Francis ist zurück!
Er hing da oben wie
ein zugeschnürter weißer Beutel. Der Kopf eingeknickt, die
Augen in gefrorenem
Schmerz zusammengekniffen, der Schwanz kerzengerade und irgendwie traurig nach
unten weisend. Rasse kaum identifizierbar. Die Kordel hatte seinen Hals derart
fest zugeschnürt, daß er sich in die Länge gezogen hatte und wie um die Hälfte
seines Volumens reduziert aussah. Die Kordel selbst, bestehend aus samtig schimmernden,
schwarzen Fasern, schien eine von jener Sorte zu sein, mit der Raffvorhänge
zusammengezurrt werden und an deren Enden unvermeidlich diese plüschigen Troddeln
baumeln. Zu meinem Glück waren die
Augen
des Toten verschlossen, denn der starre Entsetzensblick hätte mich, den Paralysierten,
wohl auf der Stelle zusammenbrechen lassen. Die Schneeflocken rieselten wie
Konfetti auf ihn herab und machten aus ihm eine Eiszeitmumie. Dann wieder schwang
er durch eine plötzliche Windböe sachte hin und her und erinnerte an eine groteske
Voodoopuppe.
Wer hatte ihm das angetan? Zweifellos ein Mensch, gab ich mir selbst die Antwort,
als ich wie in Trance mit einem Satz auf das Becken sprang, um die Leiche eingehender
zu untersuchen. Denn, von exotischen Ausnahmen abgesehen, besitzen Tiere keine
Finger oder fingerartigen Glieder, um diffizile feinmotorische Aktivitäten zu
meistern. Und man benötigt schon fingerähnliche Greifer, um jemandem eine Kordel
um den Hals zu knüpfen. Mordlustige Schimpansen hielten sich
in unserer Gegend selten auf, ergo konnte diese Barbarei allein von einem Menschen
ausgeführt worden sein.
Aus der Nähe betrachtet, vervielfachte sich das Grauen. Das Gesicht des Artgenossen
war jetzt ganz dicht vor mir und wirkte mit den herunterhängenden Schnurrhaaren
und eingefallenen Ohren wie das eines zu Tode betrübten alten Mannes. Wahrend
ich ihn beschnüffelte, konnte ich seinen steifgefrorenen Leib geradezu spüren.
Und ich konnte mir sehr gut vorstellen, welch bestialisches Leid er erlitten
hatte, bevor er in eine bessere Welt gegangen war. Die ersten Tränen lösten
sich von meinen Augen, rannen mir das Maul hinab und tröpfelten auf das Becken.
So böse war die Welt, so ohne Hoffnung auf Licht und Würde.
Ich war in meinem Leben
nicht
zum ersten Mal Zeuge einer solch gruseligen Szene. Doch hatte ich die Erfahrung
machen müssen, daß die Schlächter dieser Welt eigentlich immer "vernünftige"
Motive für ihre Schandtaten besessen hatten. Will sagen, so pervers, größenwahnsinnig
oder verwerflich diese Motive auch immer gewesen sein mochten, auf eine perverse,
größenwahnsinnige und verwerfliche Art waren sie nachvollziehbar. Erschreckend,
aber in sich schlüssig.
(...)
aus "Das Duell" von Akif Pirinçci