Ein
Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind und sich begab
an eines
Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: Bitte, beuge mich!
Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:
»Der Werwolf« -- sprach der gute Mann,
»des Weswolfs«, Genitiv sodann,
»dem Wemwolf«, Dativ, wie man's nennt,
»den
Wenwolf«, -- »damit hat's ein End«
.
Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
Indessen,
bat er, füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!
Der Dorfschulmeister
aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar
Wölfe
gäb's in großer Schar,
doch »Wer« gäb's nur im Singular.
Der Wolf erhob sich
tränenblind
--
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.
(von Christian Morgenstern; 1871-1914)