(...)
Ich holte aus der Küche eines jener großen
Sägemesser, die man zum Brotschneiden nutzt. So bewaffnet ging ich
aufs Klo.
Um nichts in der Welt wäre ich anders da hinein gegangen. Ich
tat es auch nicht, um irgendeine Notdurft zu verrichten, damit wartete
ich lieber bis zu Hause, doch jener winzige teerpappegedeckt Kasten aus
gekalkten Brettern, der einem Wächterhäuschen glich,
faszinierte und erschreckte mich gleichermaßen. Er stand
hinten im Hof, etwa fünfzig Meter vom Haus entfernt, am Ende
eines mit Ziegeln gepflasterten Pfades. Abgehoben gegen das purpurne Abendrot,
sah er düster aus. Zu Mittag aber traute ich mich hinein. Ich
öffnete die Tür, indem ich einen schlichten
Holzriegel zurückschob, und erzitterte vor Grauen: An allen
Wänden hockten Spinnen. Reglos, fett, kugelförmige
Körper mit fadendünnen Beinen, die so lang wie meine
Finger waren, Spinnen aller Art und in allen
Farben der Verwesung, von
grünlich bis bräunlich und rötlich. Ich
wusste, dass sie mich mit ihren unsichtbaren Augen fixierten und bereit
waren, sich alle gleichzeitig auf mich zu stürzen. In
dichteren, wolkig-milchweißen Netzen lauerten andere Spinnen,
die viel größer waren als die flinken
Läufer und kurze, muskulöse Beine hatten. An einem
krummen rostigen Nagel waren Seiten aus einem Buch mit geometrischen
Figuren aufgespießt. Das schwarze Loch, das sich im
blankpolierten Stuhl auftat, gab den Blick auf wuselndes Larvenleben
frei. Mit einer Geste äußersten Mutes zog ich die
Tür zu und hängte den Haken ein. Ich stand in
höchster Anspannung da. Gelbe Lichtstrahlen drangen durch die
Bretter der Tür und machten die Hundertschaften der
Mücken sichtbar, die im Halbschatten dieses
Höllenortes wie rasend summten. Wenn auch noch eine Wespe ins
Innere vordrang, wurde das Summen geradezu unerträglich und
der Eindruck von Bedrohung extrem. Die kleinste Bewegung, die ich bei
meinen Feinden bemerkte, ließ mich die Nerven verlieren, und
ich hackte blind auf sie ein. Ich drosch mit dem Messer auf die
Wände ein, zerhackte die fadendünnen Beine, die auch
dann noch zuckten. Die Spinnen flohen humpelnd, zogen sich aus den
Netzen mit unglaublicher Geschwindigkeit in ihre Nester
zurück, die in den Winkeln klebten, ich aber stand zitternd da
und metzelte kreuz und quer, bis ich keine einzige mehr an der Wand
erblickte. Erst dann löste ich den Haken und stürzte
mit dem zwanghaften Gefühl hinaus, dass ich etwas
Böses getan habe und dass sie sich rächen
würden. Immer wieder tauchte das gleiche Bild in meinem Kopf
auf, vor allem abends beim Schlafengehen: Sobald ich das Licht
ausmache, fallen sie über mich her, verheddern sich in meinem
Haar, rennen mir über die Arme und versuchen, in Mund und Nase
einzudringen, mit ihren haarigen Beinen, ihren krummen Zangen und
weichen Bäuchen. Sie spinnen mich vom Kopf bis zu den
Füßen in ihre weißen Fäden ein
und beginnen unter der Decke zu Zehntausenden den großen
Festschmaus. Um dieses Bild zu vertreiben, kniff ich die Augen, so fest
ich konnte, zusammen und fuchtelte mit den Händen herum, um
die Spinnen zu verscheuchen. Dennoch meinte ich immer noch, auf dem
Bauch, auf der Brust und im Gesicht ihr scheußliches Gerenne
zu spüren. Wenn ich mit offenen Augen im Dunkeln lag und
gespannt jedes Geräusch verfolgte, hatte ich den Eindruck,
eine große und schwere Spinne hänge an der Decke
genau über meinem Gesicht und würde sich
plötzlich an einem blitzenden Faden mit gespreizten Gliedern
herabfallen lassen. Ich setzte mich im Bett auf und rief nach meiner
Mutter, die aus dem Nebenzimmer herbeieilte und das Licht anmachte.
(...)
Aus "Nostalgia" von Mircea
Cartarescu.