(....) "Auf, Taschtego!
Gib`s ihm!" und Taschtego schleuderte die Harpune.
"Riemen auf!" Die Männer ruderten rückwärts, da zuckte
es ihnen auch schon heiß über die Handgelenke: die Zauberleine!
Eine Sekunde vorher hatte Stubb im Heck schnell noch zwei Schläge um den
Poller gelegt, von dem jetzt beim Ausrauschen ein bläulicher Rauch aufstieg
und sich mit dem beständigen
Qualm aus der Pfeife vermengte.
Wie nun die Leine rund um den Poller lief, so lief sie dauernd durch Stubbs,
mit Blasen bedeckten Hände, denn er hatte die Handschützer, gefütterte
Segeltuchstücke, die beim Fieren übergestreift werden, unglücklicherweise
fallen lassen. Es war, als hielte er die Klinge eines zweischneidigen Schwertes
in den Händen, währen der Feind immer wieder versucht, es ihm zu entreißen.
"Leine nass machen, nass machen!" rief Stubb dem Mann neben der Balje
zu. Der riss seine Mütze vom Kopf und schöpfte damit Wasser in die
Balje. Noch ein paar Rundtörne liefen aus, dann kam die Liene zum Stillstand.
Wie ein Hai schoss jetzt das Boot durch das gischtige Wasser. Stubb und Taschtego
wechselten die Plätze - Bug Gegen Heck -, ein waghalsiges Beginnen im hin
und her geworfenen Boot.
Die sirrende Leine lief jetzt straffer als eine Harfensaite der ganzen Länge
nach über das Boot. So brausten sie dahin, ein jeder klammerte sich mit
aller Kraft an seiner Ducht fest, um nicht in das schäumende Wasser hinausgeschleudert
zu werden. Die hohe Gestalt Taschtegos hockte ganz zusammengeduckt am Steuerriemen,
um das Schwergewicht möglichst nach unten zu verlagern.
Durch
Weltmeere meinten sie hindurchzurasen. Da endlich begann der Wal
auf seiner Flucht zu erlahmen.
"Hol ein, hol ein!" rief Stubb dem Mann am Bugriemen zu. Alle Männer
drehten sich auf ihrer Ducht um, mit dem Gesicht zum Wal, und ruderten auf ihn
los, während er das Boot noch weiterschleppte. Bald kamen sie längsseits.
Stubb stemmte sich mit dem Knie fest gegen die Stützducht und schleuderte
Lanze auf Lanze in den Körper des fliehenden Wales. Bald strich die Mannschaft
auf Stubbs Befehl die Riemen, um dem um sich schlagenden Tier auszuweichen,
bald griffen sie für den nächsten Lanzenwurf wieder kräftig in
die Riemen. Das
Blut des Wales färbte das Wasser rot. Die schrägen
Strahlen der untergehenden Sonne spiegelten die riesige Blutlache auf den Gesichtern
der Männer wider. Strahl auf Strahl weißen Dampfe schoss die ganze
Zeit stoßweise aus dem Blasloch des verwundeten Wals, während dem
Mund des erregten Bootsführers Rauchwolke auf Rauchwolke entquoll. Nach
jedem Wurf holte er die verborgene Lanze an der daran befestigten Leine wieder
ein, klopfte sie mt einigen hastigen Schlägen gegen das Dollbord wieder
gerade, ehe er sie von neuem in den Leib des Wals schleuderte.
"Ruder an, Ruder an!" rief er jetzt dem Leinenschießer zu, als
die Kraft des verendenden Wales nachzulassen begann. "Dicht ran an den
Wal!" Die Schaluppe kam länsseits. Nun langte Stubbs weit über
den Bug hinaus, bohrte dem Tier das lange scharfe Eisen langsam in den Leib,
ließ es stecken und bohrte immer wieder vorsichtig weiter. Er suchte das
Lebensmark des Tieres. Und jetzt stieß er darauf. Plötzlich fuhr
das geschwächte Ungeheuer aus seiner Gleichgültigkeit auf, und ein
schrecklicher Todeskampf setzte ein. Schauerlich wälzte es sich in seinem
Blut und hüllte sich über und über in ein undurchdringliches
Gewoge von sprühendem Gischt, so dass es dem gefährdeten, achteraus
fallenden Boot nur mit Mühe gelang, sich aus dem Chaos zu retten.
Als der Todeskampf zu Ende ging, tauchte der Wal noch einmal auf. Er rollte
von einer Seite auf die andere. Mit einem furchtbaren, krampfhaften Röcheln
blähte sich das Blasloch und zog sich wieder zusammen.
"Er ist tot, Mr. Stubb", sagte Taschtego.
"Ja!" Damit nahm Stubb die Pfeife aus dem Mund und klopfte die Asche
über dem Wasser aus. Und einen Augenblick betrachtete er nachdenklich den
riesigen Kadaver. (...)
(aus dem "Moby
Dick" von
Herman
Melville)
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