(...)
Dann, nachdem ich den Hahnenschrei
in einem Rückgrat hatte hören aufsteigen und, wie mir vorausgesagt
worden, als eine Taufen ein kalter Regen auf mich herniedergegangen, so doch
keinerlei Wolken über mir zu sehen gewesen, ging ich in der Druidennnacht
des ersten Maien auf die Moorhaide der kreuz und quer, und stand, ohne zu suchen,
alsbald vor dem Loch in der Erde. --- (Brandfleck) --- ich hatte hinter mir
drein den Karren mit denen fünfzig schwarzen Katzen hergezogen, wie mir
der Hirte angeraten. Ich machte ein Feuer an und, nachdem ich die Verfluchung
des Vollmondes absolvieret, wobei das Gefühl eines unbeschreiblichen Entsetzens
in meinen Adern zu kreisen anhub, daß mir der Geifer vors Maul getreten,
nahm ich die erste Katze heraus, spießte sie auf und begann den 'Taighearm',
indem ich sie langsam drehend über den Flammen röstete. Etwan eine
halbe Stunde gellte mir ihr fürchterlich Geschrei in den Ohren, wollt mir
aber wie viele Monate scheinen, dermaßen sich die Zeit für mich ins
Unerträgliche zu dehnen anfing. Wie erst, so sagte ich mir, würde
ich das Entsetzliche fünfzigmal so lange aushalten können, wußte
ich doch, ich durfte nicht innehalten bis zur letzten Katze und mußte
scharf aufpassen, daß das Geschrei nicht abrisse. - Alsbald stimmten die
im Käfig mit ein und wurde ein Chor daraus, daß ich fühlte,
wie die Geister des Wahnsinns, die schlafend liegen in jedes Menschen Hirn,
in mir aufwachten und Fetzen meiner Seele an sich rissen. Sie blieben jedoch
nicht in mir, sondern wehten wie Hauch aus meinem Munde in die kalte Nachtluft
hinein und stiegen empor zum
Mond, einen schillernden Hof um ihn zu bilden. - Der Hirte hat mir
gesagt, es sei der Sinn des 'Taighearm' der, daß alle Wurzelheimlichkeit
der Furcht und des Schmerzes, die in mir stäke, übergehen müßte
durch die Marter der Procedur auf die der Göttin geweihten Tiere, die schwarzen
Katzen, und solcher verborgener Wurzeln der Furcht und des Schmerzes gäbe
es fünfzig. - So, wie umgekehrt, der Nazarener alles Leid der Creatur auf
sich habe nehmen wollen, jedoch der Tiere vergessen habe. - Und wenn Furcht
und Schmerz aus meinem Blute durch den 'Taighearm' ausgezogen wären in
die Außenwelt - die Welt des Mondes -, aus der sie stammten, dann läge
auch mein wahres unsterbliches Wesen bloß, und für immer besiegt
sei der Tod mit seinem Gefolge: als da sind das große Vergessen, wer ich
einst gewesen, und Verlust jeglichen Bewußtseins. "Wohl soll auch"
hat er gesagt - "später dein Leib von Flammen verzehrt werden wie
der der Katzen, denn dem Gesetz der Erde muß Genüge geschehen, aber
was kann dir viel daran liegen!" --- Zwei Nächte und einen Tag hat
der 'Taighearm' gedauert und ich habe dabei verlernt, zu fühlen, was Zeit
ist, und ringsum ist das Haidekraut, so weit mein Blick reichte, schwarz gedorrt
ob dem furchtbaren Jammer. Aber schon im Laufe der ersten Nacht begannen meine
innern Sinne offenbar zu werden; es fing damit an, daß ich aus dem gräßlichen
Chor der Angst derer Katzen im Käfig jede einzelne Stimme genau unterscheiden
konnte. Die Saiten meiner Seele gaben´s zurück als ein Echo, bis
dann eine Saite nach der anderen zerriß. Da ward mein Ohr aufgetan für
die Sphärenmusik des Abgrundes; seitdem weiß ich, was 'Hören'
ist, --- brauchst dir die Löffel nicht zuzuhalten, Bruder Dee; ich schweig
ja schon von den Katzen. Sie habens gut jetzt, spielen vielleicht im Himmel
'Mäusefangen'
mit den Seelen der Pfaffen.
(...)
(aus "Der Engel vom westlichen Fenster" von Gustav Meyrink)