirft und bei Anbruch der Nacht meist unbemerkt zur Nahrungssuche herausschlüpft. Es war also einigermaßen einfach, es aufzuspüren, jedoch keineswegs einfach, es lebend zu fangen.
Für den Jäger allerdings war es nicht unmöglich: In der Morgendämmerung kehrte er in die Herberge zurück mit einem niedlichen, buschigen und verschreckten Wiesel im Arm ... Das Tier hatte allmählich Angst und Mißtrauen verloren und vertrug sich anscheinend ganz gut mit seinem Jäger (gierig hatte es unterwegs überall an ihm genagt, selbst an Fingernägeln und Knöpfen), als es aber die vielen Leute sah, erschrak es von neuem und fing an, den Jäger mit seinen spitzen feinen Zähnen in die Finger zu beißen - und einmal wäre es ihm um ein Haar entwischt, weg, ihnen allen entflohen. Der Jäger war aber schneller und bat die Anwesenden, die Herberge zu verlassen.
Er wollte das Vertrauen mit ein paar Haselnüssen wiederherstellen und dem Wiesel den Weg zur Zimmerdecke zeigen, aber es schoß wie ein Pfeil aus seinen Armen auf den Fußboden, stellte sich kurz auf die Hinterpfoten und drehte das überkluge Köpfchen mit den unersättlich vibrierenden Nüstern in alle Richtungen (wie ein kleiner Bräutigam, der sich nach einer Braut umsieht). Schließlich machte das Wiesel einen Salto, der selbst dem Auge des Jägers entging, sprang auf einen der dicken Dachbalken und von dort, feingliedrig und raubtierartig, auf den nächsten, umgeben jetzt von den Geistern, die den Dachboden bevölkerten ... Jetzt hatten diese es eilig, sich unsichtbar und unhörbar zu machen, da sie das Ende ihrer Herrschaft nahen spürten.
Auch der Jäger verließ nun eilig die Herberge, er ging hinaus zu den anderen.
Als sie etwas später wieder in das Haus zurückkehrten, verschlug es ihnen die Sprache, sie standen da und konnten sich nicht einmal bekreuzigen: Der Fußboden war übersät mit ausgesaugten leblosen Mäusen, die Dachbalken frei, still, wie unbewohnt. Bald darauf sahen sie auch das Wiesel, das aus irgendwelchen Winkeln des Dachbodens herauskam, die selbst Christophoros nicht kannte, zwischen den Zähnen zwei halb erstickte Opfer, die kraftlos und vergeblich versuchten, ihm zu entkommen ... Es blieb in der Mitte des Balkens stehen - um sich allen zu zeigen, würde man denken -, legte die zwei Mäuse vor sich hin und ließ sie, nachdem es sie auch ausgesaugt hatte, zu den anderen hinunterfallen.
"Frißt das Wiesel eigentlich kein Fleisch?" fragte einer, als sie langsam die Sprache wiederfanden.
Einige sahen ihn an, ohne ihn einer Antwort zu würdigen - sie wußten übrigens genausowenig, ob das Wiesel das Blut dermaßen liebt, daß es den Rest verschmäht.


(aus "Und beim Licht des Wolfes kehren sie wieder" von Siranna Sateli;
Kiepenheuer & Witsch Verlag)